Der Grund
Der Grund,
[
825-826] des -es, plur. die Gründe. 1.
Die unterste Fläche eines Gefäßes oder hohlen Körpers, welche in manchen Fällen
auch der Boden genannt wird; am häufigsten ohne Plural. 1) Eigentlich. Ein
Glas, ein Gefäß bis auf den Grund ausleeren. Das Dicke setzt sich auf den
Grund. Am häufigsten von der untersten festen Fläche des Meeres, der Seen, der
Flüsse und aller in der Natur befindlichen Wasserbehältnisse. Der Grund des
Meeres, eines Sees, Flusses u. s. f. Den Grund sehen können. Stille Wasser
haben tiefe Gründe. Grund suchen. Keinen Grund finden können. Ein Morast der
keinen Grund hat. Zu halben Grunde fischen, eine Art der Angelfischerey, wo die
Angeln zwischen der Oberfläche und zwischen dem Grunde gestellet werden. Zu
Grund gehen, im Wasser auf den Grund sinken, und dann auch figürlich, verderbt
werden. Ein Kaufmann gehet zu Grunde, wenn er seinen äußern Wohlstand völlig
verlieret; ein lebloses Ding, wenn es verderbt, zum fernern Gebrauche untüchtig
gemacht wird. Eine Sache zu Grunde richten, figürlich, sie verderben. Besonders
in der Schifffahrt. Ein Schiff gehet zu Grunde, wenn es untersinket. Auf den
Grund fahren, mit dem Schiffe auf den Grund stoßen, woraus zuweilen das
Scheitern erfolget. Das Schiff wurde genöthiget, auf den Grund zu laufen, oder
sich auf den Grund zu setzen, es wurde genöthiget an der Küste mit Vorsatz zu
stranden. Ein Schiff in den Grund segeln, im Segeln so an das- selbe stoßen,
daß es untersinken muß. Es in den Grund bohren, es leck schießen, wovon es
untersinken muß. In engerer Bedeutung werden in einigen Gegenden
Oberdeutschlandes, besonders um den Bodensee, die Gründe, d. i. die seichten
untiefen Örter des Bodensees, der tiefen, weiten oder freyen See entgegen
gesetzet, welche letztere daselbst auch die Schwebe oder die Schweb genannt
wird. Nach einer andern Einschränkung schließet dieses Wort die Beschaffenheit
der auf dem Grunde eines natürlichen Wasserbehältnisses befindlichen Erd- und
Steinarten mit ein. Ein Hafen hat guten Ankergrund, wenn der Grund so
beschaffen ist, daß der Anker gut darin haftet. Ein kiesiger, sandiger,
steiniger, schlammiger Grund, oder Kiesgrund, Sandgrund, Steingrund,
Schlammgrund. 2) Figürlich. (a) Auf den Grund gehen, eine Sache gründlich
untersuchen, wo es aber auch zur folgenden dritten Bedeutung gehören kann. (b)
Das Innerste des Herzens, der Seele, der Gedanken, der Empfindungen. Diese Rede
ließ mich bis auf den Grund seines Herzens sehen. Ich gebe es ihm von Grund der
Seele gern. Jemanden vom Grunde seines Herzens, oder seiner Seele lieben. Der
Grund der Seele, dunkele Empfindungen, deren sich der Mensch nicht unmittelbar
bewußt ist, noch werden kann. 2. Eine niedrige, d. i. unter der
Horizontal-Linie gelegene Stelle des Erdbodens, ein Thal, eine niedrige Gegend,
in der Nachbarschaft und im Gegensatze einer höhern. Im Grunde wohnen, 1 Mos.
26, 17. Du lässest Brunnen quellen in den Gründen, Ps. 104, 10. Zu den Königen,
die - in den Gründen - wohneten, Jos. 11, 2. Das Dorf liegt im Grunde, in einem
Thale. Der Plauische Grund, bey Dresden. Der Aischgrund, Taubergrund,
Kochergrund u. s. f. niedrige Gegenden an der Aisch, der Tauber und dem Kocher.
