- Keit
- Keit,
[
1541-1542] eine Ableitungssylbe, welche
Hauptwörter aus Beywörtern bildet, das Abstractum derselben, und nach einer
sehr gewöhnlichen Figur auch aus dem Abstracto wieder ein Concretum zu
bezeichnen. Sie kommt in der Bedeutung mit der Ableitungssylbe - heit völlig
überein, aus welcher sie bloß durch eine härtere Aussprache des Hauchlautes
entstanden ist. Nur in Ansehung des Gebrauches ist sie von derselben
unterschieden, indem sie mehr eingeschränkt ist, und nur den Beywörtern
angehänget werden kann, welche sich auf bar, er, ig, lich und sam endigen. Auf
bar. Die Brauchbarkeit, Dankbarkeit, Dienstbarkeit, Ehrbarkeit, Fehlbarkeit,
Fruchtbarkeit, Kostbarkeit, Mannbarkeit, Schiffbarkeit, Nutzbarkeit,
Sichtbarkeit, Unsichtbarkeit, Mittelbarkeit, Theilbarkeit, Untheilbarkeit,
Unläugbarkeit, Strafbarkeit u. s. f. Auf er. Die Bitterkeit, Heiterkeit,
Munterkeit, Finsterkeit, Tapferkeit, Heiserkeit, Lauterkeit, Alberkeit, wofür
auch Albernheit üblich ist, das Oberdeutsche Oberkeit für Obrigkeit, das
Nieders. Düsterkeit u. s. f. Von bitter, heiter u. s. f. Für Sicherkeit ist
Sicherheit, und für Sauerkeit ist Säure eingeführet, so wie von denjenigen
Beywörtern, wo die Sylbe er zum Stamme gehöret, die Abstracta gleichfalls auf e
gemacht werden; die Leere, Schwere. Auf ig. Abschüssigkeit, Anmuthigkeit,
Anständigkeit, Barmherzigkeit, Billigkeit, Bündigkeit, Ewigkeit, Fertigkeit,
Flüchtigkeit, Freudigkeit, Freygebigkeit, Geschäftigkeit, Gütigkeit,
Gefälligkeit, Gültigkeit, Holdseligkeit, Kaltblütigkeit, Lässigkeit,
Mannigfaltigkeit, Muthwilligkeit, Mühseligkeit, Mäßigkeit, Mündigkeit,
Obrigkeit, Offenherzigkeit, Schwierigkeit, Streitigkeit, Seligkeit, Thätigkeit,
Widrigkeit, Zufälligkeit u. s. f. Auf lich. Ehrlichkeit, Freundlichkeit,
Friedlichkeit, Höflichkeit, Häuslichkeit, Köstlichkeit, Sinnlichkeit,
Peinlichkeit, Pünctlichkeit, Unpäßlichkeit, Abscheulichkeit, Zärtlichkeit,
Bedenklichkeit, Deutlichkeit, Erheblichkeit, Glaublichkeit, Häßlichkeit,
Beweglichkeit, Betrüglichkeit, Heimlichkeit, Sterblichkeit, Göttlichkeit,
Herrlichkeit u. s. f. Auf sam. Seltsamkeit, Heilsamkeit, Furchtsamkeit,
Friedsamkeit, Arbeitsamkeit, Bedachtsamkeit, Empfindsamkeit, Genügsamkeit,
Wachsamkeit, Einsamkeit, Grausamkeit, Langsamkeit, Sparsamkeit, Wirksamkeit u.
