Grün
Grün,
[
825-826] -er, -ste, adj. et adv. 1.
Eigentlich, ein Nahme einer Farbe, welche die fünfte Hauptfarbe ausmacht, aus
der Vermischung der blauen und gelben Farbe entstehet, und am häufigsten in dem
Gewächsreiche angetroffen wird. Grasgrün, spangrün, berggrün, äpfelgrün,
lauchgrün, zeisiggrün, glasgrün, meergrün, stahlgrün u. s. f. bezeichnen die
verschiedenen Abänderungen dieser Farbe. Die grüne Farbe. Eine grüne Tinte.
Grün gekleidet gehen, in einem grünen Zeuge. Auch als ein Hauptwort, das Grün,
subst. indeclin. plur. car. die grüne Farbe zu bezeichnen; dagegen das Grüne
ordentlich decliniret wird,
S. Grau. Ein schönes, ein lebhaftes Grün. Und ein
höheres Grün belebet die saftigen Zweige, Zach. Ingleichen einen Körper,
welcher grün färbet. Braunschweigisches Grün. So auch in den Zusammensetzungen
Berggrün, Saftgrün, Schiefergrün, Spangrün u. s. f. 2. Figürlich. 1) Mit grünem
Laube, mit Grase, mit Gewächsen bewachsen. Der grüne Wald, dessen Bäume mit
grünem Laube geschmücket sind. Eine grüne Wiese. Die grüne Flur. Die Bäume
werden grün, bekommen Laub. So auch das Hauptwort das Grüne, und in der höhern
Schreibart das Grün, grünes Laub, grüne Gewächse, zu bezeichnen. Willkommen im
Grünen! Im Grünen spazieren, sitzen, schlafen. Seht der Wiese junges Grün,
Raml.
Entzückung und Vergnügen Sah ich mit ihr im Grünen liegen,
Gell. Die Laube prangt mit jungem Grün, Utz.
S. die Grüne. 2) Voller Saft, im Gegensatze des
getrockneten oder verdorreten. (a) Eigentlich, von Gewächsen und deren Theilen.
Grüne Kräuter, im Gegensatze der getrockneten. Grünes Gemüse, frisches. Die
Blätter sind noch grün, noch unverwelkt. Ein grüner Baum, im Gegensatze eines
verdorreten. Grünes Holz, im Gegensatze des trocknen oder verdorreten. Grüne
Waare, Gartengewächse, frisches Gemüse; daher derjenige Markt, wo solche
verkauft werden, an einigen Orten der grüne Markt heißt. Er wird auf keinen
grünen Zweig kommen, nichts vor sich bringen, zu keinem bürgerlichen Wohlstande
gelangen. (b) Nach einer noch weitern Figur, im gemeinen Leben einiger
Gegenden, auch für frisch, im Gegensatze des geräucherten, eingesalzenen oder
getrockneten. Grünes Fleisch, frisches, welches vor kurzen geschlachtet worden,
und weder geräuchert noch eingesalzen ist. Grüner Ahl, grüner Lachs, grüne
Fische. Grünes Obst, im Gegensatze des gedörreten. Eine grüne Haut, bey den
Gärbern, welche erst abgezogen, noch nicht zubereitet ist. 3) Unreif, von der
gewöhnlichen Farbe unreifer Früchte. Grünes Obst, unreifes. Die Nüsse sind noch
grün. Etwas zu grün abbrechen, figürlich, nicht die rechte Zeit abwarten, eine
Sache nicht zur Reife kommen lassen.
Eh' ihm das Milchhaar noch das grüne Maul bezogen, Günth.
Im Dithmarsischen bedeutet grün nach einer noch weitern
Figur auch grob, ungeschickt. 2) Günstig, gewogen, doch nur in einigen
Ausdrücken des gesellschaftlichen Lebens. Stax ist mir noch niemahls grün
gewesen, gewogen. Wohin vermuthlich auch die R. A. an jemandes grüner Seite
sitzen, wodurch bald die rechte, am häufigsten aber die linke Seite, der Sitz
des Herzens, verstanden wird. 5) Der grüne Donnerstag, oder zusammen gezogen im
gemeinen Leben Gründonnerstag, der Donnerstag in der Charwoche, der in
Oberdeutschland auch der hohe, und von den weißen Kleidern der Geistlichen in
der Römischen Kirche auch der weiße, in Niedersachsen aber der gute Donnerstag
genannt wird, an welchem der gemeine Mann grüne Gartengewächse, als die
Erstlinge des Frühlinges zu essen pfleget. Frisch vermuthet sehr
wahrscheinlich, daß grün hier aus dem mittlern Lat. Carena, Franz. Careme, die
Fasten, verderbet worden; woher auch die in vielen Gegenden der Römischen
Kirche übliche Benennung der krummen Mittwoche, der Mittwoche in der Charwoche,
in welche sich Haltaus nicht zu finden weiß, ihren Ursprung haben kann; da denn
alle erbauliche Erklärungen des Wortes grün von sich selbst wegfallen. Der
Gebrauch an diesem Tage grünes Gemüse zu essen, kann, so wie der mittlere
Latein. Nahme Dies viridium, aus Unwissenheit der wahren Abstammung entstanden
seyn. Indessen verdienet doch auch die vorige vierte Bedeutung mit in
Betrachtung gezogen zu werden. Anm. Bey dem Ottfried gruan, bey dem Notker
gruon, im Nieders. grön, im Angels. grene, im Engl. green, im Schwed. grön, im
Dän. gröe, im Isländ. graen. Ohne Zweifel, von dem alten gro, wachsen, Nieders.
grojen, Holländ. groeyen, Dän. groe, Engl. to grow, weil die grüne Farbe die
gewöhnlichste Farbe der Gewächse ist. Auf ähnliche Art stammet das Latein.
viridis von virere her.
S. auch Grob und Groden. [
825-826]