Flüchtig
Flüchtig,
[
225-226] -er, -ste, adj. et adv.
welches in der weitesten Bedeutung des Zeitwortes fliehen und in einigen
Bedeutungen des Wortes fliegen gebraucht wird. 1) Auf der Flucht begriffen.
Flüchtige Soldaten. Die Soldaten wurden flüchtig. Der Schuldner ist flüchtig
geworden. Den flüchtigen Feind verfolgen. Unstet und flüchtig sollt du seyn auf
Erden, 1 Mos. 4, 12, 14. Sich auf flüchtigen Fuß setzen, entfliehen. 2) Was
schnell entfliehet, schnell vergehet. Unser Leben ist flüchtig. Eine flüchtige
(vergängliche) Schönheit. So schön wie eine Landschaft, auf der schnell der
Thau in flüchtigen Nebel verduftet, Sonnenf. Die Empfindungen des schönen
Geschlechts sind zarte und flüchtige Empfindungen, Gell. Das war nur so ein
flüchtiger Einfall, ein flüchtiger Gedanke. Flüchtige Farben, welche vergehen.
Ingleichen, was leicht verflieget, sich leicht in zarte Dünste auflöset. Der
Salzgeist, Uringeist, das Quecksilber sind sehr flüchtig. Flüchtige Theile,
welche die Hitze in Gestalt von Dämpfen oder Dünsten aus einem Körper scheidet,
im Gegensatze der feuerbeständigen. 3) Schnell, mit Leichtigkeit schnell. Ein
flüchtiges Pferd. Ein flüchtiges Geblüt, welches leicht in Wallung gebracht
werden kann. Ein flüchtiger Pinsel, der die Farben mit Leichtigkeit aufträgt.
Eine flüchtige Zeichnung, welche mit leichter Kühnheit in der Eile verfertiget
ist. 4) Im nachtheiligen Verstande, was in der Eile, nur so obenhin geschiehet.
Eine flüchtige Vorstellung von etwas haben. Ich habe ihn nur so flüchtig
gesehen. Wir müssen den flüchtigen Anblick der Schöpfung in einen bedachtsamen
verwandeln, Gell. 5) In der Luft fliegend, in einigen Fallen. Ein flüchtiges
(fliegendes) Gewand, bey den Mahlern. Bey den Kupferstechern heißt dasjenige
flüchtig, was in der Luft zu schweben scheinet, und mit Fleiß ausgearbeitet
ist, wie die Blätter an den Capitälen. 6) Mürbe, brüchig, im Bergbaue. Ein
flüchtiges Gestein, welches mürbe und brüchig ist. Ein flüchtiges Gezimmer,
welches auf keinem festen Grunde ruhet, baufällig ist. Anm. Bey dem Ottfried in
der ersten Bedeutung fluhtig, im Dänischen flygtig, im Schwedischen flyktig,
Nieders. flugtsk. Fliuhteklich kommt bey den Schwäbischen Dichtern für schnell
vor. Im Oberd. hat man von diesem Beyworte auch das Zeitwort sich flüchtigen
für flüchten, fliehen.