Gleich
Gleich,
[
707-708] ein Wort, welches überhaupt
eine Übereinstimmung der Beschaffenheit oder Umstände bezeichnet, und in einer
dreyfachen Gestalt üblich ist. I. Als ein Bey- und Umstandswort, gleicher,
gleichste. 1. Gerade. 1) Eigentlich, den kürzesten Weg zwischen zwey Puncten zu
bezeichnen. (a) Im Gegensatze dessen, was krumm ist, in einigen Fällen des
gemeinen Lebens. Eine Schnur gleich ziehen. Das Krumme gleich machen. Mit
gleichen Füßen aus dem Bette springen. Etwas gleich hämmern. Ich will es wieder
gleich zu machen suchen, ich will diese Höflichkeit erwiedern, ich will sie zu
vergelten suchen. (b) Von der Richtung, als ein Umstandswort allein. Wir wohnen
dem Rathhause gleich über, demselben gerade gegen über. Unsere beyden
Haushaltungen sind einander gleich entgegen gesetzet, gerade entgegen gesetzet.
Gleich zu laufen, oder gehen, geradezu gehen, so wohl eigentlich, als auch
figürlich, mit Vermeidung der durch den Wohlstand eingeführten Umschweife. (c)
Von der Oberfläche, ohne merkliche Erhabenheiten, für eben, im Gegensatze des
uneben oder ungleich; auch nur im gemeinen Leben. Auf gleicher Erde fallen. Am
häufigsten als ein Umstandswort. Es ist alles gleich und eben. Das Brot gleich
schneiden. Das Garn ist nicht gleich gesponnen. Den Boden gleich machen. 2)
Figürlich. (a) Sich in allen seinen Theilen ähnlich. Mein kälteres Blut gleitet
mit immer gleichem Laufe in seinen Ufern fort. (b) Recht, billig, dem Rechte,
der Billigkeit gemäß, nach eben der Figur, welche in dieser Bedeutung der
Wörter recht, gerecht, aequus, zum Grunde lieget, welche auch eigentlich gerade
bedeuten. Die Unterthanen bey gleich und recht schützen. Gleich und recht
handeln. Ein gleiches (billiges,) Urtheil über etwas fällen.
S. Ungleich. Indessen ist es in dieser Bedeutung, in
welcher es nur noch zuweilen im gemeinen Leben vorkommt, in der anständigen
Schreibart veraltet. 2. Einerley Wesen, Beschaffenheit und Umstände habend, wo
es, wenn es ein Umstandswort ist, alle Mahl die dritte Endung der Person
erfordert. 1) Überhaupt, für ein und eben derselbe, so daß aller, oder doch
merklicher Unterschied dadurch ausgeschlossen und geläugnet wird. So sagt man
in der schärfsten Bedeutung in der Theologie, der Sohn Gottes und der heilige
Geist sind dem Vater gleich, sie sind gleiches Wesens mit ihm, d. i. sie haben
eines und eben dasselbe Wesen. Zu gleicher Zeit ankommen, oder zugleich, d. i.
zu einer und eben derselben Zeit. Der Fluß Congo in dem Königreiche gleiches
Nahmens. Am häufigsten von der völligen Übereinstimmung des Veränderlichen an
mehrern Dingen, mit Verneinung des merklichen Unterschiedes. Ein Blatt von
einem Baume, ein Ey ist dem andern gleich, wenn es eine und eben dieselbe
Größe, Gestalt, Farbe u. s. f. hat. Weil er gleiche Neigungen und Absichten mit
mir hat, Gell. eben dieselben. Bey dem ich eine gleiche Anlage des Verstandes
und Herzens finde, ebend. Er siehet, daß er nicht allen auf gleiche Art wohl
thun kann, ebend. Einem Gleiches mit Gleichem vergelten. Gehöret die Tugend
nicht zur Freundschaft, so sind die Straßenräuber bey ihren gleichen Absichten
rühmliche Freunde, Gell. Bey sonst gleichen Umständen. Gleiche Bewandtniß hat
es damit. Gleicher Gestalt, auf eben dieselbe Art; im Oberdeutschen auch
gleicher Weise, gleicher Maßen. Gleiche Strafe leiden. In gleichem Werthe
stehen. Gleiches Alters mit einem seyn, oder in gleichem Alter. Er ist mir an
Alter gleich. Sie sind sich an Schönheit, am Verstande, an Lebensart gleich. Er
kommt ihm an Gelehrsamkeit nicht gleich. Im Hochdeutschen ist es in der Gestalt
eines Beywortes in dieser Bedeutung nicht ohne alle Einschränkung üblich, wie
wohl im Oberdeutschen, wo man es fast in allen den Fällen gebraucht, wo der
Hochdeutsche lieber eben derselbe setzet. Indessen lassen sich diese Fälle
nicht durch Regeln bestimmen, sondern müssen, so wie tausend andere, die auf
dem Eigensinn des Gebrauches beruhen, durch die Übung erlernet werden. 2) In
weiterer Bedeutung, von der völligen Übereinstimmung einiger Umstände, welche
aus dem Zusammenhange ersehen werden müssen, so daß aller, wenigstens aller
merklicher Unterschied zwischen diesen Umständen verneinet wird. (a) Überhaupt.
