Das Gewissen
Das Gewissen,
[
667-668] des -s, plur. inus. außer in
Einem Falle die Gewissen, von dem Zeitworte wissen. 1. Überhaupt, das
Bewußtseyn einer Sache. Sie werden kommen mit dem Gewissen ihrer Sünden, Weish.
4, 20. So vermuthlich auch Ebr. 10, 2: Sanft hätte das Opfer aufgehört, wo die
so am Gottesdienst sind, kein Gewissen mehr hätten von den Sünden. Ich glaube
in meinem Gewissen, er hat alle mir mögliche Zweifel aufgesucht. Doch in dieser
Bedeutung ist es im Hochdeutschen größten Theils veraltet. 2. In engerer
Bedeutung. 1) Das gewisse Bewußtseyn einer eigenen Handlung; in welchem
Verstande es in den Rechten der Wissenschaft oder dem Wohlbewußt, d. i. der
wahrscheinlichen Kenntniß von der Handlung eines andern, entgegen gesetzet
wird. Jemanden auf sein Gewissen fragen. 2) In noch engerer und gewöhnlicherer
Bedeutung; in der Sittenlehre, das Bewußtseyn des Verhältnisses seiner
Handlungen gegen das Gesetz, die Überzeugung von der rechtmäßigen oder
unrechtmäßigen Beschaffenheit seiner Handlungen. (a) Eigentlich. Das Vorher
gehende Gewissen, diese Überzeugung von der Handlung, das nachfolgende, nach
der Handlung. Das gute Gewissen, die Überzeugung von der Rechtmäßigkeit einer
begangenen Handlung, im Gegensatze des bösen Gewissens. Mit gutem Gewissen kann
ich solches nicht bejahen, auch in weiterer Bedeutung von der Überzeugung der
Wahrheit einer Sache. Etwas um des Gewissens willen leiden oder unterlassen,
sich nach dem vorher gehenden Gewissen verhalten. Wider sein Gewissen handeln,
wider seine Überzeugung von der Sittlichkeit einer Handlung. Das irrende
Gewissen, ein Urtheil des Gewissens, welches entweder aus unrichtigen
Vordersätzen, oder aus unrichtiger Verbindung wahrer Sätze herfließt, im
Gegensatze des richtigen. Sein Gewissen bestecken, wider sein Gewissen handeln.
Nach seinem Gewissen handeln, Bestimmungsgründe aus der Vorschrift des Gesetzes
hernehmen. Eines Gewissen regieren. Gewissens halber zu etwas verbunden seyn.
Ich gebe dir das auf dein Gewissen, ich werde sehen, ob du darin wider deine
eigene Überzeugung handeln wirst. Sagen ie mir es auf ihr Gewissen. Einem etwas
in sein Gewissen schieben, in engerer Bedeutung, in den Rechten, ihm darüber
einen Eid antragen. Einem die Freyheit seines Gewissens lassen, die Freyheit,
nach seinem Gewissen zu handeln. Wenn das Gewissen als in mehrern Menschen
befindlich angenommen wird, so kann auch der Plural gebraucht werden. Die
Gewissen zwingen. Wenn alle Gewis- sen so ruhig wären, als meines. (b) In
engerer Bedeutung, das Bewußtseyn der Unrechtmäßigkeit einer Handlung, und die
Folgen dieses Bewußtseyns. Schlägt ihnen das Gewissen schon? Ein Mensch ohne
Gewissen. Das nagende Gewissen, der anhaltende Stand der Unlust über begangenes
Unrecht. Mein Gewissen heißt mich nicht, im gemeinen Leben, ich bin mir keiner
bösen Handlung bewußt. Ein weites Gewissen haben, viele unrechtmäßige
Handlungen für rechtmäßig halten. Einem das Gewissen rühren. (c) Bedenklichkeit
über die Rechtmäßigkeit und Unrechtmäßigkeit einer Handlung. Sich worüber ein
Gewissen machen, es für verbothen halten. Andern ein Gewissen machen, ihnen
eine Sache als verbothen vorstellen. Ich mache mir über Kleinigkeiten kein
Gewissen, Gell. Ich mache mir ein Gewissen, das geringste anzunehmen, halte es
für unerlaubt. (d) Figürlich, die Erkenntniß der Rechtmäßigkeit oder
Unrechtmäßigkeit seines ganzen sittlichen Zustandes. Ein schlafendes Gewissen,
wen diese Erkenntniß ohne merkliche Wirkung bleibt. Das Gewissen einschläfern.
Das Gewissen wacht auf, wenn ein Mensch die Unrechtmäßigkeit seines Zustandes
empfindet. Sein Gewissen beschweren. Anm. Bey dem Notker in der engern
moralischen Bedeutung Keuuizze, Geuuizzedo, Sinuuizza, Inuuizzeda, in den
Monserischen Glossen Miteuizin, im Schwabensp. Geuuizzende, in dem 1501 zu Rom
gedruckten Deutsch-Italiänischen Vocabulario Gewisni, im Schwed. Samwete; alles
nach dem Latein. Conscientia und Griech. $. In der weitesten Bedeutung für das
Wissen, Bewußtseyn, lautet es im 9ten Jahrhunderte Geuuizei, und bey dem Notker
Geuuizei. In dem Schwabenspiegel wird das gute Gewissen auch der gute Sinn
genannt. [
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