Der Herbst
Der Herbst,
[
1117-1118] des -es, plur. die -e. 1) Die
Einsammlung der Feldfrüchte, die Ernte, die Weinlese; eine nur noch im
Oberdeutschen übliche Bedeutung. Einen guten Herbst haben, eine gute Ernte,
eine gute Weinlese. Daher das Oberdeutsche Zeitwort einherbsten, für einernten,
S. dasselbe. 2) Figürlich, und im Hochdeutschen im
gewöhnlichsten Verstande, die gewöhnlichste Zeit der Ernte, d. i. diejenige
Jahreszeit, welche auf den Sommer folget und vor dem Winter hergehet, wo sich
die Sonne durch die Wage, den Scorpion und den Schützen beweget. Anm. In der
Bedeutung der Ernte lautet dieses Wort im Engl. Harvest, im Angels. Haerfest,
in der Bedeutung der Jahreszeit aber zu Carls des Großen Zeit und bey dem
Notker Herbist, im Nieders. Harfst. Die Abstammung dieses Wortes ist noch
ungewiß. Frisch leitet es von herbe her, weil die Witterung in dieser
Jahreszeit schon unangenehm ist; Wachter aber vom Goth. Ar, Getreide, und
Angels. fon, nehmen. Tacitus sagt von den alten Deutschen, daß sie nur zwey
Jahreszeiten kenneten, Sommer und Winter; autumni perinde nomen acbona
ignorantur. Ihre schließet daraus, daß der Nahme des Herbstes daher aus einer
fremden Sprache eingeführet worden. Allein wider seine Gewohnheit fällt er auf
den unwahrscheinlichen Gedanken, es aus dem Lat. Augustus herzuleiten, woraus
die Niedersachsen ihr Aust, die Holländer ihr Oogst, und die Schweden ihr Höst,
alle in der Bedeutung der Ernte und des Herbstes, entlehnet haben, woraus durch
Einschiebung des r unser Herbst geworden seyn soll. Die ältesten Römer hatten
gleichfalls nur zwey Jahreszeiten, in der folgenden Zeit nahmen sie auch den
Herbst an und nannten ihn Auctumnus, von augere. Vermuthlich haben die
Deutschen die Einsammlung der Feldfrüchte, und die Zeit in welche solche fällt,
auf ähnliche Art benannt. Im Angels. bedeutet aerfwa erwerben, und Arf, Yrfe,
eine jede erworbene Sache; Wörter, welche für unser Herbst eine weit
wahrscheinlichere Abstammung an die Hand biethen, als der Augustus;
S. Arbeit, Erbe und Werben. Aus eben dieser Ursache hieß
die Ernte und der Herbst im mittlern lat. Gagnagium, und im alt Franz. Gain.
Übrigens wird diese Jahreszeit auch das Spätjahr und im Nieders. das Nachjahr,
so wie der Frühling das Vorjahr, genannt. [
1119-1120]