Der Geschmack
Der Geschmack,
[
611-612] des -es, plur. inus. von dem
Zeitworte schmecken. 1. Objective, die Eigenschaft der Körper, vermittelst
deren sie durch die Auflösung ihrer Theilchen eine gewisse Empfindung auf der
Zunge verursachen. 1) Eigentlich. Das Manna hatte einen Geschmack wie ein
Öhlkuchen, 4 Mos. 11, 8. Die Speise hat einen guten, einen angenehmen, einen
bittern, einen widrigen Geschmack; sie ist bitter, süß, sauer, angenehm, widrig
u. s. f. von Geschmack. Er aß und fand die Frucht vortrefflich von Geschmack,
Gell. Den Geschmack verlieren, unschmackhaft werden. Im Oberdeutschen, wo
schmecken auch riechen bedeutet, wird Geschmack auch häufig für Geruch
gebraucht. Ein scheluren Geschmack, ein Aasgestank,
S. Sachs.
Die Kleider haben den Geschmack Den Libanus nicht geben mag,
Opitz.
2) Figürlich. Die Eigenschaft einer Sache, nach welcher sie
angenehme oder unangenehme Empfindungen erwecket. Ein Gemählde von gutem, von
schlechtem Geschmacke. In engerer Bedeutung pflegt man den guten Geschmack an
den Dingen nur schlechthin den Geschmack zu nennen, und alsdann bestehet er
vornehmlich in der Übereinstimmung der Theile mit ihrem Ganzen. So sagt man von
einem Gedichte, von einem Gemählde u. s. f. daß in demselben Geschmack sey, daß
es Geschmack habe. Alles was er macht, hat keinen Geschmack. Einer Sache keinen
Geschmack abgewinnen können, nichts Gutes und Schönes an ihr entdecken können.
2. Subjective, die Empfindung, welche die aufgelöseten Theile der Körper auf
der Zunge verursachen, und das Vermögen, diese Veränderung zu empfinden. 1)
Eigentlich, wo der Geschmack einer der fünf Sinne ist, dessen Werkzeuge die auf
der Zunge vertheilten Nervenwärzchen sind. Keinen Geschmack haben. Den
Geschmack verlieren. In engerer Bedeutung auch die Fertigkeit, das Angenehme
und Unangenehme in den Speisen leicht und zuverlässig zu unterscheiden. Einen
guten, feinen Geschmack haben. Ein Koch von einem schlechten Geschmacke. 2)
Figürlich. (a) Die Empfindung des Guten und Schönen an einer Sache. Seinem
Geschmacke folgen. Bey einer guten Erziehung muß vornehmlich darauf gesehen
werden, daß junge Leute mit Geschmack und Empfindung lesen lernen, Gell. Im
engern Verstande auch zuweilen die durch diese Empfindung gewirkte Neigung.
Geschmack an etwas finden. Das ist nicht nach meinem Geschmacke, gefällt mir
nicht. Einem Geschmack an etwas machen, beybringen. (b) Das Vermögen, und in
engerer Bedeutung die Fertigkeit, das Gute und Schöne oder Häßliche an einer
Sache leicht zu entdecken und zu empfinden. Einen guten, einen feinen, einen
schlechten Geschmack in der Musik, in der Dichtkunst, in der Mahlerey haben.
Einen richtigen, einen verderbten Geschmack haben. Der Geschmack ist es,
welcher von den Kunstwerken richtig urtheilet. Der natürliche Geschmack, die
uns angeborne Empfindung des Schönen, im Gegensatze des künstlichen. In engerer
Bedeutung wird der gute oder richtige Geschmack oft nur schlechthin der
Geschmack genannt. In seinem ganzen Hause herrscht Ordnung und Geschmack. Ein
Mann von Geschmack, der einen guten Geschmack hat. (c) In weiterer Bedeutung
ist der Geschmack die auf den Geschmack, oder die Empfindung des Schönen
gegründete Art zu denken und zu handeln. In Youngs traurigem Geschmacke
dichten. Ein Gemählde in Rubens Geschmack. In diesem Verstande leget man auch
ganzen Zeitaltern und Nationen einen Geschmack bey, die Art zu empfinden und
über seine Empfindungen zu urtheilen, zu bezeichnen. Eine Bildsäule in
Griechischem Geschmacke. Der Italiänische Geschmack in der Mahlerey. Der
Gothische Geschmack in der Baukunst. Der herrschende Geschmack. Anm. In beyden
Hauptbedeutungen, im gemeinen Leben, so wohl Ober- als Niederdeutschlandes nur
Schmack, Smack, welches sich auch noch in Vorschmack und Nachschmack findet,
ingleichen auch 2 Mos. 16, 31, Weish. 16, 20 vorkommt. Bey dem Notker Smach,
Gesmag, in der Monseeischen Glosse Smacho, im Angels. Smaec, im Engl. Smack und
Smatch, im Pohln. Smak, im Schwed. Smak, im Finnländ. Macu.
S. Schmecken. Die Figur, den eigentlichen Geschmack auf
die Empfindung des Schönen anzuwenden, ist schon bey den Hebräern,
[
613-614] Griechen und Römern vorhanden. Unter den
neuern Völkern haben die Spanier diese Metapher zuerst wieder angenommen, denen
hierauf die Franzosen mit ihrem Gout, und bald nach dem Anfange des 18ten
Jahrhunderts auch die Deutschen gefolget sind. Hans Sachs gab 1553 ein Gedicht
heraus, welches er die neue Geschmäck des Ehstandes nannte, wo es schon
Empfindungen überhaupt bedeutete. [
613-614]