Die Lehre
Die Lehre,
[
1983-1984] plur. die -n, von dem
Zeitworte lehren. 1. Ein bey verschiedenen Handwerkern und Künstlern übliches
Wort, wo es überhaupt ein Modell, Muster, ein Werkzeug, die Größe oder
Beschaffenheit eines Dinges zu untersuchen, es darnach zu bestimmen, u. s. f.
bedeutet. 1. Eigentlich. Bey den Feuerwerkern ist die Lehre, das Lehr, das
Kugellehr, und verderbt des Kugelöhr, ein eisernes Blech, worin die Größe der
Kugeln ausgeschnitten ist, ihren Durchmesser darnach zu bestimmen. Bey den
Maurern wird das Bogengerüst, oder das hölzerne Gerüst, Gewölber und Bogen
darüber aufzuführen; der Lehrbogen, die Bogenlehre, oder nur die Lehre
schlechthin genannt. Bey den Schlössern ist die Lehre bald ein eiserner Stift,
bald auch ein Loch, um zu sehen, ob verschiedene Löcher von gleicher Größe
sind, oder ob verschiedene Dörner oder Stifter einerley Stärke haben; Franz.
Calibre. Bey eben denselben wird auch ein kleines Werkzeug, welches mit der
Stellschraube hin und her geschoben werden kann, allerley Öffnungen damit zu
messen, und welches die Stelle eines Stangenzieles vertritt, die Lehre genannt.
Ein ähnliches Werkzeug derselben, welches gleichfalls diesen Nahmen führet,
dienet dazu, die Röhren in den Schlüsseln zu probieren, ob sie recht gerade
sind. Ja alle stählerne Muster, Schilder, Schlüssellöcher und Bleche darnach
auszuhauen, führen bey ihnen den Nahmen der Lehren. Die Jäger und Fischer
nennen das Strickholz oder Strickbret, vermittelst dessen die Maschen
gestricket werden, die Lehre. Bey den Seilern ist die Lehre ein Rechen mit
kleinen hölzernen Zähnen, zwischen welchen die Spinnfäden geleitet werden. Auch
die Bildhauer pflegen die Modelle oder Muster Lehren zu nennen. In der
Landwirthschaft einiger Gegenden, wird auch der Vorsteckkeil hinten an dem
Walterchen, vermittelst dessen die Räder des Pfluges gestellet werden, von
einigen die Lehre genannt. In diesem Verstande lautet es bald die Lehre, bald
der Leher, und der Lehrer, bald aber auch das Lehr, dagegen es von andern mit
zwey e die Leere geschrieben wird. Allein, wer siehet nicht, daß es so wie die
folgenden Bedeutungen von dem Zeitworte lehren abstammet? Schon bey dem Kero
ist Leera ein Werkzeug, Instrument. 2) Figürlich, der Zustand eines Dinges, da
es der Vorschrift, dem Maße gemäß ist, ohne Plural; in welcher Bedeutung es
besonders bey den Müllern üblich ist, bey welchen der Stein in die Lehre
gebracht wird, wenn man ihn in das Gleichgewicht bringet. Der Stein liegt in
der Lehre, wenn er im Gleichgewicht liegt. 2. In weiterer Bedeutung. 1) Der
Vortrag einer Wahrheit. (a) Im engsten Verstande eine Regel des Verhaltens.
Jemanden eine gute Lehre geben. Einem allerley gute Lehren beybringen. Das soll
mir eine Lehre seyn. Laß dir das zur Lehre dienen. Chrysipps Unglücksfälle sind
für uns Lehren vom Himmel. (b) In weiterer Bedeutung, der Vortrag einer
Erkenntniß, eine in Worten vorgetragene Wahrheit. Allerley neue Lehren
aufbringen. (c) Figürlich, der ganze Umfang oder Zusammenhang aller
Vorschriften oder Wahrheiten Einer Art, eine Doctrinn; ingleichen ein Buch,
welches denselben enthält. Die Glaubenslehre, Tugendlehre oder Sittenlehre, die
Arzeneylehre, die Vernunftlehre, Rechtslehre, die Sprachlehre u. s. f. Die
Mathematik ist die Lehre von der Größe der Körper. In engerer Bedeutung wird
die Glaubenslehre zuweilen nur schlechthin die Lehre genannt. In der Lehre
nicht richtig seyn. Die reine Lehre. 2) der Zustand, da man lehret, oder
gelehret wird; ohne Plural. (a) In einigen Gegenden führet die Katechisation
den Nahmen der Rinderlehre. (b) Der Zustand, da man gelehret wird, oder lernet;
eine besonders bey den Handwerkern und andern Zunftverwandten übliche
Bedeutung. Ein Mensch ist bey allen zünftigen Anstalten so lange in der Lehre,
als die Anfangsgründe eines Handwerkers oder einer Kunst erlernet, bis er los
gesprochen oder zum Gesellen erkläret wird.
S. Lehrbursch. [
1985-1986] Bey
einem Meister oder Künstler in der Lehre seyn, ein Handwerk oder eine Kunst bey
ihm erlernen. Einen Knaben bey jemanden in die Lehre thun oder geben. Enen
Knaben in die Lehre nehmen. Bey einem in der Lehre stehen. Aus der Lehre
laufen. Von dem Zustande, wo man in Wissenschaften oder freyen unzünftigen
Künsten unterrichtet wird, ist dieses Wort nicht üblich. Anm. Schon bey Kero
Leru, bey dem Ottfried, der es auch für Doctrina gebraucht, Lera, im Isidor
Lerunga, im Nieders. Leere, im Angels. Laera, im Engl. Lere, Lerry,
S. Lehren. [
1985-1986]