Hangen, oder Hängen
Hangen, oder Hängen,
[
963-964] verb. irreg. neutr. ich hange
oder hänge, du hangest, hangst oder hängest, er hanget, hangt oder hängt; Conj.
ich hange; Imperf. ich hing; Mittelw. hangend, gehangen; Imperat. hange oder
hänge. Es erfordert das Hülfswort haben, und bezeichnet eigentlich denjenigen
Zustand, da ein Körper mit seinem obern Theile von einem andern gehalten wird,
oder so, daß er noch nach den Seiten beweget werden kann. 1. Eigentlich. Der
Hut hangt oder hängt am Nagel, das Kleid an der Wand, der Dieb am Galgen. Der
Mantel hat schon lange an der Wand gehangen. Ein Glied der Kette hangt oder
hängt an dem andern. Lange Haare, welche über die Schulter herab hingen. Herb
hangende Ohren. Abraham sahe einen Widder mit seinen Hörnern in der Hecke
hangen, 1 Mos. 22, 13. Der Vorhang, der vor der Lade des Zeugnisses hanget, 2
Mos. 30, 6. Ich sahe Absalom an einer eichen hangen, 2 Sam. 18, 20. Als wenn
vier oder fünf Früchte an den Zweigen hangen, Es. 17, 6. Verflucht ist
jedermann, der am Holze hanget, Gal. 3, 13. In einigen R. A. wird es auch
figürlich von demjenigen Körper gebraucht, an welchen andere hangen. Der Baum
hangt oder hängt voll Früchte, der Galgen voll Diebe. Ingleichen in einigen
Fällen im gemeinen Leben auch für gehänget werden. Er muß hängen. Antworte,
oder du sollst hangen, Cron. Was hangen soll, ersäuft nicht. 2. In weiterer
Bedeutung. 1) Schweben, in der höhern Schreibart. Der Himmel, der finster über
mich herab hängt, Weiße.
Es hänget am Abend Über dem Walde der silberne Mond, Zach. Ein
zufriedenes Volk, obgleich ein sparsamer Himmel Über den traurenden Thälern
hängt, ebend. Am Gipfel eines Wasserbergs Hing oft mein Kahn hoch in der Lift,
Kleist.
2) Eine Fläche hangt oder hängt, wenn sie abhängig ist, sich
unter den Horizont neiget. Noch mehr sagt man von stehenden Körpern, wenn sie
die senkrechte Linie verlassen, daß sie hangen oder überhangen, wo es doch nur
derjenigen Seite gebraucht wird, welche mit dem Horizonte einen spitzigen
Winkel macht. Die Wand hangt oder hängt. Daß ihr ihn erwürget, als eine
hangende Wand oder zerrissene Mauer, Ps. 62, 4. Der Thurm zu Bologna hängt drey
und einem halben Pariser Fuß, er ist oben so viel von der Perpendicular-Linie
entfernet. Die Stadt liegt sehr romantisch auf einem Felsen, der über des See
hängt. Den Kopf hangen lassen. Im Bergbaue ist das Hangende derjenige Theil des
Gesteines, der wie ein Dach auf dem Gange lieget, im Gegensatze des Liegenden,
oder der untern Fläche. Bey stehenden oder senkrechten Gängen nennen die
Bergleute diejenige Seite, welche auf der linken Hand ist, wenn man in diesem
Gange das Gesicht nach Mittag wendet, das Hangende, und die Seite zur Rechten,
das Liegende. [
965-966] 3) Sich mit einem Theile seines
Körpers so anhalten, daß man gleichsam zu hangen scheinet. Der Blutegel hangt
an der Haut. Das Kind hangt an der Brust der Mutter.
An den kalkichten Fels hängt von dem Morgen zum Abend Euer
Winzer mit emsiger Hacke, Zach.
4) Zusammen hangen, mit einem andern Dinge so verbunden seyn,
daß es nicht ohne Mühe getrennet werden kann. 3) Figürlich. 1) Von den Blicken,
Augen und Munde, gleichsam angeheftet seyn, in de höhern Schreibart. Ich hing
starr an deinen Blicken, Dusch.
