Lang
Lang,
[
1897-1898] länger, längste, adj. et adv.
welches überhaupt ein Ausdruck der größten Ausdehnung an einem Körper ist, im
Gegensatze derjenigen, von welchen die Wörter breit und dick gebraucht werden.
Es ist in doppelter Hauptbedeutung üblich. I. Absolute, das Maß dieser
Ausdehnung zu bezeichnen, mit ausdrücklicher Meldung dieses Maßes. 1.
Eigentlich, von der körperlichen Ausdehnung; wo es in der ersten und zweyten
Staffel als ein Nebenwort am üblichsten ist. Der Garten ist funfzig Ellen lang.
Drey hundert Hufen lang, Raml. Das Haus ist so lang wie die Gasse. Zuweilen
auch von der Höhe eines Menschen. Cajus ist so lang wie sein Bruder. Das Maß
stehet im Hochdeutschen am häufigsten in der vierten Endung, im Oberdeutschen
aber auch in der zweyten, welches auch zuweilen von den Hochdeutschen
nachgeahmet wird, sich aber nur in der einfachen Zahl thun lässet. Einer Ellen
lang. Doch verstatten diese Wortfügung zuweilen in der mehrern Zahl auch die
beyden Zahlwörter zwey und drey, weil sie der Declination fähig sind. Zweyer
Spannen lang. Dreyer Ellen lang. Aber nicht, dreyer Meilen, zweyer Zolle lang.
So auch in den Zusammensetzungen armslang, gliedslang, ellenlang, eines Armes
lang u. s. f. Die R. A. der Länge lang, d. i. der Länge nach, so lang man ist,
ist Niedersächsisch, ungeachtet sie bey Hochdeutschen Schriftstellern nicht
selten vorkommt. Er streckte sich der Länge lang auf einen Rasen.
Und mancher fiel die Länge lang darnieder, Gell.
Im Nieders. lingelangst. Ingleichen in der zweyten und
dritten Staffel. Diese Gasse ist länger als jene. Das längste von beyden. Es
ist eine ganze Elle länger, oder um eine ganze Elle länger; im Oberd. auch mit
der zweyten Endung, einer ganzen Elle länger. 2. Figürlich von der Zeitdauer,
in der ersten und zweyten Staffel; auch am häufigsten als ein Nebenwort. Er
schwatzet Tage lang, d. i. ganze Tage. Jahre lang, ganze Jahre. Drey Mahl neun
Tage lang, Raml. Drey Tage lang will ich ihm Gesichter machen, Weiße. Hier
sangen sie wohl eine Stunde lang, Gell. Ingleichen in den Zusammensetzungen
stundenlang, wo es auch als ein Beywort gebraucht wird, ein stundenlanges
Gebeth; lebenslang und lebenlang, welche man doch so wie eine Zeit lang
richtiger getheilt schreibt, Lebens lang und mein Leben lang. Die Tage werden
länger. Der längste Tag. II. Eine beträchtliche Länge habend, im Gegensatze
dessen was kurz ist, länger als gewöhnlich; wo es nur in der ersten und dritten
Staffel gebraucht wird. 1. Eigentlich und in engerer Bedeutung, ein mehr als
gewöhnliches Maß der Ausdehnung in die Länge habend. Ein langes Kleid. Das
Kleid ist mir zu lang. Lange Haare haben. Seine Haare lang wachsen lassen. Ein
langer Hals. Eine lange Gasse. Etwas auf die lange Bank schieben.
S. Bank. 2. In weiterer Bedeutung, der Ausdehnung in die
Höhe nach; doch nur von der Höhe eines Menschen. Ein langer Mensch. Lang seyn,
lang von Statur seyn. Ehedem gebrauchte man es auch für hoch überhaupt. In
lengi himilo, Ottfr. im hohen Himmel. 3. Figürlich. 1) Eine lange Brühe, in den
Küchen, welche viel Flüssigkeit und wenig Consistenz hat; im Gegensatze einer
kurzen. 2) Zähe, im gemeinen Leben, und am häufigsten von flüssigen Dingen. Der
Wein wird lang, wenn er zähe wird. Nach einer noch weitern Figur sagt man im
gemeinen Leben von Speisen oder Getränken, wenn man sie mit Widerwillen
hinunter schluckt, daß sie uns lang im Halse werden. 3) Der Zahl, der Menge
nach, für viel; doch nur mit dem Hauptworte Jahr und häufigsten in der Sprache
der Kanzelleyen und des gemeinen Lebens. Ich habe ihn in langen Jahren nicht
gesehen. In Betrachtung seiner lange Jahre geleisteten Dienste. Ein vor langen
Jahren verstorbener Mann.
- Ich hab' in langen Jahren Was wahr ist, selbst geprüft, was
falsch ist selbst erfahren, Schleg.