Gleiches Maß, von eben demselben körperlichen Inhalte. Gleiches Gewicht, von
einerley Schwere. Gleiche Personen, die sich am Stande gleich sind, die in
keinem Verhältnisse der Unterwürfigkeit gegen einander stehen. Sie sind
einander gleich, am Stande, an Würde. Eine gleiche Gesell-
[
709-710] schaft, zwischen Personen, die einander nicht
natürlich unterworfen sind, im Gegensatze einer ungleichen. Gleiches Sinnes
seyn, in einer Sache eben dieselbe Gesinnung haben. Gleich sucht sich, gleich
findt sich, oder gleich und gleich gesellt sich gern, im gemeinen Leben, von
Personen gleiches Standes, oder gleicher Denkungsart. Besonders in den
Redensarten meines, deines, seines gleichen u. s. f. wo das Wort die
Übereinstimmung bald der Gemüthsart und Gesinnung, bald des äußern Standes u.
s. f. anzeiget. Viele Leute können das Verdienst an ihres gleichen nicht
dulden, an Personen, die ihnen dem Stande nach gleich sind. Er ist ja nur
meines gleichen, von meinem Stande. Mit seines gleichen umgehen. O daß ich
nicht längst einen Freund ihres gleichen gehabt habe! Less. der ihnen an
Tugend, an Einsicht u. s. f. gleich ist. Des Mannes gleichen ist nicht mehr.
S. Dergleichen, Deßgleichen, Gelichter, Ingleichen.
Ingleichen als ein Umstandswort. Es ist, oder gilt mir alles gleich, ich halte
eines nicht für höher, wichtiger u. s. f. als das andere. Einem gleich geachtet
werden, am Stande, an Einsichten u. s. f. Ich kann dir nicht gleich laufen,
nicht eben so geschwinde. Alle Tage gleich halten, Röm. 14, 5. Harmonische
Empfindungen gleich gestimmter Seelen, Dusch. Sich einem gleich stellen. Einem
gleich schreiben, eben so geschwinde, eben so schön. Er ist sich immer selbst
gleich, er denkt, urtheilet, empfindet immer auf eine und eben dieselbe Art,
zuweilen auch nur auf eine ähnliche Art; im Oberd. er ist immer der Gleiche.
Eine Fortsetzung dieser Bedeutung
S. bey dem Umstandsworte gleich. (b) Besonders in
einigen einzelnen Fällen. (1) Von der Größe, an Größe gleich. Einen Körper in
zwey gleiche Theile theilen. Auf gleichen Gewinn und Verlust handeln. Gleiche
Schritte machen. Nacht und Tag sind gleich, wenn sie eine gleiche Zeitdauer
haben. Vornehmlich werden Dinge in der Geometrie gleich genannt, wenn sie
einerley Größe haben, übrigens aber in allen andern Umständen verschieden seyn
können. Ein Triangel ist einem Quadrate gleich, wenn es einerley Flächeninhalt
mit demselben hat, ein Winkel dem andern; wenn ihre Schenkel einerley Neigung
gegen einander haben. In der Arithmetik sind Zahlen gleich, wenn sie eben so
viel Einheiten enthalten. 4 + 3 ist gleich 7. (2) Von dem Verhältnisse, für
gemäß. Die Strafe muß dem Verbrechen, die Belohnung dem Verdienste gleich seyn.
Die Stimme ist gleich, in der Musik, eine gleiche Stimme, wenn die tiefsten
Töne nicht stumpfer und matter, und die hohen nicht schreyender sind, als die
mittlern. 3) In noch weiterer Bedeutung wird dieses Wort, besonders im gemeinen
Leben, sehr häufig von einiger Übereinstimmung entweder der allgemeinen
Beschaffenheit mehrerer Dinge, oder auch nur einiger Umstände derselben, für
ähnlich gebraucht. Besonders von der Übereinstimmung in den Gesichtszügen. Der
Sohn stehet dem Vater sehr gleich, gar nicht gleich. Er siehet ihm nur ein
wenig gleich. Das Bild ist dem Originale überaus gleich. Das Porträt siehet mir
nicht gleich. Das siehet ihm nicht gleich, auch figürlich, das ist seiner
gewöhnlichen Art zu denken und zu handeln nicht gemäß. Als ein Beywort ist es
in dieser Bedeutung zwar im Oberdeutschen, nicht aber im Hochdeutschen üblich.
