Das Landgericht
Das Landgericht,
[
1885-1886] des -es, plur. die -e. 1) Ein
höheres Gericht, dessen Gewalt sich über ein ganzes Land, und die darin
befindlichen und von der gewöhnlichen Gerichtsbarkeit befreyeten Personen
erstrecket, und welches in manchen Gegenden auch Hofgericht,
Provinzial-Gericht, Rittergericht, Landvogtey, Landding, Landstuhl, Landrecht,
in Österreich die Landschranne u. s. f. genannt wird, überall aber auf
verschiedene Art eingeschränkt und bestimmt ist. In einigen Gegenden führen die
Beysitzer eines solchen Landgerichtes den Nahmen der Landräthe. In einigen
Oberdeutschen Gegenden sind noch kaiserliche Landgerichte dieser Art, deren es
ehedem in Deutschland sehr viele gab, und von welchen die Appellationen an die
Reichsgerichte gehen. In andern Ländern gehören sie den Ständen zu. In den
Schlesischen Fürstenthümern wird es das Mannrecht, noch häufiger aber das
Landrecht genannt. (
S. dieses Wort.) In dem Herzogthume Schleswig ist dem
Obergerichte das Landgericht untergeordnet, welches jährlich nach Ostern
gehalten wird, und an welches die Appellationen von den adeligen Gerichten
gehen. Es bestehet aus dem Statthalter, einigen Räthen und dem Landkanzler. In
Böhmen gibt es ein doppeltes Landgericht oder Landrecht, das größere, welches
über Personen des Herrenstandes erkennet, und das kleinere, welches jenem
untergeordnet ist. 2) Ein Criminal-Gericht, welches sich über das flache Land
eines gewissen Bezirkes erstrecket; zum Unterschiede von einem Stadtgerichte,
dessen Gerichtbarkeit nur allein auf eine Stadt gehet. Von dieser Art ist das
kaiserlich königliche Stadt- und Landgericht zu Wien, in welchem ein Stadt- und
Landrichter den Vorsitz hat. Auch das Chur-Mainzische Criminal-Gericht in
Erfurt führet den Nahmen des Stadt- und Landgerichtes, weil es sich nicht bloß
über die Stadt, sondern auch über die dazu gehörigen Dorfschaften erstrecket.
Vermuthlich geschiehet es aus eben diesem Grunde, daß 3) in Österreich und
Baiern das Halsgericht oder der Blutbann adeliger und gräflicher Schlösser über
ihre Unterthanen, das Landgericht genannt wird; zum Unterschiede von der
Hofmark, oder dem Grundgerichte, d. i. der untern oder niedern Gerichtbarkeit.
Daher der Landgerichtsherr, der Besitzer eines adeligen mit dem Blutbanne
begabten Schlosses, welcher auch die Landgerichtsobrigkeit heißt, und von
welchem man sagt, daß er die landgerichtliche Hoheit besitze. 4) In einigen
Gegenden, besonders Niedersachsens und Frankens, werden auch die geringern
Feld- oder Flurgerichte, welche über Gränzstreitigkeiten, Feldschäden u. s. f.
gehalten werden, Landgerichte und Landgerichtsstühle genannt, da denn auch der
dazu beeidigte Actuarius, oder wer sonst den Vorsitz hat, den Nahmen des
Landrichters bekommt.
S. Feldgericht.