Im mittlern Lat. bedeutet Gronna, Grunna einen Sumpf. Morast, welches Frisch
irrig zu grün rechnet. 3. Diejenige Fläche, derjenige Körper, worauf ein Ding
ruhet. 1) Überhaupt, wo es nur in einigen Fällen und am häufigsten in der
einfachen Zahl gebraucht wird. Die Fläche oder Seite eines Körpers, worauf
derselbe ruhet, wird zuweilen dessen Grund, noch mehr aber dessen Grundfläche
genannt. Bey den Buchdruckern führet die viereckige Tafel, worauf die Schriften
gesetzt werden, den Nahmen des Grundes. Bey den Tuchscherern ist Grund die
rechte Seite eines Tuches, zum Unterschiede von dem Haare oder der linken
Seite. Der Grund eines gewirkten Zeuges, einer Stickerey u. s. f. die unterste
oder erste Anlage, zum Unterschiede von den eingewirkten oder eingestickten
Blumen; der Boden. Blaue Blumen auf rothem Grunde. Den Grund hauen, bey den
Schwertfegern, den Raum innerhalb des Umrisses der Figuren mit Kreuzhieben
ausfüllen. In der Mahlerey ist der Grund die erste Farbe, womit die Fläche
überzogen wird, und auf welche hernach die Figuren gemahlet werden. Ein
Kreidengrund, Öhlgrund u. s. f. Der Goldgrund, der Überzug, auf welchen die
Vergoldung getragen wird. Den Grund auftragen.
S. Gründen. Auch der Raum, welcher hinter den
Gegenständen befindlich ist, der hinterste Theil eines Gemähldes, wird in der
Mahlerey der Grund genannt.
S. Hintergrund und Vordergrund. Figürlich auch bey
zusammen gesetzten Körpern, der vornehmste Bestandtheil derselben. So ist die
Cacao der Grund der Chocolade. 2) In engerer Bedeutung, der unterste Theil
eines künstlichen Körpers, worauf derselbe ruhet, und worauf dessen Festigkeit
beruhet; besonders von Bauwerken, ihre Grundfläche auf und in der Erde, der
Füllmund. (a) Eigentlich. Den Grund zu einem Gebäude, zu einer Mauer legen.
Einen Grund graben, den dazu nöthi- [
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in der Erde ausgraben. Ein Gebäude von dem Grunde an aufmauern. Das Haus hat
keinen guten Grund. Keinen festen Grund finden. Einen Grund stoßen, in
morastigen Erdboden zur Festigkeit des Grundes Pfähle einrammeln. Eine Stadt in
den Grund zerstören, bis auf den Grund, d. i. völlig. Ein Land in Grund und
Boden verwüsten, im gemeinen Leben, für völlig, gänzlich. (b) Figürlich, alles
worauf die Begreiflichkeit die Wahrheit, ja das Daseyn einer Sache selbst
beruhet; doch mit verschiedenen Nebenbegriffen. (1) Der Anfang eines Dinges,
besonders so fern daraus der Fortgang und das Wachsthum der Sache begreiflich
wird; mit dem Zeitworte legen, und ohne Plural. Den Grund zu seinem Glücke
legen. Zu deinem Unglücke war schon der Grund unvermeidlich gelegt. Einen guten
Grund im Studieren, in den Wissenschaften, in einer Kunst, in einer Fertigkeit
legen. (2) Die ersten Bestandtheile eines Dinges; am häufigsten ohne Plural.
Sein Gemüth ist im Grunde verdorben. Einen Schaden, eine Krankheit aus dem
Grunde heilen, gründlich. Eine Kunst, eine Wissenschaft aus dem Grunde
verstehen, erlernen, mit Einschließung der ersten und vornehmsten Sätze, aus
welchen alle übrige herfließen, und daraus ihre Erweislichkeit bekommen; welche
Sätze auch wohl im Plural die Anfangsgründe oder Gründe genannt werden. Die
ersten Gründe der Weltweisheit, die ersten und vornehmsten Grundlehren
derselben. (3) Die wahre Beschaffenheit eines Dinges, von allen
außerwesentlichen Umständen befreyet, besonders so fern sie nicht sogleich in
die Augen fällt; ohne Plural. Im Grunde ist es doch nicht wahr. Er stellt sich
zwar zuweilen böse, allein im Grunde meint er es doch gut. Nun kommen wir auf
den Grund, auf die wahre Beschaffenheit. Das ist der Grund der ganzen Sache.
