Die Gemse
Die Gemse,
[
553-554] plur. die -n. 1) Eigentlich,
eine Art kleiner und wilder Felsenziegen, mit einem sehr krummen Haken an den
Hörnern, von dunkelbrauner oder röthlicher Farbe, welche sich auf den felsigen
Gebirgen besonders der Schweiz aufhält; Capra cornubus erectis uncinatis L.
Rupicapra Klein. In der Schweiz kennet man zwey Arten derselben, wovon die eine
die höchsten und unersteiglichsten Felsen bewohnet, und das Gratthier genannt
wird, die andere aber an dem Fuße der Berge und in den Wäldern ihre Nahrung
sucht, und das Waldthier heißt.
S. diese Wörter. Saul suchte den David auf den Felsen
der Gemsen, 1 Sam. 24, 2. Die Gemsen gebären auf den Felsen, Hiob 39, 1.
Hier fliehet, dem gescheuchten Rehe, Der aufgejagten Gemse
gleich, Die königliche Tochter Cadmus, Raml.
Gemse begreift beyde Geschlechter in sich. Will man sie
genauer unterscheiden, so heißt das männliche dor Gemsbock und das weibliche
die Gemsziege oder das Gemsthier. 2) Im Bergbaue, ein hohler Haken an einem
Stiele mit zwey krummen Zacken, die Glätte damit von dem Herde zu ziehen; wegen
der Ähnlichkeit der Zacken mit einem Gemsenhorne. Anm. Der Nahme dieses Thieres
lautet im Oberdeutschen Gams, Gäms, im Theuerdanke Jembß, in einer zu Berlin
befindlichen alten handschriftlichen Bibel Gemais, im Ital. Camozza und
Camuccia, im Franz. Chamois, im Böhm. Kamsik, in Pohln. Giemza. Popowitsch
leitet diesen Nahmen mit vieler Wahrscheinlichkeit von dem alten Worte kam,
krumm, her, wegen der besondern Krümme der Hörner dieses Thieres.
S. Kamehl. Im Griech. bedeutet -
hier
nichtlateinischer Text, siehe Image - einen Hirsch, und im Schwed. Gumse
einen Widder, Gymmer aber ein Schaf. Das e am Ende ist im Hochdeutschen um der
gelinden Aussprache des s willen nothwendig. Die Oberdeutschen Mundarten
sprechen dieses s härter aus, Gäms. In eben denselben ist es an manchen Orten
männlichen, und an noch mehrern ungewissen Geschlechtes. Da setzt ein
schüchtern Gemß u. s. f. Hall. Da die meisten verwandten Sprachen in diesem
Worte ein a haben, welches die Oberdeutsche Mundart gleichfalls sehr deutlich
hören lässet, so ist die Schreibart Gämse der Abstammung gemäß, ungeachtet sich
auch das e im Hochdeutschen vertheidigen lässet, weil ä und e in derselben in
tausend andern Fällen mit einander abwechseln. [
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