2. Das Kreuz
2. Das Kreuz,
[
1773-1774] des -es, plur. die -e,
Diminut. das Kreuzchen, Oberd. das Kreuzlein. 1. In der eigentlichen Bedeutung,
ein gerader Körper, über welchen ein anderer die Quere gehet, welcher die
Gestalt eines Lateinischen großen T hat, und dessen Figur sonst auch das
Antonius-Kreuz genannt wird. In dieser ursprünglichen und erster Bedeutung wird
es nur noch in einigen Fällen gebraucht. So ist das Kreuz bey den Buchdruckern
und Buchbindern, womit die Bogen zum Trocknen auf die Schnüre gehänget werden,
von dieser Art, indem es aus einem bloßen Querholze an einem langen Stiele
bestehet. In einigen andern Fällen heißt ein solches Werkzeug eine Krücke,
S. dasselbe. 2. In weiterer Bedeutung, ein jeder Körper,
welcher einen andern nach einen gewissen Winkel durchschneidet, oder dessen
Figur. 1) Überhaupt. Das Andreas-Kreuz, welches die Gestalt eines X hat. Das
Schächerkreuz oder Gabelkreuz, welches einem Y gleicht. Am häufigsten wird ein
gerader Körper, welchen ein anderer nach rechten Winkeln durchschneidet, ein
Kreuz genannt. Etwas ins Kreuz, oder über das Kreuz legen, es so lagen, daß es
diese Figur vorstelle. Die Bäcker schränken das Holz in dem Ofen über das
Kreuz. Die Arme, die Füße über das Kreuz legen. Daher auch denn sehr viele
Werke der Kunst und deren Theile, welche diese Gestalt haben, den Nahmen des
Kreuzes führen. Dahin gehören z. B. das Kreuz eines Degens, bey den
Schwertfegern, der massive Theil zwischen dem Stichblatte und Griffe nebst der
Parier-Stange und dem Bügel, welcher auch das Gehäuse heißt; das Kreuz im
Fenster, das senkrechte Holz, welches von einem Querholze durchschnitten wird,
und woran die Fensterflügel schlagen, und in weiterer Bedeutung auch der ganze
viereckte Rahmen, von welchem das Kreuz der innere Theil ist. Bey den
Kupferdruckern heißt der Haspel, womit die obere Walze untergedrehet wird, auch
das Kreuz. Und so in hundert andern Fällen mehr. Auch mit einem Kreuze
gezeichnete Dinge werden zuweilen Kreuz genannt. So führet in das Blechhämmern
die dickste und stärkste Art Blech den Nahmen Kreuz, wo es ohne Artikel und
ohne Plural gebraucht wird.
S. Kreuzblech. 2) In engerer Bedeutung, das ehemahlige
Werkzeug einer schimpflichen und schmerzhaften Todesart, da der Beurtheilte an
ein senkrechtes mit einem Querholze versehenes starkes Holz ausgespannt und
befestiget wurde. (a) Eigentlich, besonders so fern Christus den Versöhnungstod
an einem solchen Kreuze erlitten hat; von welchem zwar erweislich ist, daß es
ein Kreuz in der eigentlichsten Bedeutung gewesen, oder einem Latein. T
geglichen hat, welches aber jetzt gemeiniglich unter der Gestalt + vorgestellet
wird. An das Kreuz geschlagen, geheftet, oder genagelt werden. Aus Achtung
gegen den Versöhnungstod Christi wurde die körperliche Figur eines solchen
Kreuzes in der christlichen Kirche sehr frühe zu verschiedenen Gebräuchen
angewendet, wovon aber viele mit der Zeit in Aberglauben und Mißbrauch
ausarteten. In den protestantischen Kirchen sind die meisten dieser Gebräuche
abgeschaffet worden; indessen wird ihr Andenken noch durch einige figürliche R.
