Die Gerte
Die Gerte,
[
595-596] plur. die -n, Diminut das
Gertchen, Oberd. Gertlein, ein schwanker dünner Zweig, so wie man sich dessen
statt einer Peitsche bedienet. 1) Eigentlich, in welchem Verstande es im
Oberdeutschen am üblichsten ist, im Hochdeutschen aber nur zuweilen in der
Büchersprache gebraucht wird. Doch nennt man auch hier eine Spießgerte,
diejenige Ruthe, deren sich die Reiter bedienen, und welche im Kriegswesen zur
Züchtigung strafbarer Soldaten eine Spießruthe heißt. Auch ein Bündel zartes
Birkenreisigs zur Züchtigung der Kinder, eine Ruthe, führet im Oberdeutschen
den Nahmen einer Gerte. 2) Figürlich, in der Landwirthschaft einiger Gegenden,
z. B. in Thüringen und Meißen, ein Längenmaß, welches so viel als eine Ruthe
ist. Eine Dreygerte ist in Thüringen ein Acker von unbestimmter Länge, welcher
drey Gerten oder Ruthen breit ist; im Gegensatze eines Strichels und Sottels.
Dahin gehöret auch das. Meklenburgische Jahrte, einen Acker von unbestimmter
Länge zu bezeichnen, welcher vier starke Schwad breit ist. Anm. In der ersten
Bedeutung lautet dieses Wort bey dem Kero und Notker Kerta, in den Baierischen
Gesetzen Chartea, bey dem Ottfried Gertu, Garde, Gurda, im Isidor Gardea, bey
dem Willeram Gerta, im Angels. Gerd, Gyrd, im Holländ. Garde, im Engl. Yard. Im
Oberdeutschen bedeutet es auch theils eine Stange, theils einen Stachel, und
ist alsdann in einigen Gegenden männlichen Geschlechtes, der Gart. Vuider garte
spornonne, wider den Stachel lecken, Notker. Bruder Eberhard von Sax, ein
Dichter des Schwäbischen Zeitalters, nennet den Zepter des Königs Ahasverus
eine Gerte; bey dem Ottfried sind Palmono gertun Palmzweige, und Notker
gebraucht gerten für züchtigen. Die nähere Abstammung dieses Wortes ist bey
dessen hohem Alter ungewiß; indessen scheinet es zu Garten, Gurt, Gehr und
Gehren, ein Spieß, Keil, u. s. f. zu gehören. Schon im Griech. bedeutete
-
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - einen Pfahl, im Mittlern
Lat. Carratium, Franz. Eschara, und Eschalas, und im Dän. ist Giärde ein Zaun,
und geärde, zäunen. Einige schreiben es Garte, welches sich mit einigen alten
Schreibarten und verwandten Worten rechtfertigen lässet; allein das e hat eben
so viele Beyspiele und über dieß noch den beständigen Hochdeutschen Gebrauch
für sich. [
597-598]