Der Kragen
Der Kragen,
[
1741-1742] des -s, plur. ut nom. sing.
ein Wort, welches theils den Begriff der Hervorragung, theils der kranken
Hervorragung, theils aber auch den Begriff der Vertiefung, der Höhle hat, aber
nur noch in einigen Fällen gebraucht wird. 1) Der bloßen Hervorragung, wo es
nur noch in den zusammen gesetzten Kragstein üblich ist, und zunächst zu dem
Zeitworte ragen gehöret, welches hier nur den gewöhnlichen Gaumenlaut
angenommen hat, (
S. Kragstein.) 2) Verschiedene Arten hervor ragender
Kleidungsstücke um den Hals haben von alten Zeiten her den Nahmen der Kragen
geführet, welche aber, so wie alle Kleidungsstücke, durch die Mode gar sehr
abgeändert worden. So war der breite Saum am Hemde, welchen man nochmahls über
das Kleid heraus legte, und ihn endlich gar kraus machte, unter dem Nahmen des
Kragens bekannt. Mit der Zeit machte man ein eigenes Stück daraus, welches den
Hals in Gestalt eines Rades umgab, viele krause Falten hatte, und noch an
vielen Orten von den Geistlichen, so wie noch an einigen von den Rathspersonen,
getragen, und auch die Krause genannt wird. Eine andere Art der Kragen, welche
geistliche Personen an vielen Orten tragen, bestehet in zwey viereckten
Läppchen, welche um den Hals gebunden, und auch das Läppchen genannt werden.
Aus diesen Arten von Kragen entstanden die Kragen auf den Mänteln und
Oberröcken, den Hals damit im Nothfalle zu bedecken. Daher der Hemdkragen, der
breite Saum am Hemde, der Halskragen, Rockkragen u. s. f. Der Ringkragen der
Officiers ist aus dem Kragen an den ehemaligen Panzern entstanden,
S. dieses Wort. Im Schwed. Krage, im Dän. mit
verändertem Ableitungslaute Krave. Es scheinet, daß auch hier der Begriff der
Hervorragung der herrschende ist; da indessen diese Art der Kleidungsstücke
allemahl am Halse befindlich ist, so kann das Wort hier auch als eine Figur der
folgenden 4ten Bedeutung angesehen werden. 3) Im gemeinen Leben, besonders
Niedersachsens, führet das Gekröse der geschlachteten Thiere den Nahmen des
Kragens. Wenn man die Ableitungssylbe wegnimmt, so gehöret es in dieser
Bedeutung unmittelbar zu dem Worte kraus, welches wiederum zu dem Geschlechte
der Wörter ragen, rauh und rauch gehöret. 4) Der Hals; eine nur noch in den
niedrigen Sprecharten übliche Bedeutung. Sich den Kragen füllen, sich satt
essen, im verächtlichen Verstande. Jemanden bey dem Kragen fassen. Opitz
gebraucht es zwar in dieser Bedeutung Ein Mahl bey einer sehr ernsthaften
Gelegenheit:
Wie der Balsam rinnt, Den Aaron auf seine Scheitel geußt, Daß
er durch Bart und Kragen fleußt, Pf. 133;
welches aber wegen des niedrigen Nebenbegriffes, welcher
diesem Worte im Hochdeutschen anklebt, nicht nachzuahmen ist. Im Holländ. ist
Kraeghe, im Engl. Crag, im Schwed. Krage, der Hals, und im Schottischen Crag
der Nacken. Entweder gleichfalls von der Hervorragung, oder welches noch
wahrscheinlicher ist, von der Vertiefung, so wohl von der innern Höhle des
Halses, als auch von der äußern Vertiefung, wie Hals von hohl; daher der Kropf
der Vögel im Engl. Craw, im Schwed. Kroge und im Dän. Kroe genannt wird. (
S. Grube, Gruft, Kropf, Krug, der Krächzen u. s. f. welche
alle damit verwandt sind. 5) Figürlich bekommen auch einige Theile an
verschiedenen Werkzeugen, welche sonst auch unter dem Nahmen des Halses bekannt
sind, den Nahmen des Kragens. So wird der Hals an einer Bouteille oder Flasche
an einigen Orten der Kragen genannt, und an andern führet der Hals einer Laute
oder eines andern musikalischen Instrumentes diesen Nahmen. Anm. Es ist in
allen Sprachen etwas sehr gewöhnliches, daß diejenigen Wörter, welche eine
Erhöhung bezeichnen, auch eine ähnliche Vertiefung ausdrucken, daher man sich
über die Zusammenkunft beyder Begriffe in diesem Worte nicht verwundern darf.
Im Böhm. ist Krag der Rand, die Gränze, im Wend. Kruch ein Stück, Abschnitt,
und kraju abschneiden. Der Plural von Kragen lautet im Oberdeutschen Krägen; im
Hochdeutschen bleibt der reine Selbstlaut gewöhnlich ungeändert.
[
1741-1742]