s. f. Dahin gehören auch die Beywörter auf haft und los, welche gleichfalls nur
allein das keit annehmen, aber vorher durch die Sylbe ig verlängert werden
müssen. Dauerhaftigkeit, Gewissenhaftigkeit, Herzhaftigkeit, Nahrhaftigkeit,
Schalkhaftigkeit, Wahrhaftigkeit, Standhaftigkeit, Plauderhaftigkeit,
Zaghaftigkeit u. s. f. Bodenlosigkeit, Gottlosigkeit, Hoffnungslosigkeit,
Fruchtlosigkeit, Lieblosigkeit, Gedankenlosigkeit, Herrenlosigkeit,
Ehrlosigkeit, Grundlosigkeit, Kraftlosigkeit, Sinnlosigkeit, Sprachlosigkeit,
Trostlosigkeit u. s. f. Bey den Beywörtern auf los ist das ig vielleicht aus
dem e euphonico entstanden, die weiche Aussprache des s zu erhalten, für
Gottlosekeit u. s. f. wie noch häufig im gemeinen Leben einiger Gegenden
gesprochen wird, und welches Frisch in seiner Ausgabe der Sprachlehre Bödickers
so gern für die echte und wahre Schreibart ausgeben möchte, selbst in den
eigentlichen Beywörtern auf ig; Gütekeit für Gütigkeit. In den Beywörtern auf
halt schreibt sich dieses ig aus der Oberdeutschen Mundart her, welche den
Beywörtern auf haft so gern ein unbedeutendes ig anhänget, glaubhaftig, für
glaubhaft; welche Schreib- und Sprechart auch im Hochdeutschen ihre Freunde
hat. Diesem Beyspiele folgen auch einige andere Beywörter, welche das keit
annehmen, vorher aber durch die Sylbe ig verlängert werden. Frömmigkeit,
Süßigkeit, Gerechtigkeit, Kleinigkeit, Feuchtigkeit, Reinigkeit, Mattigkeit,
Dreistigkeit, Festigkeit, Nettigkeit, Helligkeit im gemeinen Leben für die
Helle, Seichtigkeit u. s. f. Besonders wenn sie sich auf einen weichen
Mitlauter endigen; Geschwindigkeit, Müdigkeit, Blödigkeit, Sprödigkeit,
Behendigkeit u. s. f. Von fromm, süß, gerecht, blöde, spröde u. s. f. Indessen
ist solches keine allgemeine Regel, weil viele das heit annehmen, wenn sie sich
gleich auf einen weichen Mitlauter endigen, wie Trägheit, Feigheit, Bosheit,
Weisheit, von träge, feige, böse, weise. In grob, blind, gesund u. a. lautet
der Consonant schon hart, daher Grobheit, Blindheit, Gesundheit, der Regel
gemäß sind. Für Feinigkeit sagt man lieber Feinheit.
S. von diesem Gebrauche der Sylbe ig mein Magazin B. 1, St. 3,
S. 78 f. In der Bedeutung kommen die Hauptwörter auf keit mit denen auf
heit vollkommen überein, nur daß die vorher gehende Ableitungssylbe dabey nicht
aus der Acht gelassen werden muß. Es macht Abstracta, welche eine Eigenschaft,
eine Fertigkeit bedeuten und figürlich wieder zu Concretis werden können, Dinge
zu bezeichnen, welche diese Eigenschaft an sich haben. Sich an Kleinigkeiten
belustigen, an kleinen unerheblichen Dingen. Feuchtigkeiten, feuchte Körper.
Gütigkeiten, gütige Handlungen. Indessen vertragen doch nicht alle der obigen
Beywörter diese Sylbe, woran theils die Natur der Sache, theils der Wohlklang,
theils aber auch bloß der unterlassene Gebrauch, Schuld sind. Die Beywörter auf
ig, welche von Partikeln herkommen, lassen sich nicht auf diese Art in
Hauptwörter verwandeln. Für Damahligkeit, Baldigkeit, (im Oberd. sagt man
Bälde,) Heutigkeit, Dortigkeit, Hiesigkeit u. s. f. muß man umschreiben, wenn
man den Begriff auszudrucken hat. Eben dieß gilt auch von Wunderbarkeit,
Väterlichkeit, Mündlichkeit, Ehelichkeit, Königlichkeit, Kümmerlichkeit,
Bürgerlichkeit, Ziemlichkeit und hundert andern mehr. Für Gnädigkeit,
Allmächtigkeit, Andächtigkeit, Günstigkeit, Hungerigkeit, Mächtigkeit,
Wollüstigkeit, Spitzigkeit, Lebendigkeit, Adeligkeit, Gehorsamkeit u. a. m.
sind die kürzern Gnade, All- macht, Andacht, Gunst, Hunger, Macht, Wollust,
Spitze, Leben, Adel und Gehorsam, wenigstens in der edlern Schreibart,
üblicher; obgleich in dem lehrenden Vortrage, wo die schärfste Bestimmung
nöthig ist, auch jene gebraucht werden können, wenn der Verstand es erfordert,
und die vielfache Bedeutung der letztern eine Zweydeutigkeit verursachen
könnte. Anm. Aus allem erhellet, daß diese Ableitungssylbe in den meisten
Fällen ihren Ursprung dem Wohlklange zu verdanken hat, indem das gelindere h
nach den Buchstaben r, g, ch, und dem weichen s fast in das härtere k
übergehet. Daher findet man es auch in den ältesten Schriften so selten, ja
fast nicht eher, als bis man auf den Wohlklang zu merken anfing.
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1543-1544]