Hier
Hier,
[
1169-1170] ein bestimmendes Nebenwort des
Ortes, welches sich auf die redende Person beziehet, ein Seyn, eine Ruhe an
demjenigen Orte, in welchem sie sich befindet, zu bezeichnen. 1. Eigentlich,
für an diesem Orte; im Gegensatze des da und dort. Hier ist gut wohnen. Hier
bin ich. Ist niemand mehr hier? Hier auf dem Tische sehe ich nichts. Von hier
aus, von diesem Orte aus. Weit von hier. Da der Ort oder Raum, in welchem man
sich befindet, sehr unbestimmt ist, so kann auch das hier in einem
verschiedenen Umfange gebraucht werden, je nach dem man den Umfang des Raumes
in Beziehung auf sich groß oder klein annimmt. Hier (in dieser Stadt) gibt es
viele Ärzte. Hier (in diesem Lande) wachset kein Wein. Hier zu Lande, in diesem
Lande, worin ich mich befinde. Wir haben hier keine bleibende Stätte, auf
dieser Welt. Hier zeitlich und dort ewiglich. Zuweilen bezeichnet es auch den
nächsten Ort, in Absicht auf den Redenden, im Gegensatze des durch dort oder da
ausgedruckten entferntern. Bald hier, bald da, bald an diesem, bald an jenem
Orte.
Er sah bald in das Thal und bald den Berg hinan, Hier (an dem
Berge) traf er Schwierigkeit, und dort (in dem Thale) Vergnügen an, Gell.
Wohin auch das hier und da gehöret, verschiedene Örter von
unbestimmter Zahl, Lage und Beschaffenheit zu bezeichnen, wofür auch hin und
wieder üblich ist. Er hat hier und da Schulden gemacht, an verschiedenen Orten.
Am häufigsten mit dem Nebenbegriffe der Wenigkeit; daher verschiedene Stellen
in der Deutschen Bibel, wo dieser Ausdruck ohne diesen Nebenbegriff vorkommt,
wie Es. 18, 2, 2 Kön. 3, 16, Kap. 21, 16, im Hochdeutschen fremd klingen.
Dieses Nebenwort lässet sich auch mit verschiedenen andern Nebenwörtern des
Ortes in Gesellschaft bringen; die obige Lage in Absicht auf den Redenden näher
zu bestimmen. Hier außen, für hier außerhalb, oder hier draußen. Hier nieden,
im Oberdeutschen und der höhern Schreibart der Hochdeutschen, hier unten, und
figürlich, hier auf dieser Welt,
S. Nieden, welches schon bey dem Ottfried hiar nidana
lautet. Hier oben, hier unten u. s. f. welche von manchen ohne Noth als Ein
Wort, hieraußen, hienieden, hieroben, hierunten, und im Oberdeutschen mit
Auslassung des r hienieden, hieoben, hieunten, geschrieben werden, da sie doch
zwey verschiedene Ne- benwörter sind, welche eben so wenig zusammen gezogen
werden können, als dort oben, dort unten, u. a. m. 2. Figürlich. 1) Von der
Sache, diese Sache, die gegenwärtige Sache, die Sache von welcher man spricht,
oder nächst vorher gesprochen hat, zu bezeichnen. Für die Ruhe meines Herzens
wäre es besser hier zu irren, in dieser Sache. Die Gefahr einer ewigen Trennung
- hier (in dieser Trennung) liegt das Schreckliche, Weiße. Hier muß man nicht
scherzen, in dieser Sache. Hier ist viel zu bedenken, bey dieser Sache.
Besonders in Verbindung mit Vorwörtern, welche die dritte und vierte Endung
erfordern, wo sich hier alle Mahl auf die gegenwärtige oder doch nächst vorher
gemeldete Sache beziehet, und gleichsam darauf weiset, so wie das da und in
manchen Fällen dar, in eben derselben Verbindung sich auf eine entferntere
Sache beziehet. Dergleichen sind hierauf, hieran, hieraus, hierbey, hiergegen,
hierher, hierhin, hiermit u. s. f. welche im folgenden besonders vorkommen, und
wahre Zusammensetzungen sind, weil hier in denselben ein
Demonstrativo-Relativum, die Bedeutung folglich elliptisch ist, dagegen es in
Verbindung mit Nebenwörtern, hier oben, hier unten u. s. f. bloß demonstrativ
ist. Mit welchen Zusammensetzungen aber nicht diejenigen Fälle verwechselt
werden müssen, wenn das Vorwort zu dem Zeitworte gehöret. Der Balken lieget
hier auf, von aufliegen. Es gehet hier ab. 2) Von einer Zeit. Vater die Stunde
ist hie; (hier,) daß du deinen Sohn verklärest, Joh. 17, 1. Im Hochdeutschen
nur noch in denjenigen Fällen, wo es die gegenwärtige Zeit und Sache zugleich,
oder vielmehr eine Ordnung, bezeichnet. Hier (bey diesen Worten, jetzt) konnte
sie sich der Thränen nicht länger enthalten. Hier warf er einen Seitenblick auf
den Spiegel. Dahin gehöret auch das Oberdeutsche hier bevor, ober hie bevor,
für vor diesem, so wohl von der Zeit, als auch von der Sache, im vorigen,
welches von einigen zur Ungebühr in hiebevor zusammen gezogen wird, und schon
bey den Schwäbischen Dichtern hiebeuore, hie bevorn, hi bi vor, lautet.