Stets hängt über unsere Wiegen Dein besorgter wacher Blick,
Weiße. Mit was für sehnsuchtsvollen Blicken Ihr Aug an seinem Auge hing, Gell.
2) Zusammen hangen, mit einander verbunden, in einander
gegründet seyn. Die Erzählung hängt nicht zusammen. Das hängt mit seiner vorige
Aussage nicht zusammen. In der Welt hängt alles auf das vortrefflichste
zusammen
S. Zusammenhang. 3) An einer Person oder Sache hangen,
sein [
965-966] Verlangen, seine Begierden, seine
Erwartungen auf eine dauerhafte Art auf sie richten. Darum wird ein Mann Vater
und Mutter verlassen, und an seinem Weibe hangen, 1 Mos. 2, 24. Joab hatte an
Adonia gehangen, 1 Kön. 2, 28. Sichems Herz hing an der Dina, 1 Mos. 34, 3.
Mein Herz, dem alles entrissen worden ist, hängt fest an dir. Mit seinem Herz
an etwas hange. An den Wollüsten hangen, ihnen ergeben seyn.
S. Anhang. Das Reciprocum sich an etwas hängen, gehöret
zu dem folgenden Activo. 4) Im Oberdeutschen gebraucht man es auch für
abhangen, im figürlichen Verstande, d. i. einem andern Dinge gegründet seyn.
Der, von welchem alles hanget, Opitz.
In welchem Verstande es aber im Hochdeutschen eben so
ungewöhnlich ist, als mit dem Vorworte in, in diesen zweyen Gebothen hanget das
ganze Gesetz, Matth. 22, 40. 5) Eine Sache hangt oder hängt, im gemeinen Leben,
wenn sie keinem merklichen Fortgang hat. Die Sache bleibt hangen, sie bekommt
einen Anstand. Anm. Schon bey dem Kero und Ottfried hangen, Im Nieders. hangen,
Im Engl. to hang, im Angels. hangan, im Dän. hange, Schwed. haenga, Isländ.
hanga. Es stammt von ha, hoch, ab, indem das folgende Activum noch lange haben
gelautet hat. Das eingeschobene ng kann entweder ein Zeichen eines Intensivi
seyn, oder auch bloß von nieselnden Mundarten herrühren.
S. das folgende hängen. In der Conjugation dieses
Neutrius herrscht im Hochdeutschen viele Ungleichheit. Im Oberdeutschen bekommt
es durchgehends ein a; ich hange, du hangst, er hangt u. s. f. Infinit. hangen,
Imperat. hange; welche richtigere Form auch größten Theils in der Deutschen
Bibel beybehalten worden. Im Hochdeutschen ist das ä am üblichsten, nur daß das
Participium alle Mahl gehangen lautet. Billig sollte man diesem Neutro überall
sein a lassen, und das ä dem folgenden Activo vorbehalten; da ohnehin in so
vielen andern Fällen das Neutrum sich von dem Activo auf ähnliche Art
unterscheidet, wohin fallen und fällen, haften und häften, trinken und tränken,
dampfen und dämpfen u. a. m. gehören. Die Nordischen Mundarten scheinen unter
dem Neutro und Activo in der Conjugation eben so wenig eine Unterschied zu
machen; beyde lauten in Nieders. hängen, im Schwed. haenga, im Isländ. hanga
und im Dän. hänge. Das ie ist alle Mahl das Zeichen eines gedehnten i., daher
ist hieng eben so fehlerhaft als, gieng, giebst, giebt, und ich fieng, wo nur
einige wenige dehnende Mundarten ein langes I hören lassen. In den
Zusammensetzungen Hängebank, Hängebrücke, Hangematte u. s. f. darf das e nicht
weggelassen werden, wenn nicht das g hier wider seine Absicht wie ein k lauten
soll;
S. E. Da das Neutrum im Hochdeutschen fast mehr hängen
als hangen lautet; so hat sich auch in den meisten Zusammensetzungen dieser Art
das ä eingeschlichen; in manchen aber ist so wohl a als ä üblich
[
965-966]