Das Gras
Das Gras,
[
779-780] des -es, plur. von mehrern
Arten, die Gräser; Diminut. das Gräschen; Oberd. Gräslein. 1. Eine allgemeine
Benennung aller derjenigen Gewächse, welche sich durch ihren hohlen gestreiften
und mit Gelenken versehenen Stängel, durch ihre langen schmalen, meisten Theils
dunkelgrünen Blätter ohne Stiele und durch ihre spelzigen Blumen von allen
übrigen Gewächsen unterscheiden, Latein. Gramen; in welcher weitesten Bedeutung
auch unsere Getreidearten zu den Gräsern gehören. In engerer und der
gewöhnlichsten Bedeutung führen nur die wild wachsenden Arten dieses
Geschlechtes, welche dem Viehe zum Futter dienen, diesen nahmen; da denn das
Wort im Singular am üblichsten ist, so wohl besondere Arten dieses
Geschlechtes, als auch als ein Collectivum, eine unbestimmte Menge dieser
Gewächse oder ihrer Blätter zu bezeichnen. Gemeines Gras, Poa pratensis L.
womit die meisten auch unfruchtbarsten Gegenden bekleidet sind. Wolliges oder
rauhes Gras, Holcus lanatus L. u. s. f. Im Grase weiden. Das Vieh gehet im
Grase. Das Dache, der Erdboden ist mit Gras bewachsen. In das Gras gehen,
hingehen, Gras abzuschneiden. Sich auf das Gras lagern. Auf weichem Grase
liegen. Gras wachsen hören, viele eingebildete Klugheit besitzen. In das Gras
beißen, sterben, umkommen,
S. Beißen. Es wird ihm bekommen, wie dem Hunde das
Grastreffen, d. i. übel, in den niedrigen Sprecharten. Darüber ist längst Gras
gewachsen, das ist längst vergessen, im gemeinen Leben. 2. Figürlich. 1) + In
einigen Oberdeutschen Gegenden, der bürgerliche Verhaft, das bürgerliche
Gefängniß; weil, wie Frisch glaubt, ein Verhafteter daselbst auf Gras, d. i.
auf Stroh oder Heu liegen muß. Jemanden mit dem Grase strafen. In das Gras
wandern müssen. In Aachen wird das Gefängniß das Graßhaus genannt, wo man um
des kurzen a und ß willen beynahe vermuthen sollte, daß das Wort in dieser
ganzen Bedeutung von dem folgenden Graß abstamme. 2) + In Ostfrießland ist Gras
ein Wiesenmaß von 300 Emder Quadrat-Ruthen; in welcher Bedeutung auch das Lat.
Gramen in den Actis SS. t. 7. Jul. S. 164 vorkommt. Anm. Bey dem Ottfried Gras,
bey dem Notker cras, im Nieders. Gras mit einem kurzen a, im Angels. Graes,
Gaers im Engl. Grass, im Dän. Gräs, im Schwed. Gräs, im Isländ. Gras, bey dem
Ulphilas gleichfalls Gras, im Griech. $. Im Tatian heißt auch das abgehauene
und gedörrte Gras, das Heu, auf eine sonst ungewöhnliche Art Grast, und im
gemeinen Leben einiger Gegenden wird so wohl ein Rasen, als auch die grüne Saat
die Gruse genannt. Die meisten Wortforscher leiten es von dem Angels. growan,
Engl. to grow, Schwed. gro, wachsen her, im Latein. ehedem creo, wofür
nachmahls cresco üblich geworden, so wie auch Gramen von Germen und germinare
abstammen soll. Alsdann müßte es ursprünglich eine allgemeine Benennung aller
Pflanzen und Gewächse gewesen seyn. Da s und t in den Mundarten sehr häufig
verwechselt werden, und für Gras im Angels. auch Gracat üblich gewesen, so
scheinet auch Kraut hierher zu gehören.
S. der Rasen. [
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