Heucheln
Heucheln,
[
1159-1160] verb. reg. neutr. welches das
Hülfswort haben erfordert. 1) In der weitesten Bedeutung, schmeicheln,
Liebkosungen erweisen, schmeichelnd, liebkosend bitten, sich freundschaftlich
stellen, mit der dritten Endung der Person; in welcher Bedeutung es im
Hochdeutschen wenig mehr gebraucht wird. Er wird heucheln und gute Worte geben
dem Gottlosen, Dan. 11, 32. Und machen ein löblich Bild des -Königes, auf daß
sie mit Fleiß heucheln möchten dem Abwesenden, als dem Gegenwärtigen, Weish.
14, 17. Und da er bey dem Könige in Gnaden kam, heuchelte er ihm, und brachte
das Hohepriesterthum an sich, 2 Macc. 4, 24. Meinest du er werde dir viel
Flehens machen, oder dir heucheln? Hiob 50, 22. 2) In engerm Verstande, aus
Begierde zu gefallen, anders sprechen und handeln als man denkt. Der
rechtschaffene Mann heuchelt nicht, sondern spricht, wie es ihm um das Herz
ist. Zuweile auch mit der dritten Endung der Person, einem heucheln, aber mit
dem Vorworte gegen, gegen jemanden heucheln; aber nicht mit dem Vorworte mit,
wie es Ps. 12, 3, und Sprichw. 29, 5 gebraucht wird. 3) In noch engerer
Bedeutung, aus Begierde zu gefallen, sich besser, freundschaftlicher stellen,
als man wirklich gesinnt ist; wo es denn so wohl absolute, als auch mit der
dritten Endung der Person oder dem Vorworte gegen gebraucht wird. 4) Im engsten
Verstande, im Äußern ein besseres Vertragen gegen Gott zeigen, als die innere
Gesinnung verstattet. Das Hauptwort die Heuchelung ist ungewöhnlich. Siehe
Heucheley. Anm. In unsern ältesten Schriften kommt dieses Wort nicht vor, so
wie es auch den Niedersachsen unbekannt ist, obgleich die Dänen hykle, und die
Schweden hyckla für heucheln, und Hycklare für einen Heuchler und Schmeichler
gebrauchen. Dieses Stillschweigen macht dessen Abstammung schwer. Dietrich von
Stade leitet es von Gauch, Junius von Angels. viglian, muthmaßen, errathen,
Wachter von -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , ähnlich, so
wie die Lateiner von similis simulare gebildet haben, und noch andere von dem
Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , ich schmeichele,
ab Frisch und andere sehen es als das Diminut. von hauchen an, schreiben es
daher auch häucheln, und erklären es durch, jemanden einen Bisamhauch zuwehen.
Ihre stimmet dem Martinius bey, der es von dem Holländ. Huik, ein Mantel,
abstammen lässet, mit welchem Worte man auch im Hochdeutschen figürlich sagt,
den Mantel nach dem Winde hängen. Lauter Ableitungen, denen man das Gezwungene
und Seltsame bey dem ersten Blicke ansiehet. Ungeachtet dieses Wort in unsern
ältesten Denkmählern zur Zeit noch nicht angetroffen worden, so ist es doch
vermuthlich sehr alt, und zu einer Zeit gebildet worden, da man in Deutschland
von dem Bisamhauche noch nichts wußte, gesetzt man hätte ihn auch jemahls auf
diese Art gebraucht, welches in Ansehung der Europäischen Sitten noch ganz
unerworfen ist. Die Mecklenburger gebrauchen für heucheln, besonders wenn es
durch einen verstellten Beyfall geschiehet, ögeln, Hochd. äugeln, und ein
solcher Heuchler heißt bey ihnen Ögler, Schwed. Öglare, Holländ. Ooghler. Eben
dieselben gebrauchen hucheln für lächeln, so wie in andern Mundarten
schmeicheln in eben diesem Verstande üblich ist. In andern Niedersächsischen
Gegenden, besonders um Hamburg, wird für heucheln oder schmeicheln, fiecheln
und fucheln gebraucht, welches zu fackeln, fachen Fächer u. s. f. gehöret, und
eigentlich sich hin und her schmiegen und biegen bedeutet, welches bey Hunden
und zuweilen auch bey Menschen ein Zeichen der Schmeicheley ist. Aus diesem
fiecheln, fucheln, muß auch das mittlere Latein. foculare, schmeicheln,
hergeleitet werden. Man wähle, welche Abstammung man will, so wird sie allemahl
natürlicher seyn, als die von Hauch. Siehe auch Schmeicheln, welches mit diesem
Worte so wohl in dessen ersten Bedeutung, als in der Abstammung vieles gemein
hat. Aus allem erhellet, daß die Begierde zu gefallen das unterscheidende
Merkmahl dieses Wortes ist, welches dasselbe von dem Geschlechtsworte
verstellen und Verstellung, und von der Nebengattung gleißen und Gleißnerey
unterscheidet. [
1159-1160]