Kehren
Kehren,
[
1533-1534] verb. reg. act. welches in
zwey, dem Anscheine nach verschiedenen Hauptbedeutungen gebraucht wird, welche
aber doch so wie die Latein. verrere und vertere, im Grunde sehr genau mit
einander verwandt sind. 1. Mit einem Besen, Wische, oder einer Bürste
überfahren und dadurch wegschaffen. Den Staub aus dem Kleide, aus dem Hute, von
dem Tische, von den Büchern kehren, mit der Bürste. Den Koth aus dem Zimmer,
den Ruß aus dem Ofen, die Spinnenweben von der Wand kehren, mit dem Besen.
Ingleichen auf solche Art reinigen. Die Kleider kehren, das Zimmer, das ganze
Haus, die Feuermauer kehren. In engerer Bedeutung wird es häufig absolute von
dem Kehren der Feuermauern gebraucht. So fern das Kehren mit einer Bürste
geschiehet, wird es auch bürsten, und so fern es mit einem Besen geschiehet,
auch fegen genannt. In dieser Bedeutung lautet es bey dem Ottfried kerren, in
den Monseeischen Glossen cheron, im Griech. -
hier nichtlateinischer Text,
siehe Image - . 2. Einem Körper, dessen Seiten oder Theilen eine andere
Richtung in Ansehung der Dinge außer ihm geben. 1) Eigentlich. Die Augen gen
Himmel kehren. Das Unterste zu oberst kehren. Jemanden den Rücken kehren; den
Rücken gegen dessen Angesicht richten. Sich rechts kehren. Die Füße einwärts
kehren. In welchem Verstande es außer einigen wenigen Fällen im Oberdeutschen
am üblichen ist, indem im Hochdeutschen wenden, richten, drehen, in den meisten
übrigen Fällen dafür gebraucht werden. Doch ist es in den Zusammensetzungen
umkehren, verkehren auch im Hochdeutschen gangbar. 2) Figürlich. (a) Alles zum
Besten kehren, so wohl einer Sache einen guten Ausgang verschaffen, als auch
alles auf die beste Art auslegen. (b) Sich an etwas kehren, Bewegungsgründe
seines Verhaltens daraus hernehmen. Er kehret sich an niemanden. Sich an keine
Warnungen kehren. Kehret euch nicht an seine Worte, Gell. In den niedrigen
Sprecharten mit dem vorgesetzten Zischlaute scheren. Was scher ich mich darum.
(c) In der biblischen Schreibart bedeutet es sehr oft sein Verstandes- und
Begehrungsvermögen auf eine dauerhafte Art auf einen Gegenstand richten. Sich
zu Gott, zur Buße, zu der Sunde, zu den Fabeln u. s. f. kehren; wofür man im
Hochdeutschen theils wenden, theils andere Ausdrücke gebraucht.
S. auch
Bekehren. (d) * Verändern; eine im Hochdeutschen
veraltete Bedeutung.
Gott will, sich ausgesetzt, nichts lassen immer währen, Es
soll ein Wechsel seyn, es soll sich alles kehren, Opitz.
(e) * Ersetzen; ein gleichfalls veralteter Gebraucht, in
welchem es so wie das Hauptwort die Kahr, Kehre, Ersatz, in den Schriften der
mittlern Zeiten häufig vorkommt. Einen Schaden kehren. So auch die Kehrung,
besonders in der zweyten Hauptbedeutung. Anm. In dieser zweyten Hauptbedeutung
bey dem Ottfried und Willeram cheren, im Nieders. keeren, im Dän. kere, im
Pohln. kieruje, ich kehre, im Lat. in der intensiven Form, wie aus dem t
erhellet, vertere. Das Nieders. keeren bedeutet außer dem noch anwenden,
reichen, sich erstrecken, geben und darreichen. Weil im Schwed. Keyre einen
ledernen Riemen, Corium, und köra mit Gewalt forttreiben bedeutet, so glaubt
Ihre, daß kehren eigentlich peitschen, schlagen, bezeichnet habe. Allein, es
ist wohl unläugbar, daß dieses Wort eine Nachahmung des Schalles ist, welchen
so wohl das Kehren mit Besen und Bürsten, als auch die Veränderung der Lage
eines schweren Körpers machet; so wie scheren, scharren, schurren, das
veraltete kahren, graben, schneiden, schärben, Hebr. -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - , -
hier nichtlateinischer Text,
siehe Image - , -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ,
graben, bohren, u. s. f. ähnliche Nachahmungen sind, (
S. Kerbe und Karst,) Einige Mundarten, z. B. die
Schlesische, sprechen das e in diesem Worte wie ein ä, kähren; im
Niederdeutschen und Hochdeutschen hat das geschlossene e den Vorzug.
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1535-1536]