Der Gast
Der Gast,
[
427-428] des -es, plur. die Gäste, eine
Person männlichen oder weiblichen Geschlechtes, welche bey einer andern
speiset, entweder gegen Bezahlung, oder aus Freundschaft, Gefälligkeit u. s. f.
1) Eigentlich. So werden Personen, welche in öffentlichen Herbergen oder an
andern Orten für Geld speisen, Gäste, Tischgäste genannt. Auch Personen, welche
jemand bey feyerlichen Gelegenheiten, oder aus Freundschaft mit einer Mahlzeit
bewirthet, sind Gäste. Gäste bitten. Die Gäste sind nicht gekommen. Seyn sie
heute mein Gast, speisen sie heute bey mir, oder auf meine Kosten. Ungebethene
Gäste. Ein Hochzeitsgast, der zum Hochzeitsschmause geladen ist. In dieser
Bedeutung ist auch das Schwed. Gast, Isländ. Gestur, Angels. und Dän. Gest,
Holländ. und Nieders. Gast, Engl. Guest, Böhm. Host, und Pohln. Gose üblich. Ja
Ottfried gebraucht schon Gesto in derselben.
S. Gaste. 2) In weiterer Bedeutung, eine fremde Person,
welche von einer andern aufgenommen und mit der nöthigen Bequemlichkeit
versehen wird, es geschehe nun für Bezahlung oder aus Gefälligkeit. Der Wirth
hat viele Gäste. Wir bekommen heute Gäste. Treulich an den Gästen thun, dieses
ist ein Lob der Gastfreyheit, 3 Joh. 5. Schon Kero nennet einen solchen Gast
Kesteo und Kasto. In andern Sprachen aber bedeutet es active auch Wirth, der
andere aufnimmt, die das mittlere Lat. Hostis in den Briefen des heil.
Bernhards, das Franz. Hote, das Ital. Hoste. Auch das mittlere Lat. Gistum,
Herberge und Bewirthung, scheinet hierher zu gehören. 3) In noch weiterer
Bedeutung, werden diejenigen, welche bey andern arbeiten lassen, bey ihnen
kaufen, oder sich sonst ihres Dienstes bedienen, im gemeinen Leben häufig Gäste
genannt. Gäste setzen, bey den Schenkwirthen, und in den Trinkhäusern.
Mahlgäste, die bey einem Müller mahlen lassen, Backgäste, die bey einem Bäcker
backen lassen, Salzgäste, welche in einem Salzwerke Salz kaufen, Badegäste, die
sich des Badens, Brunnengäste, die sich des Gesundbrunnens an einem Orte
bedienen u. s. f. Schon in den alten Florentinischen Statuten bey dem
Carpentier heißt es: Hostis, id est ille, pro quo laborat aliqua bona. 4) * In
noch weiterer Bedeutung, ein Fremder, ein Ausländer, in welcher schon Gast bey
den Ulphilas vorkommt. Auch das Lat. Hostis bedeutete, wie bekannt ist,
anfänglich nichts anders, als einen Ausländer.
Tugend soll glesten Den Frunden und den Gesten, Burkhard v.
Hohenfels.
Denn wir sind Fremdlinge und Gäste vor dir, wie unsere Väter
alle, 1 Chron. 30, 15. Diese haben bekannt, daß sie Gäste und Fremdlinge auf
Erden sind, Ebr. 11, 13. Warum stellest du dich, als wärest du ein Gast im
Lande? Jer. 14, 18. So seyd ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern
Bürger - und Gottes Hausgenossen, Ephes. 2, 19. In der Ordnung der
Tuchmacherinnung zu Zeit heißen die fremden Krämer Gäste, und in den Rechten
wurde ehedem derjenige für einen Gast gehalten, der über eilf Meile weit her
war. Auch die Schutzverwandten in den Städten, oder Einwohner, welche nicht
Bürger waren, wurden Gäste genannt. Im Hochdeutschen ist diese Bedeutung
nunmehr veraltet, außer daß sie noch in einigen der folgenden Zusammensetzungen
vorkommt; im Niedersächsischen aber ist sie üblicher. Nach einer noch weitern
Figur bedeutete dieses Wort ehedem auch jemanden, der einer Sache beraubt war.
Durch das er ern ist ein Gast, Stryker.
5) In der weitesten Bedeutung, eine jede Person; doch nur mit
Beywörtern, und im gemeinen Leben, besonders Niedersachsens. Er ist ein fetter,
ein reicher Gast, ein begüterter Mann. Ein schlauer Gast, ein schlauer Mann.
Ein lustiger Gast, ein lustiger Mensch. Anm. Man könnte dieses Wort von goan,
gehen, Gau, Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - ,
ableiten, und alsdann würde die vierte Bedeutung die erste und eigentliche
seyn. Allein, da in diesem Worte und dessen Ableitungen und Zusammensetzungen
der Begriff des Speisens doch immer der herrschende ist, so scheinet es mit
mehrerm Rechte zu Kost, Speise, essen, Griech. -
hier nichtlateinischer
Text, siehe Image - , speisen, bewirthen, zu gehören; wenn man nicht
annehmen will, daß in unserm heutigen Gast zwey ehedem ganz verschiedene Wörter
zusammen geflossen sind, da denn auch die in dem Salischen Gesetze vorkommenden
Wisogast, Bodogast, Salegast, Windegast, der Fränkische Arbogast, das Ungar.
Gazda, ein Herr, Hausvater u. s. f. mit in Anschlag kommen könnten. Übrigens
wird dieses Wort in den vier ersten Bedeutungen von beyden Geschlechtern
gebraucht, indem man so wohl zu einem Frauenzimmer, als zu einer Mannsperson
sagt, seyn sie heute mein Gast, u. s. f. In einigen der folgenden Wörter
scheinet Gast für Kost, Köste zu stehen,
S. Gaste, Gastgeber, und Kost.
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