Groß
Groß,
[
811-812] größer, größeste, zusammen
gezogen größte, adj. et adv. welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich
ist. I. Absolute, die Quantität, das Maß der Ausdehnung zu bezeichnen. Der
Garten ist zehn Quadrat-Ruthen groß. Wie groß ist der Acker? Besonders der
Ausdehnung in die Höhe und in die Länge. Wie groß ist der Berg, das Haus, der
Baum? für wie hoch? In dieser Bedeutung ist es in der ersten Staffel am
häufigsten in Gestalt eines Nebenwortes üblich, seltener in Gestalt eines
Beywortes. Ein zehen Ellen großer Stein, besser, der zehen Ellen groß ist.
Cajus ist größer als sein Bruder. Der größte von beyden. II. Einen
beträchtlichen Raum einnehmend, im Gegensatze dessen, was klein oder kleiner
ist, wo das Gewöhnliche alle Mahl das Maß ist, worauf sich groß und klein
beziehen. 1. Eigentlich und in engerer Bedeutung. 1) Überhaupt, ein mehr als
gewöhnliches Maß der Ausdehnung habend. Eine große Stadt, ein großes Dorf, ein
großes Haus, ein großer Baum, ein großes Feld, ein großer See u. s. f. Der
Garten ist nicht groß, aber schön. Alexander wurde im Verhältnisse kleiner, so
wie seine eroberten Gebiethe größer wurden. Die große Zehe, im Gegensatze der
kleinern Zehen. Die großen Propheten, zum Unterschiede von den kleinern, dem
Umfange des Raumes nach, welchen ihre Schriften einnehmen. Im Großen handeln,
Franz. en gros, im Ganzen, im Gegensatze der Krämer;
S. Großhändler. 2) In engerer Bedeutung. (a) Der
Ausdehnung in die Länge nach. Große Schritte machen. Er ist arm, aber seine
Schritte zum Glücke sind groß und sicher, Sonnenf. (b) Der Ausdehnung in die
Höhe nach. Ein großer, d. i. hoher, Baum. Das Wasser wird groß, schwillt der
Höhe nach an. Ein großer Mensch. Ein großer Riese. Die ehemahlige große Garde
zu Potzdam. 2. Figürlich. 1) Erwachsen. Kleine Kinder werden auch groß. Sein
größerer (älterer) Bruder. Hühnervieh groß ziehen. Die Großen, die Erwachsenen,
im Gegensatze der Kleinen. 2) Der Zahl, der Menge nach, aus vielen Theilen oder
Individuis bestehend. Eine große Anzahl, Menge. Ein großes Gastmahl anstellen,
welches aus vielen Personen bestehet. Ein großes, zahlreiches, Gefolge haben.
Der große, größere oder äußere Rath, der aus mehreren Personen bestehet, im
Gegensatze des kleinen, kleinern, engern oder innern Rathes. Der große Haufe,
der Pöbel, das gemeine Volk, weil dasselbe den zahlreichsten Theil in einem
Staate ausmacht. Ein großer Vorrath von Kugeln, Obst, Waaren u. s. f. Großen
Theils, nicht großentheils, größten Theils, nicht größtentheils, einem großen,
oder dem größten Theile nach, werden als Nebenwörter gebraucht. Ich habe es
großen Theils schon gesagt. Das rühret größten Theils daher u. s. f. Groß Geld
und Gut aufwenden, vieles. Ein Großes, bey einigen für vieles Geld; es hat mich
ein Großes gekostet, ich wollte nicht ein Großes nehmen, u. s. f. Ein großes
Hundert, im gemeinen Leben, eine Zahl von 120, ein großes Tausend, eine Zahl
von 1200, welche Wörter von einigen irrig zusammen gezogen werden, ein
Großhundert, Großtausend. Diese Benennung ist ein Überbleibsel der alten Art,
anstatt zehen, bis auf zwölf zu zählen, welche sich bey mehrern mitternächtigen
Völkern findet. 4) Der Qualität nach, viele Grade der innern Stärke habend. Ein
großes Geschrey erheben. In eine große Freude, in einen großen Zorn gerathen.
Große Schmerzen empfinden. Seinen Schaden, seinen Schmerzen größer machen
(vorstellen) als er ist. In dem größten Ansehen stehen. Große Kälte empfinden.