4) Von der Zeitdauer, ein größeres Maß der Währung habend als
gewöhnlich, oder als man wünscht. Eine lange Nacht. Wozu dienet der lange Gram?
Das längste Übel höret doch mit dem Tode auf. Ein langes Geschwätz machen. Ein
langes Gebeth. Eine lange Predigt. Durch langen Gebrauch abgenutzt. Sich lange
Zeit nicht entschließen können. Ich habe ihn in langer Zeit nicht gesehen. Eine
lange Krankheit. Eine lange Sylbe, richtiger eine gedehnte, zu deren Aussprache
mehr Zeit erfordert wird, als zu einer kurzen, oder geschärften. Ein langer
Brief, ein langes Gedicht, eine lange Abhandlung, zu dessen Lesung man viele
Zeit gebraucht; aber nicht ein langes Buch. Eine lange Reise, zu welcher viel
Zeit erfordert wird. Ein langes und Breites daher schwatzen, viele unnütze
Worte machen. Von langem her, 2 Pet. 2, 3, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich.
Lange Weile haben, die leere, geschäftlose Zeitdauer mit Unlust empfinden. Die
lange Weile, die unangenehme Empfindung der leeren geschäftlosen Zeitdauer. Man
schreibt dieses Wort gemeiniglich zusammen gezogen, Langeweile, welche Form
doch wider die Analogie der Zusammensetzungen ist, indem in denselben das
Beywort allemahl die Endsylbe wegwirft, wie in langweilig ganz richtig
geschiehet; zumahl da in diesem Worte das Beywort ordentlich decliniret wird,
der langen Weile, nicht der Langeweile. Wäre es ein wahres Compositum, so müßte
es Langweile heißen, nach der Analogie der folgenden und anderer ähnlichen
Zusammensetzungen. Die Art des Verdrusses, den man Langeweile nennt, und der
aus der Unthätigkeit der Seele entspringt, Sulz. Sich die lange Weile
vertreiben. Etwas für die lange Weile thun, zur Vertreibung dieser Empfindung;
im gemeinen Leben auch so viel, als es vergebens, umsonst thun. An einigen
Orten wird der Kofent im Schertze lange Weile genannt, wo es im gemeinen Leben
wohl in Langwel, Langfel, Lampfel verderbt wird. Ingleichen als ein Nebenwort.
Die Predigt war sehr lang. Der Brief ist außerordentlich lang. Über lang oder
kurz, im gemeinen Leben, in einer unbestimmten Zeit, deren Länge oder Kürze man
nicht bestimmen kann.
Nicht über lang darnach es geschach, Theuerd. Kap. 72.
Uber unlang. Notker, in kurzen. Ich würde über lang oder kurz
selbst darauf gefallen seyn, Gell. Die Zeit wird mir lang, scheinet mir lang,
ich empfinde ihre lange Dauer auf eine mit Unlust verbundene Weise. Mir wird
Zeit und Weile bey ihm lang. Sie wird ihnen die Zeit nicht lang werden lassen,
Gell. Man muß dieses Nebenwort lang nicht mit dem folgenden Nebenworte lange
verwechseln, wie auch zuweilen von [
1899-1900] guten
Schriftstellern geschiehet. Bey mir soll ihnen die Zeit nicht lange werden,
Gell. für lang werden.
Wie lange wird mir da die Zeit, Cron.
für lang. Lang stehet, wenn das Hauptwort die Zeit, oder ein
anderes Hauptwort der Zeit da ist, lange aber wenn solches verschwiegen ist.
Man sagt daher richtig, das wird mir zu lange, und der Tag wird mir sehr lang;
aber nicht, der Greis sah lang mit stiller Freude auf den Vater herunter, Geßn.
S. Lange. Anm. Bey dem Kero und Ottfried schon lang, bey
dem Ulphilas laggs, (sprich langs,) im Angels. lang, laeng, long, im Engl.
long, im Schwed. lang. im Lat. longus. Auch unser schlank oder geschlank, Engl.
lank, gehöret zu dem Geschlechte dieses Wortes. In dem Nebenworte lang lautet
das g wie ein k, dagegen es in dem Beyworte, wenn es am Ende wächset, seinen
gelinden Laut wieder bekommt. Man kann dieses Wort, so wie die ähnlichen kurz,
groß, dick, dünn, breit u. s. f. mit vielen Beywörtern zusammen setzen, auch
mit solchen, welche für sich nicht allein üblich sind. Z. B. langbeinig,
langnäsig, langarmig, langbärtig, langhärig u. s. f. lange Beine, Arme, Haare,
einen langen Bart, eine lange Nase habend. Ja es läßt sich auch im gemeinen
Leben mit Hauptwörtern mancher Art zusammen setzen. Langbein, der ein langes
Bein, oder lange Beine hat; so auch Langnase, Langarm, Langhaar u. s. f.
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1899-1900]