Das Laster
Das Laster,
[
1919-1920] des -s, plur. ut nom. sing. 1)
* Eine jede Verstümmelung oder grobe körperliche Verletzung; eine im
Hochdeutschen veraltete Bedeutung, in welcher Läster noch im Schwed. vorkommt,
wo auch lätza verletzen ist. Im gemeinen Leben gebraucht man noch das Zeitwort
zerlästern in dieser Bedeutung, so wie auch die letzte Hälfte des Zeitwortes
verletzen, laedere, hierher gehöret. (
S. Last 1.) 2) * Eine Beleidigung, und in engerer
Bedeutung, Beschimpfung, Beleidigung der Ehre, wie auch im leidenden Verstande,
Schande, Schimpf; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, von welcher indessen
noch lästern abstammet. Einem etwas zu Laster thun, Schwabensp. Kap. 173, zum
Schimpfe. Einem weder Laster noch Leid thun, Königshoven.
Die Juden, so darum den Haß und Laster tragen Durch alles
Christen Reich, Opitz.
Im gemeinen Leben einiger Gegenden gebraucht man das Wort
Laster als ein niedriges Schimpfwort auf eine schändliche Person oder
verächtliches Ding. (
S. Lasterstein.) 3) * Schaden, Nachtheil; welche
Bedeutung gleichfalls veraltet ist.
Ich will diu seldenhaften wib Niht biten wan des einen Das si
mir sin genedig so Das an ir laster si, Walther von Klingen;
ohne ihren Schaden. 4) * Ein Verbrechen, eine grobe
Übertretung des Gesetzes; schon bey dem Ottfried und im Tatian Lastar. Wenn
jemand ein Weib nimmt, und ihre Muster dazu, der hat ein Laster verwirkt, 3
Mos. 20, 4. Da ihr mußtet eure Laster und Greuel tragen, Ezech. 16, 58. Um drey
und vier Laster willen der Stadt Zor will ich ihrer nicht schonen, Amos 1, 9,
11, 13. Auch in dieser Bedeutung kennet man es im Hochdeutschen nur noch in dem
Ausdrucke das Laster der beleidigten Majestät, wofür doch auch das Verbrechen
der beleidigten Majestät üblicher ist. 5) In der engsten und gewöhnlichsten
Bedeutung, die thätige Neigung ein Gesetz wissentlich zu übertreten; ingleichen
die Fertigkeit dieser Übertretung. Im gemeinen Leben pflegt man nur solche
thätige Neigungen, deren Ausbruch mit einem besondern Grade äußerer Schande
verknüpft ist, Laster zu nennen. Allein in der Sittenlehre nimmt man es in dem
weitesten Umfange der Bedeutung, auch von solchen thätigen Neigungen dieser
Art, welche gemeiniglich nicht von der öffentlichen Schande (welches die
nächste Bedeutung dieses Wortes ist) gebrandmarket werden. Ein Laster an sich
haben. Das Laster der Trunkenheit, der Hurerey, der Fluchens, des Ungehorsams
u. s. f. In Laster fallen. Den Lastern ergeben seyn. Wo es figürlich zuweilen
im Singular anstatt des Plurals gebraucht wird. Das Laster fliehen, die Laster.
Ingleichen anstatt der lasterhaften Person. Das Laster scheut die Ewigkeit,
weil es genöthigt ist, einen Gott knechtisch zu fürchten, Gell. Anm. Es ist
sehr wahrscheinlich, daß dieses Wort vermittelst der Endsylbe er von Laster in
der ersten Bedeutung, oder vielmehr von dem veralteten Zeitwort lästen, lasten,
letzen, verletzen, laedere, abstammet, daher denn die allgemeine Bedeutung
einer Verletzung und damit verknüpften Beschimpfung sehr leicht zu erklären
ist. Notker gebraucht Lastir auch für Betrug. [
1919-1920]