Das Leid
Das Leid,
[
2007-2008] des -es, plur. car. welches in
den meisten Fällen nur in gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart,
und auch hier am häufigsten in einigen einmahl angenommenen Fällen gebraucht
wird. 1. Haß, Widerwillen; nur noch in einigen wenigen Fällen des gemeinen
Lebens. Ich rede es ihm weder zu Liebe noch zu Leid. Ich sage es niemanden zu
Leide, aus Haß; wo es aber auch die folgende Bedeutung der Beleidigung, der
Kränkung erträget. Das Nieders. Leide ist für Haß in mehrern Fällen gangbar,
und das Angels. Laetthe bedeutete gleichfalls Haß. 2. Unangenehme Empfindung.
1) Überhaupt, und in so fern sie einem andern verursacht wird, besonders wenn
sie ihm unverschuldeter Weise verursacht wird, Beleidigung, Unrecht; wo man im
gemeinen Leben so wohl sagt, einem ein Leid thun, als, ihm etwas zu Leide thun,
als endlich auch, ihm Leides thun, in der zweyten Endung. Ich habe ihm kein
leid gethan. Es soll dir kein Leides, oder nichts zu Leide geschehen. Ich hab'
euch ja kein Leids gethan, Gell.
Venus grämt sich ja, was ist Leides ihr geschehen? Gleim.
Er hat mir vileze Laithe getan, in dem alten Gedichte auf
Carln den Großen bey dem Schilter. Swas mir leides ist geschehen, Ditmar von
Ast. In Lieb und Leid, in guten und bösen Umständen. Dem Gerechten geschieht
kein Leid, Sprichw. 12, 21. Wer Gott fürchtet, dem widerfähret kein Leid, Sir.
33, 1. Thut meinem Propheten kein Leid, 1. Chron. 17, 22. Sich ein Leides thun,
bedeutet im gemeinen Leben, Hand an sich selbst legen, sich selbst umbringen.
Sprich, ich wollte mir ein Leides thun, Gell. Ich thäte mir ein Leides, wenn
sie nicht mein Schwiegersohn werden sollten, Weiße. 2) In engerer Bedeutung,
Wehklagen, und figürlich, Gram, Kummer, Betrübniß, Traurigkeit. (a) Überhaupt.
Ich werde mir Leide hinunter fahren in die Grube, 1 Mos. 37, 35. Und ward aus
dem Sieg des Tages ein Leid unter dem ganzen Volk, 2 Sam. 19, 2. Ich habe ihr
Geschrey gehöret - ich habe ihr Leid erkannt, 2 Mos. 3, 7. Wo ist wehe, wo ist
Leid? Sprich. 23, 29. Vor Leid sterben, Tob. 6, 16. Freude für Leid geben, Kap.
7, 20. Und so in andern Stellen mehr, wo auch die R. A. Leid tragen, d. i.
Gram, Kummer, Betrübniß überhaupt empfinden, häufig vorkommt. Reue und Leid
über die Sünde empfinden. Einem sein Leid tragen, seinen Kummer. Vor Leid
vergehen. Im Leide vergehen, vor Leid sterben u. s. f. (
S. Beyleid.) (b) In engerer Bedeutung, Betrübniß um
einen Verstorbenen. (aa) Um jemanden Leid tragen, seinen Tod bedauern.
Der Büsche traurig Grün scheint Leid um euch zu tragen, Cron.
Einem das Leid klagen, in einigen Gegenden, ihm condoliren,
ihm sein Beyleid bezeigen. das Leid einnehmen, in einigen Gegenden, die
Condolenz, bey einem Begräbnisse. Figürlich, (bb) die Trauerkleidung; doch nur
im gemeinen Leben, so wohl Ober- als Niederdeutschlandes. Im Leide gehen, in
der Trauer. das volle Leid, das Halbleid, das Kleinleid. (cc) Das
Leichenbegängniß, die Leichenbegleitung; gleichfalls nur im gemeinen Leben
einiger Gegenden. Im Leide gehen, in der Leichen-Procession. Das Leid
begleiten, die Leiche. Ein vornehmes Leid, eine vornehme Leiche. Ein
Männerleid, eine männliche Leiche, ein Weiberleid, eine weibliche Leiche. Daher
in einigen Gegenden auch die Zusammensetzung Leidbitter, Leidbrief, Leidfrau,
Leidhaus, Leidkleid, Leidflor u. s. f. für Leichenbitter, Trauerbrief,
Klagefrau, Trauerhaus, Trauerkleid, Trauerflor u. s. f. üblich sind. Anm. Für
Gram, Betrübniß, Schmerz, schon bey dem Ottfried Leid und Leidlust, und bey dem
Willeram Leit. Im Nieders. Leed und Leyd, im Schwed. Led, im Wallis. Alaeth, im
Dän. Lee, Leede; welche aber auch theils körperliche Krankheit, theils
Widerwärtigkeit und Unfälle bedeuten. Es scheinet, daß dieses Wort zunächst
entweder den lauten Ausbruch der Schmerzen des Leibes und des Gemüthes, oder
auch den Ausdruck derselben in den Gesichtszügen bedeutet. In dem letztern
Falle würde die Bedeutung des Nebenwortes, da es für häßlich, widerwärtig
gebraucht wurde, die erste und eigentliche seyn; im ersten Falle aber würde es
zu laut und dessen Verwandtschaft gehören. [
2007-2008]