II. Als ein Umstandswort allein: 1. Eine völlige, oft aber auch nur einige
Übereinstimmung der Umstände zu bezeichnen, für eben so; eine Fortsetzung der
vorigen Bedeutungen, wo es besonders gern andern Umstandswörtern beygestellet
wird. Gleich elend, gleich fromm, gleich ewig. Sie sind beyde gleich groß,
gleich hoch, gleich alt, gleich reich, gleich geehrt. Das ist gleich viel, es
ist eben so [
709-710] viel. Zuweilen auch mit der
dritten Endung der Person. Ihm, gleich uns, Glauben beyzumessen, d. i. eben so
wie uns. Zuweilen hat er zwar gleich dir gezweifelt, eben so wie du. Ingleichen
in Gesellschaft vergleichender Bindewörter. Er thut, gleich als ob, oder als
wenn er mich nicht gesehen hätte. Gleich als wenn es so seyn müßte. Aber als
ein vergleichendes Umstandswort, mit als und wie allein, sich gleich wie andere
halten, Sir. 32, 1; den heiligen Geist gleich als eine Taube herab fahren
sehen, Matth. 3, 16, ist es im Hochdeutschen in der edlen Schreib- und
Sprechart veraltet, wo man es nur noch in des dritten Endung des Nennwortes
gebraucht. Du blühest gleich der Rose nur einen Frühling, so wie eine Rose.
Gleich einem Bache, dessen Wasser unmerklich dahin fließet, fühlet die Seele
ihre eigene Geschäftigkeit nicht. Gleich einem Strome, den sein Reichthum
ungestüm macht, Dusch.
Da brach, gleich einem Meteor, Das den Orion auslöscht und die
Tyndariden, Prinz Heinrichs Geist hervor, Raml.
Wo es auch zuweilen hinter dem Nennworte stehen kann. Wolken,
die Gebirgen gleich am Saume des Meeres aufsteigen, Geßn. 2. Für genau, gerade,
in der vertraulichen Sprechart. Es langt gleich noch zu einem Kleide, Gell.
gerade, es reicht dazu hin, aber so daß nichts übrig bleibt. Das ist gleich der
dümmste Einfall, den er hat haben können, Less. Zuweilen auch einen Ort genau
zu bestimmen.
Ich traf ihn schlafend an, gleich unter diesen Bäumen, Gell.
Es ist gleich so groß, gleich so breit u. s. f. für gerade,
genau so groß, so breit, sind nur im gemeinen Leben üblich. 3. Als ein
Umstandswort der übereinstimmigen Zeit, und zwar, 1) etwas zu bezeichnen,
welches genau oder unmittelbar zu der bestimmten Zeit geschiehet oder geschehen
soll. Sich etwas gleich anfangs angelegen seyn lassen. Gleich nach dem Essen
anfangen. Geht denn das Unglück gleich mit der Liebe an. Gell. Sie kommen
gleich zur rechten Stunde. Er ist gleich jetzt gekommen, eben jetzt. Herr Damis
hat gleich vorhin das Gegentheil behauptet, Gell.
Zwey Mahl ist jetz und gleich der schöne Frühling kommen,
Opitz.
Es sind jetzt gleich drey Jahre, es sind jetzt gerade drey
Jahre; es sind gleich jetzt (eben jetzt) drey Jahre. Die damahls gleich den
Brunnen tranken, Gell. 2) Besonders für eben damahls, in der vertraulichen
Sprechart und dem gemeinen Leben. Damöt war gleich nicht da. Es war gleich sein
Bruder zugegen, als ich es ihm sagte. 3) Ingleichen, für eben, oder eben jetzt,
auch nur im gesellschaftlichen Umgange. Hier kommt gleich mein Vater, Gell. Ich
lese gleich in der Bibel, so kommt ein Bettler, ebend. Hier kommt sie gleich
gegangen. Wir waren gleich im Begriffe zu ihnen zu kommen. 4) Auch von einer
den Augenblick, eben jetzt, vergangenen Zeit. Das gnädige Fräulein hat gleich
nach ihnen gefragt, Cron. Sie hat, wie ich gleich gehöret, ihr Ja schon von
sich gegeben. 5) Noch mehr, den nächsten Augenblick der folgenden Zeit zu
bezeichnen, in sehr kurzer Zeit. Ich will gleich kommen. Komm gleich wieder.
