Köhren
Köhren,
[
1687-1688] verb. irreg. act. neutr.
Imperf. ich kohr, Mittelw. gekohren, ein außer den Zusammensetzungen
gleichfalls veraltetes Wort. Es bedeutete ehedem so wie kiesen, 1) überhaupt,
durch die Sinne empfinden, und in weiterer Bedeutung erfahren. Grosses Lait
chüren, in Eckards Script. bey dem Frisch. Du must des Dothes bekoren, in dem
alten Gedichte auf Carls Feldzug bey dem Schilter. Das Lat. cernere, sehen,
welches in discernere, secernere, ausköhren, auslesen, unterscheiden bedeutet,
ist damit verwandt. 2) In engerer Bedeutung, vermittelst der Sinne untersuchen,
kiesen, kosten. Gicoran, kosten, im Tatian und den Monseeischen Glossen. Im
Schwed. kora. Im weitern Verstande, versuchen, untersuchen, prüfen überhaupt;
in welcher Bedeutung es von Keros Zeiten an sehr häufig vorkommt. Corot atume,
prüfet die Geister, Kero. (
S. Köhrherr.) Chorunga ist daher bey dem Kero, Ottfried
und Notker, und Bekohring bey den spätern Schriftstellern, die Versuchung im
theologischen Verstande. 3) In noch engerm Verstande, beobachten, Acht geben,
lauern. Si churen mih, Notker, sie beobachten mich, lauern auf mich. In einigen
Gegenden sagt man noch nach Hasen kuhren, wofür in andern Gegenden lauschen,
und in Thüringen auf die Lusche gehen üblich ist. Das Hochdeutsche niedrige
scheren, in der R. A. was scher ich mich darum, was bekümmere ich mich darum,
ist vermittelst des vorgesetzten Zischlautes daraus entstanden, so wie auch das
Lat. curare zu dem Geschlechte dieses Wortes zu gehören scheinet. Selbst
kehren, scheinet in seinen figürlichen Bedeutungen mehr von diesem Worte, als
von kehren, verrere und vertere, abzustammen. 4) Nach geschehener Untersuchung
billigen, genehm halten; bey dem Kero kechoron, der es auch in weiterer
Bedeutung für wollen überhaupt gebraucht. Nicuri thu forhtan, fürchte dich
nicht, noli timere; im Tatian. Etwas gut köhren, sagt man noch jetzt in
Niedersachsen, für gutheißen, billigen. Verkoren ist daher bey dem Notker
verwerfen. 5) Wählen, eine Bedeutung, welche sich noch am längsten erhalten
hat, auch in den gemeinen Mundarten, besonders Niedersachsens, noch gangbar
ist. Die Hochdeutschen haben es in den Mittelwörtern erkohren und auserkohren
gleichfalls noch. Köhrgot ist im Nieders. auserlesen gut, Dän. kaare, Schwed.
kora, Isländ. kiora.
S. auch Chur und Willkühr. Anm. Köhren und kiesen sind
ursprünglich Ein Wort, weil die Verwechselung des r und s in allen Europäischen
Sprachen etwas sehr gewöhnliches ist. Die Niedersachsen haben noch ein anderes,
mit diesem vermuthlich auch verwandtes Wort, welches köhren, kähren und kühren
lautet, und sprechen, schwatzen, plaudern bedeutet; in Schwaben karen. Beköhren
ist im Nieders. beschwatzen, Weiberköhre, ein Weibergeschwätz. Im Griech. ist
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - erzählen. Vermittelst der
vorigen Vertauschung des r und s gehöret hierher auch das alte Allemannische
chosan, reden, sprechen, welches noch in unserm liebkosen vorhanden ist.
S. Kosen. [
1689-1690]