A. aufbehalten. Zum Kreuze kriechen, sich demüthigen, unterwerfen. Am Kreuze
stehen, in Mangel und großer Verlegenheit sich befinden. Beyde R. A. sind
Anspielun- gen auf eine ehedem in der Römischen Kirche übliche Art der
öffentlichen Buße, wo man mit ausgespannten Armen vor einem Kreuze stand, wovon
Schilters und Du Fresne Glossaria, und zwar das letztere bey dem Worte Crux,
nachgesehen werden können. Von dem in den mittlern Zeiten üblichen Gebrauche,
denjenigen, welche sich zu einem Feldzuge wider die Ungläubigen und nachmahls
auch wider die Ketzer auswerben ließen, ein Kreuz auf ihre Kleider zu nähen,
stammen die R. A. her, das Kreuz predigen, das Volk in Predigten zu einem
solchen Kriegszuge aufmuntern; das Kreuz nehmen, sich zu einem solchen Zuge
anwerben lassen. (
S. Kreuzzug.) Ein anderer Gebrauch war es, ein Kreuz auf
einem Grundstück zu stecken, welches gerichtlich verkauft werden sollte; daher
die R. A. in den mittlern Zeiten so oft vorkommt, das Kreuz auf eines Haus und
Hof stecken. Auch das gottesdienstliche Zeichen des Kreuzes, da man eine solche
Figur mit den Figuren in der Luft macht, ist eine sehr alte, und besonders in
der Römischen Kirche übliche Gewohnheit, wo sie aber oft sehr gemißbraucht
wird. Das Kreuz machen, ein Kreuz schlagen, dieses Zeichen mit den Fingern in
der Luft machen. Sich mit dem Kreuze segnen. Das Kreuz vor sich machen. Das
Kreuz vor einem andern machen, auch figürlich, sich vor ihm wie vor dem Teufel
hüthen, ihn auf alle Art zu vermeiden suchen. Auch Anhänge zur Zierde, von
edlen Metallen, welche oft mit Edelsteinen besetzt werden, heißen Kreuze oder
Kreuzchen. (b) Figürlich, in der Theologie und biblischen Schreibart. (aa) Das
ganze Versöhnungswerk Christi, von welchem der Kreuzestod das vornehmste Stück
war; ohne Plural. Gal. 6, 14; Ephes, 2, 16; Col. 1, 20. (bb) Die Lehre von
Christo und dessen Versöhnungsmerke; gleichfalls ohne Plural 1 Cor. 1, 17, 18;
Gal. 5, 11. (cc) Die Leiden der Christen, alle Arten der Leiden in der
Gemeinschaft Christi, dessen vornehmstes Leiden in dem Kreuztode befand; auch
ohne Plural. Im mittlern Lat. Cruciatio. Viel Kreuz haben. Sein Kreuz geduldig
tragen. Gott legt den Gläubigen mancherley Kreuz auf. In weiterer Bedeutung
werden alle Arten der Leiden, Unfälle und Widerwärtigkeiten das Kreuz oder ein
Kreuz genannt. Siehe auch Hauskreuz. Anm. Im Isidor, Ottfried und Willeram
Cruce, bey dem Stryker Chreuce, in dem alten Gedichte auf den heil. Anno Creiz,
bey den Schwäbischen Dichtern Kruice, im Nieders. Krüz, im Angels. Cruce, im
Engl. Cross, im Schwed. Kryss und mit versetztem r Kors, im Dän. gleichfalls
Kors, im Slavonischen Krest, im Wend. Krisch, im Pers. Crusc. Es ist nicht
glaublich, daß wir dieses Wort zunächst aus dem Latein. Cruz entlehnet haben
sollten, weil es sehr frühe, und zwar schon im Isidor in seiner heutigen
Deutschen Gestalt vorkommt. Es ist vielmehr mit dem Lat. von dem Worte Krücke
nur in dem Ableitungslaute verschieden, und druckt eigentlich die
Hervorragungen des obern Querholzes aus. Im Alban. heißt daher ein Kreuz nur
Kriukk, so wie das mittlere Lat. Crux mehrmahls für Krücke, Franz. Crosse,
gebraucht wird. Eine von Gottscheds seltsamen Grillen war es, diesem Worte im
Plural ein r anzuhängen, Kreutzer, bloß weil einige gemeine Oberdeutsche
Mundarten so sprechen; Mundarten, welche er doch so oft mit seinem Spotte
beschüttet hatte. Die gewöhnliche Schreibart mit einem tz hat keinen
etymologischen Grund, selbst nicht, wenn man es von dem Lat. Crux abstammen
lässet; zumahl da auch der gedehnte Ton, welcher dieses Wort im Deutschen hat,
den doppelten Consonanten wenigstens nicht begünstiget. In den
Zusammensetzungen Großkreuz und Halbkreuz ist dieses Wort bey verschiedenen
Ritterorden auch im männlichen [
1775-1776] Geschlechte
üblich, eine mit dem Ordenskreuze beehrte Person zu bezeichnen.
[
1775-1776]