Ich will den Fehler gleich wieder gut machen. Er wird gleich zornig. Wer wird
den Augenblick gleich voller Argwohn seyn! Gell. Zuweilen auch mit dem
verstärkenden Wörtchen so. Gehe sogleich hin, oder gehe gleich hin. Im gemeinen
Leben wird es hier oft zu einem müßigen Flickworte. In großen Städten ist doch
alles gleich anders. [
711-712] III. Als ein Bindewort,
welches einen Gegensatz begleitet, besonders mit den Nebenwörtern wenn und ob.
Ob-gleich, von einer vergangenen Zeit. Ich kann es ihm nicht gewähren, ob er
gleich sehr darum gebethen hat. Ob du gleich da warest, so habe ich dich doch
nicht gesehen. Wenn gleich, oder wenn - - gleich, von einer gegenwärtigen oder
zukünftigen. Aber ich kann frey mit ihnen reden, wenn ich mich gleich irren
sollte. Wenn du gleich hundert Augen hättest. Du bist verständiger als deine
Schwester, wenn jene gleich schöner ist, Gell.
Wenn gleich ihr Auge zürnt, so zürnt es dennoch schön, ebend.
S. Obgleich und Wenn. Ingleichen mit Auslassung des ob
und wenn, da denn auch die Stellung der Wörter verändert wird, und das Zeitwort
voran tritt. Gründen sich seine Ansprüche gleich nicht auf außerordentliche
Handlungen, so sind sie doch gegründet. Hat sie gleich nicht den schärfsten
Verstand, so hat sie doch ein gutes Herz.
Ist gleich sein Kleid nicht fein und bunt, Das Kleid kann ich
verschmerzen, Weiße.
Wo es in der dichterischen Schreibart auch zuweilen
weggelassen werden kann.
Doch ist sie nicht so schön, So ist sie nicht so stolz als du,
ebend.
Anm. Gleich, so fern es eine Übereinstimmung der
Beschaffenheit oder Umstände bezeichnet, lautet bey dem Kero kalihho, im Isidor
chilihho, bey dem Ottfried gileicho, bey dem Notker gelich, im Tatian gilich,
im Nieders. gliek. Das g ist aus der Vorsylbe ge entstanden, daher dieses Wort
im Niedersächsischen auch nur like, im Dän. lige, im Engl. like, bey dem
Alphilas leiks, im Schwed. lik, im Isländ. likr lautet. Da es mit gerade und
eben in vielen, selbst figürlichen Bedeutungen, überein kommt, so ist sehr
wahrscheinlich, daß es ursprünglich gerade bedeutet habe, welche Bedeutung auch
noch jetzt nicht ganz veraltet ist. Indessen ist es doch schon sehr früh von
der Übereinstimmung aller oder doch einiger Unterscheidungsstücke gebraucht
worden, wie aus der letzten Sylbe in den Latein. Wörtern similis, talis, qualis
und in den Griechischen $ und $, erhellet. Similis kommt mit dem Goth.
samaliks, gleich, ähnlich; qualis, Griech. $, mit dem Gothischen qhileiks, im
Deutschen zusammen gezogen welch, und talis, Griech. $, mit dem Gothischen
tholik und dem Deutschen solch überein.
S. Ähnlich, - Lich, Welch und Solch. Das Umstandswort
der Zeit gleich, welches schon bey dem Kero galico und bey dem Ottfried gilich
lautet, wird von einigen von jäh, oder gau, geschwinde abgeleitet, und für eine
Zusammenziehung aus jählich oder gaulich gehalten. Allein der Ton, der hier auf
der Sylbe lich lieget, und beweiset, daß sie die Haupt- und Stammsylbe ist,
widerspricht dieser Ableitung. Wäre gleich in dieser Bedeutung aus jäh oder gau
zusammen gesetzet, so müßte diese Sylbe den Ton haben, der sie auch vor aller
Zusammenziehung hinlänglich würde gesichert haben. Man wird kein Beyspiel
aufweisen können, wo bey der Zusammenziehung eines Wortes die Hauptsylbe,
welche den Ton hat, wäre verschlungen, und dieser dadurch auf die
Ableitungssylbe geworfen worden. Über dieß ist die Figur, wo die
Übereinstimmung der Umstände auf die Übereinstimmung der Zeit übertragen wird,
sehr leicht und begreiflich, so daß man nicht nöthig hat, für das Umstandswort
der Zeit eine andere Ableitung ausfündig zu machen.
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711-712]