Gewohnen
Gewohnen,
[
671-672] verb. reg. neutr. welches das
Hülfswort haben erfordert, Fertigkeit zu Empfindung oder Handlungen Einer Art,
ohne Bewußtseyn der Bestimmungsgründe bekommen, welches durch Nachahmung,
mehrmahlige Wiederhohlung oder Erwartung ähnlicher Fälle geschiehet. Ich kann
es an diesem Orte, in diesem Hause nicht gewohnen. Sprichw. Jung gewohnt, alt
gethan. Im Hochdeutschen häufig mit der vierten Endung der Sache. Da
Soldatenleben gewohnen. Man gewohnt endlich alles.
Die man die süßen Herren nennt, und die das Denken nie
gewohnen, Gell. Man führtes (das Füllen) streichelnd auf und nieder, Daß es den
Zwang gewohnen soll, ebend.
Im Oberdeutschen aber und der höhern Schreibart der
Hochdeutschen, mit der zweyten. Der Arbeit, der Hitze, der Kälte gewohnen. Daß
du nicht gewohnest der Narrheit, Sir. 23, 19. Man gewohnt der guten Tage eher
als der bösen. Indessen ist statt dieses Zeitwortes das Mittelwort gewohnt mit
den Zeitwörtern seyn und werden im Hochdeutschen beynahe üblicher, besonders
anstatt der zusammen gesetzten Zeiten des Verbi gewohnen, wo es oft auch in
weiterer Bedeutung von Dingen gebraucht wird, die man mehrmahls gethan und
empfunden hat. Ich bin gewohnt, mit ehrlichen Leuten umzugehen. Er ist gewohnt
früh aufzustehen. Wir sind nicht gewohnt, so spät zu essen. Ingleichen mit der
vierten Endung. Das bin ich an ihm schon gewohnt. Man wird es leicht gewohnt.
Man wird alles gewohnt. Noch mehr mit der zweyten. Des Unglückes, der Arbeit
gewohnt seyn, Ich bin dessen nicht gewohnt. Eines Dinges gewohnt werden. Auch
im Scherze von leblosen Dingen. Der Rock ist des Regens schon gewohnt. Anm. Im
Nieders. wennen, im Angels. geuuunian, im Oberdeutschen ehedem nur wohnen.
Ich was vil vngewon Des ich nu wonen muos, Heinrich von Rugge.
Kero gebraucht kiuuonen für gewohnt seyn, pflegen. Es gehöret
zu dem Zeitworte wohnen, welches in der weitesten Bedeutung auch bleiben, von
dem Verharren in einem Orte oder Zustande, bedeutete,
S. dasselbe. Das Mittelwort gewohnt lautet im Isidor nur
chiuuon, bey dem Ottfried giuuon, im Nieders. gewend.
[
673-674]