Etwas mit Grund der Wahrheit behaupten. Zuweilen auch in engerer Bedeutung, für
Wahrheit, Recht. Grund vor sich haben, Recht, die Wahrheit auf seiner Seite
haben. Das wird ohne Grund behauptet. (4) Alles dasjenige, woraus sich
begreifen lässet, daß ein Ding ist, und warum es so und nicht anders ist; mit
verschiedenen Einschränkungen. aa) Dasjenige, woraus sich das Daseyn einer
thätigen Veränderung begreifen lässet; der Bewegungsgrund, die Ursache. Aus was
für einem Grunde glaubst du das? Ich weiß keinen Grund davon anzugeben. Ich
will ihnen meine Gründe sagen, warum ich solches gethan habe. Wichtige Gründe
haben. bb) Dasjenige, durch dessen Kraft etwas hervor gebracht wird, was zu der
Möglichkeit oder Wirklichkeit eines Dinges etwas beyträgt; der Real-Grund,
Principium essendi oder fiendi. Gott ist der Grund, oder Gott enthält den Grund
aller Geschöpfe. Der Befehl, ich werde! ist der Grund des nach und nach
unaufhörlich fortgehenden Entstehens der einzelnen Stücke jeder Art. Christus
ist der Grund der Seligkeit.
Als ihn ein stark Geräusch erwecket, Wovon er keinen Grund
entdecket, Lichtw.
cc) Dasjenige, woraus eine Sache erkannt wird, woraus sie
begreiflich wird; der Erkenntnißgrund, Ideal-Grund, Principium cognoscendi. Die
heilige Schrift ist der Grund der Religion. Der zureichende Grund, in der
Philosophie, wenn alles was darin gegründet ist, so daraus hergeleitet werden
kann, daß kein anderer Grund mehr zur Begreiflichkeit nöthig ist. dd) Dasjenige
woraus etwas erweislich ist; der Beweisgrund. Etwas mit unumstößlichen Gründen
beweisen. Deine Gründe taugen nicht. Alle diese Gründe beweisen nichts. 4. Die
Oberfläche der Erde, vermuthlich, weil alle andere Körper über derselben auf
ihr, als dem Grunde ruhen; doch nur [
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folgenden Fällen. 1) Mit Beziehung auf die Beschaffenheit der Bestandtheile,
der Boden; ohne Plural. Ein schwarzer, ein fetter, ein lehmiger Grund.
Sandgrund, Kiesgrund u. s. f. 2) Mit Beziehung auf das Eigenthum. Grund und
Boden ist mein. Es geschiehet auf meinem Grunde und Boden. Auf einem fremden
Grunde und Boden bauen. 3) Liegende Gründe, oder Grundstücke, Theile der
Erdfläche mit den darauf befindlichen Gebäuden, als Äcker, Felder, Wiesen,
Wälder, Gärten, Weinberge, nebst Häusern und Gebäuden; im Gegensatze des
beweglichen Vermögens oder der fahrenden Habe. 4) Ein Feld, eine Gegend in den
Grund legen, einen geometrischen Riß davon verfertigen, es aufnehmen. Anm.
Schon bey dem Ulphilas lautet dieses Wort Grund, im Nieders. Schwed. und Dän.
gleichfalls Grund, bey dem Notker, der es auch von der Wurzel gebraucht, Grunt,
im Holländ. Grunt, im Engl. Ground, im Pohln. und Böhm. Grunt. Wachter leitet
es von -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , das Feld, der
Grund und Boden, ab; allein, bey einem so alten Worte, welches in einer so
langen Reihe von Jahrhunderten so wenig Veränderungen erlitten, ist es wohl das
beste, mit Ihre seine Unwissenheit zu bekennen. In einigen Zusammensetzungen
bedeutet es so viel als erz - so wohl im guten als bösen Verstande, z. B.
grundböse, grundfaul, grundgütig, grundfalsch, grundrichtig u. s. f. gleichsam,
seinen ersten Bestandtheilen, seinem Wesen nach, böse, faul, oder gütig; wohin
auch die Oberdeutschen Grundbube, Grundschelm u. s. f. gehören.
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