Das Heil
Das Heil,
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1067-1068] des -s, plur. car. das vorige
Wort als ein Hauptwort gebraucht, welches aber nur in einigen figürlichen
Bedeutungen vorkommt. 1) * Die Gesundheit; im Wallis. Hwyl, im Schwed. Hel, im
Englischen mit einem andern Suffixo Health. In dieser Bedeutung ist es im
Hochdeutschen veraltet, wo es nur noch in den Nahmen einiger, so wohl in
Ansehung äußerer Wunden, als auch innerer Krankheiten, heilsamen Pflanzen
vorkommt. So werden so wohl die Agrimone, als auch der Ehrenpreis, die Stabwurz
un das Gauchheil in einigen Gegenden Heil aller Welt genannt. 2) Die
menschliche Glückseligkeit oder Wohlfahrt, so wohl ihrem ganzen umfange, als
auch ihren einzelnen Stücken nach. Jemanden alles Glück und Heil wünschen. Sein
Heil versuchen, sein Glück versuchen, ob man in einer Sache glücklich seyn
könne. Sein Heil im Kriege, im Spiele u. s. f. versuchen. Das ewige Heil, die
ewige Wohlfahrt, die ewige Glückseligkeit. Durch den übertriebenen Gebrauch,
oder vielmehr Mißbrauch, welchen die Dichter der vorigen Zeiten von diesem
Worte machten, hat es viel von seiner Würde verloren, daher man es jetzt in der
höhern und edlern Schreibart immer sparsamer antrifft. In engerer Bedeutung ist
es in der Theologie von allen Arten geistlicher Güter und Wohlthaten noch am
häufigsten, in welchem Verstande es nicht nur in der Deutschen Bibel sehr oft,
sondern auch in vielen der folgenden Zusammensetzungen vorkommt. Die Ordnung
des Heils, diejenige Ordnung, in welcher man zu der geistlichen Glückseligkeit
gelanget;
S. Heilsordnung. Das Heil der Menschen, ihre geistliche
und ewige Wohlfahrt. Die Quelle des Heils, der Ursprung, der Urheber dieser
Wohlfahrt. Es ist in dieser ganzen Bedeutung schon sehr alt. Bey dem Kero und
dem Übersetzer Isidors, unsern ältesten Schriftstellern, lautet es mit andern
Ableitungssylben, Heilidha, Heilij, (gleichsam Heile,) in welchen Gestalten es
zugleich weiblichen Geschlechtes ist, so wie Heili bey dem Notker, und Heilda
bey dem Ottfried, welcher letztere aber auch schon Heil hat. Im 9ten und 10ten
Jahrh. kommt in eben diesem Verstande auch Gealtniss und Gehaltnissi vor,
welches aber zunächst zu halten, erhalten, zu gehören scheinet. Im Angels.
lautet es Hael, Haelo, im Engl. Hail, im Dän. Held und Heil, im Schwed. Hel und
Helsa. Das Lat. Salus ist sehr genau damit verwandt, indem der Hauchlaut in
manchen Mundarten sehr leicht in den Zischlaut überzugehen pfleget, wovon sylva
aus -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - unter vielen nur ein
Beispiel ist. Haben doch die Deutschen diesen Zischlaut in dem veralteten Seld,
Selde, Glückseligkeit, Wohlfahrt, und in dem heutigen selig, gleichfalls
beybehalten.
S. das letztere, ingleichen Wohl und Unheil. 3) Wird
dieses Wort auch in der dichterischen und höhern Schreibart, mit der dritten
Endung der Person. häufig als ein Glückwunsch gebraucht, jemanden alle Arten
der Wohlfahrt, der Glückseligkeit anzuwünschen, oder wenn es an Gott gerichtet
wird, als eine Formel des Dankes, des Ruhmes, des Preises.
Heil mir, wenn ich in Christo sterbe! Gell. Lied. Heil uns,
daß unser Morgen in die Tage Des einzigen Monarchen fiel! Raml. Heil dem Gotte,
dessen Gnade Dich zur Göttinn ausersah! ebend.
S. Wohl, welches auf ähnliche Art gebraucht wird. Da
Gottsched über dieses Zwischenwort, wie er es irrig nennet, mehr als Ein Mahl
gespottet, und es für eine unerträgliche, den Britten nachgeahmte Neuerung
ausgegeben hat, so wird es wohl der Mühe werth seyn, einen kleinen Beweis zu
führen, daß dieser Glückwunsch unserer Sprache gar nicht fremd ist, und daher
von unsern neuern Dichtern nicht aufgebracht, sondern nur der Vergessenheit, in
welche er gerathen war, wird er entrissen worden. Hails thiudan Iudaie, heißt
es bey dem Ulphilas Marc. 15, 16, wo die Angelsächsische Übersetzung Hal vaes
thu Iudaea kyning, und Luther, gegrüßet seyst du der
[
1069-1070] Jüden König, haben. Bey dem Notker lautet die
ähnliche Stelle in den Psalmen, Heil herro du Iuden Chuninc. Bey dem Ottfried
ist diese Formel gleichfalls sehr häufig. Heil wih dohter, Heil dir, heilige
Tochter, B. 1, Kap. 6. Heil magad zieri, Kap. 5. Heil du Krist, B. 4, Kap. 22.
Wo es, wenn es mit der ersten oder fünften Endung verbunden wird, eigentlich
das Bey- oder Nebenwort ist, und das Zeitwort seyn oder wesen verstanden werden
muß; wie bey dem Tatian Kap. 32, heil uuis thu gebono follu, Heil dir, die du
voller Gnade bist, und in dem Fragmente auf Carls des Großen Feldzug bey dem
Schilter, Hail sistu Kuning Marsilie! Von welcher Gruß- oder
Glückwünschungs-Formel bey dem Tatian auch die Wörter heilizen für grüßen, und
Heilizunga für Gruß vorkommen. [
1069-1070]