Die Hitze ist eben nicht so groß. Eine größere oder geringere Ähnlichkeit. Wir
werden durch große Mühseligkeiten nicht selten zu einem dauerhaften Glücke
geführet, Sonnenf. Welches Lob ist größer, blühende Wangen oder eine schöne
Seele? In großer Blindheit stecken. Dir stehet ein großes Glück, ein großes
Unglück bevor. Großen Hunger, großen Durst empfinden. Er ist ein großer
Spieler, ein großer Trinker, ein großer Lügner, ein großer Bösewicht, ein
großer Gelehrter, ein großer Tonkünstler u. s. f. besitzt in diesen
Beschäftigungen sehr viele und ausgebreitete Fertigkeiten. Die Araber waren
eben keine großen Erfinder. Ein großer Mann, der in seinem Fache viele und
seltene Fähigkeiten besitzet. So zahlreich die Fälle sind, in welchen groß in
dieser Bedeutung gebraucht wird, so sind sie doch nicht ohne Einschränkung. Man
sagt z. B. nicht ein großer Geruch, ein großer Geschmack, ein großer Schall, ob
man gleich ganz richtig ein großes Licht, ein großes Getöse, ein großer Schmerz
sagt. Allein da, wo bloß der Eigensinn des Gebrauches herrschet, sind Regeln
unmöglich. Eben dieses gilt auch von den meisten der vorigen Bedeutungen. In
einigen Fällen im gemeinen Leben auch als ein Nebenwort allein. Ich achte es
nicht groß, nicht sehr. Was ist der Mensch, daß du ihn groß achtest? Hiob. 7,
17, so sehr, so hoch. Ich bekümmere mich nicht groß darum. Ich habe ihn nicht
groß gesehen, habe ihn nicht viel, nicht sehr gesehen. Ich habe nicht groß
darauf gehöret, nicht sonderlich. 4) Der Wichtigkeit, d. i. so wohl der Menge
als Beschaffenheit der Folgen nach, ohne doch die vorher gehende innere Größe
davon auszuschließen. Große Leidenschaften, große Laster, große Tugenden, deren
Wirkungen und Folgen sich auf viele Personen erstrecken. Ein großer Verstand,
der den Zusammenhang zwischen vielen Dingen mit großer Deutlichkeit einsiehet.
Es gibt große Tugenden, welche dem Zärtlinge des Glücks gänzlich verborgen
bleiben, Dusch. Furcht und Zweifel hemmen oft große Anschläge gleich im
Anfange. Der große Gedanke, Gott regieret die Schicksale der Menschen. Sein
eigenes kleines Selbst ist der große Mittelpunct der Schöpfung. Unsere große
und ewige Bestimmung. Kleine Gefälligkeiten für große Erwartungen verkaufen,
für Erwartungen großer, wichtiger Dinge. Große Thaten thun. Das hat etwas
Großes zu bedeuten. Es muß ihnen etwas Großes begegnet seyn. Wer im Kleinen
nicht treu ist, ist es im Großen noch weniger. 5) Dem Vorzuge vor der Menge
nach. (a) Dem äußern Vorzuge, dem Stande, der Würde nach. In Österreich bekommt
die älteste Erzhorzoginn, auch wenn sie noch in der Wiege liegt, den Titel
große Frau. Personen, welche die ersten Stellen des Staates entweder in der
Regierung, oder zunächst um den Fürsten bekleiden, werden große Männer oder
Große genannt. Die Großen dieser Welt. Ein großer Herr. Das große Verdienst
verschließt sich den Zutritt zu den Großen und verachtet den Zutritt zu den
Geringen, Gell.
- Mir scheint kein Großer gleich, Wenn ich entzückt in deinen
Armen lausche, Haged.
Die große Welt, vornehme Personen. (b) Den innern Vorzügen,
den innern großen und erhabenen Eigenschaften nach. Groß denken, edel, sich
durch seine Art zu denken von der gemeinen und gewöhnlichen unterscheiden,
besonders im guten Verstande. Wer Beleidigungen nicht vergeben kann, denkt
nicht groß. Der große Gott. Gott groß machen, in der Deutschen Bibel, dessen
Vollkommenheiten bekannt zu machen, und ihnen Achtung zu erwerben suchen. Eine
große Seele, welche sich durch Standhaftigkeit, Großmuth, erhabene Gesinnung u.
s. f. [
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großer Mann, der sich durch vorzügliche Fähigkeiten oder Verdienste von seinen
Zeitgenossen unterscheidet. Wenn ein großer Mann fällt, so ist er auch im Falle
groß, Sonnenf. Man mag gern, wie Montaigne sagt, große Männer bey Kleinigkeiten
belauschen. Der Überwinder einer Welt ist kein so großer Mann, als der
unschuldig leidende, der allen seinen widrigen Schicksalen eine standhafte
Geduld entgegen setzet, Dusch. c) Sich mit etwas groß machen, damit groß thun,
im gemeinen Leben, sich damit einen ungegründeten Vorzug beyzulegen suchen.
Groß thun, sich durch Worte oder Handlungen Vorzüge beylegen, die man nicht
besitzet.
S. Großsprecher, Großthuer. Anm. Bey dem Ottfried groz,
bey dem Willeram gruoz, im Nieders. groot, grant und grandig, (Lat. grandis,
Franz. grand,) im Engl. great. Es gehöret zu dem Geschlechte des Lat. crassus,
des mittlern Lat. grossus, Engl. gross, dick. Ohne Zweifel stammet es von dem
alten grow, wachsen ab, wohin auch das alte rise, Engl. to rise, steigen,
entspringen, zu gehören scheinet.
S. Grün, Reise, Rieseln, Rasen u. s. f. Michel und stur,
waren ehedem, wie in allen Europäischen Sprachen, so auch in der Deutschen
üblich, den Begriff dieses Wortes gleichfalls auszudrucken.
S. Michel und Stier. In vielen Zusammensetzungen,
besonders welche Titel und Würden bezeichnen, bedeutet Groß - so viel als in
andern Fällen Oberst - oder General -, die höchste Würde von einer gewissen Art
zu bezeichnen. Die Aussprache des o ist, im Comparative und Superlative, in den
Mundarten, die Hochdeutsche selbst nicht ausgenommen, bald gedehnt, bald
geschärft; indessen ist die gedehnte, das zusammen gezogene größte ausgenommen,
die richtigste. [
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