Durh das ich froide hiebevor ie gerne pflae, Reinmar der Alte.
S. Bevor. Anm. 1. Dieses Nebenwort bezeichnet eigentlich
ein Seyn oder Ruhen an dem gegenwärtigen Orte, in Absicht auf die redende
Person; so wie her eine Bewegung nach diesem hier. Es kann also eigentlich und
für sich allein keinen Zeitwörtern, welche eine Bewegung bedeuten, zugegeben
werden. Ich höre, daß er oft hier auf unser Gut kommt, ist daher unrichtig.
Soll es eine Bewegung in Absicht auf den gegenwärtigen Ort bestimmen, so müssen
andere Vorwörter dazu kommen. Ich höre, daß er oft hierher auf unser Gut kommt.
Er reisete hierdurch, besser getheilt hier, durch. Er ging von hier aus weiter.
Anm. 2. Weil hier, nicht so wie her, als ein Vorwort gebraucht wird, sondern
ein eigentliches wahres Nebenwort ist, so wird es auch mit Zeitwörtern der Ruhe
niemahls zusammen gezogen. Ich werde bald hier seyn; du sollst hier bleiben;
wirst du noch lange hier stehen? Wohl aber, wenn sie im Infinitiv als
Hauptwörter gebraucht werden. Bey meinem Hierseyn. Anm. 3. Wenn dieses
Nebenwort mit Vorwörtern zusammen gesetzet wird, so hat es den Ton, wenn das
Wort den Satz anfängt. Stehet es aber am Ende eines Satzes, so liegt der Ton
auf dem Vorworte. In der Mitte eines Satzes hängt die Stelle des Tones von dem
Nachdrucke ab, womit man das hier ausspricht. In, hieran liegt mir nichts, hat
die erste, und in es liegt mir nichts hieran, die letzte Sylbe den Ton. In, du
[
1171-1172] mußt hieran nicht weiter denken, kann ihn so
wohl die erste als letzte haben. Anm. 4. Dieses Nebenwort lautet schon bey dem
Kero hiar, im Isidor hear, bey dem Ottfried und andern hiar, bey dem Ulphilas
her, im Holländ. und Nieders. hier, her, im Angels. haer und her, im Engl.
here, im Schwed. und Dän. gleichfalls nur her; woraus zugleich erhellet, daß es
von her ursprünglich nicht verschieden ist, obgleich jetzt beyde nicht ohne
einen sehr merklichen Fehler verwechselt werden können. Es ist ohne Zweifel aus
dem alten Pronomine ha, hi, he, dieser, und Ar. area, so fern es ehedem
überhaupt einen Ort bedeutete, (
S. Hausflur und Ort,) zusammen gesetzet. Dieses alte
Pronomen ist unter andern auch noch aus den Zusammensetzungen hieran, hierauf,
hieraus u. s. f. ersichtlich, wo es sich am häufigsten auf eine Sache beziehet,
für, an dieser Sache u. s. f. Die Oberdeutsche Mundart lässet dieses r, welches
gewiß nicht überflüssig ist, gern weg, daher dieses Nebenwort in der Deutschen
Bibel noch so oft hie lautet; welches aber im Hochdeutschen fehlerhaft ist,
ungeachtet das hia in der Fränkischen Mundart schon im 8ten Jahrhunderte
vorkommt; auch das dar, als der Gegensatz des hier, sein r gern verbeißet. Die
gemeinen Mundarten treiben die Verstümmelung noch weiter, indem man für hier
über, hier oben, hier unten, oft genug rüber, hoben und hunten höret. Siehe
auch Hiesig. [
1171-1172]