Der Finger
Der Finger,
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157-158] des -s, plur. ut nom. sing.
Dimin. das Fingerchen, Oberd. Fingerlein. 1) Überhaupt, die äußersten in
mehrere Theile getheilten Enden an den Händen und Füßen der Menschen und
Thiere, so fern sie zum Fassen geschickt sind. In dieser weitesten Bedeutung
werden nur noch die Klauen oder Fänge an den abgerichteten Falken bey den
Jägern Finger genannt. 2. In der engern und üblichsten Bedeutung, das in fünf
bewegliche Theile getheilte Ende der Hand. 1) Eigentlich. Mit Fingern auf
jemanden weisen, zum Zeichen der Verachtung und Verspottung, so wie es bey den
Griechen und Römern ein Merkmahl der Ehre und des Verdienstes war. Eines
Fingers breit, dick, lang. Vier Finger hoch, d. i. so hoch, als die Breite von
vier Fingern beträgt. Mit den Fingern essen, ohne Hülfe des Messers und der
Gabel. der Kleine Finger, der letzte und kürzeste Finger an der Hand.
S. Daumen, Zeigefinger, Mittelfinger, Goldfinger,
Ohrfinger. Im gemeinen Leben hat man von diesen uns so nothwendigen
Gliedmaßen eine Menge figürlicher Redensarten. Einem etwas auf den Fingern
vorrechnen, sehr genau und umständlich. er weiß es auf oder an den Fingern
herzuzählen, sehr genau. Er ist schon so zahm, daß man ihn um einen Finger
wickeln könnte, schon kann man ihn um einen Finger wickeln, er ist äußerst
nachgebend. einem auf die Finger klopfen, ihn wegen eines Versehens mäßig
bestrafen. Man muß ihm fleißig auf die Finger sehen, genau Acht auf ihn heben,
damit er nichts veruntreue. Lange Finger machen, oder die Finger kleben lassen,
bey Gelegenheit gern etwas entwenden, von diebischer Gemüthsart seyn. Das habe
ich nicht aus den Fingern gezogen; ich habe es nicht erdichtet. Mein kleiner
Finger hat es mit gesagt, ich weiß es auf eine geheime Art, eine besonders
gegen Kinder übliche Art des Ausdrucks. Durch die Finger sehen, Nachsicht
brauchen. Einem durch die Finger sehen, nachsichtig gegen ihn seyn. Den Finger
auf den Mund legen, schweigen. Wir wollen hier den Finger auf den Mund legen,
und die Wege Gottes in Demuth verehren. Sich die Finger verbrennen,
unvermutheten Schaden von einer Handlung haben, anlaufen. Wenn man ihm einen
Finger gibt, so will er gleich die ganze Hand, er ist nicht mit wenigem
zufrieden. Die Finger nach etwas lecken, in der niedrigen Sprechart, sich über
den Genuß einer Sache außerordentlich ergetzen. 2) Figürlich. (a) Macht,
Gewalt, doch nur in der biblischen Schreibart, und von Gott. Das ist Gottes
Finger, 2. Mos. 8, 19. Ich treibe die Teufel durch Gottes Finger aus, Luc. 11,
20; und Ps. 8, 4 heißen die Himmel ein Fingerwerk Gottes. (b) * Ein Ring, der
an den Finger gesteckt wird, ein Fingerring; in welchem Verstande ehedem das
Diminutivum Fingerlein, vermuthlich für Fingerling üblich war. In den
Merseburgischen Statuten werden unter andern auch Ringe, Fingerlein, Heftlein
u. s. w. mit zur Gerade gerechnet. (c) Die Bekleidung der Finger an den
Handschuhen. Ein Handschuh mit Fingern.
S. Fingerhandschuh. Anm. Finger, bey dem Ulphilas Figgr,
welches nach Art der Griechen Fingr, gelesen werden muß, bey Isidors Übersetzer
Fingro, bey dem Ottfried Fingar, lautet im Niedersächs. Dän. Engl. und Angels.
gleichfalls Finger, im Isländ. aber Fingr. Viele haben geglaubt, daß es von der
Zahl fünf abstamme, weil dieser Finger gemeiniglich fünf an jeder Hand sind;
eine sehr unwahrscheinliche Ableitung, welche der Art, wie die ältesten Völker
ihre Wörter bildeten, zuwider ist. Die Endsylbe -er, zeiget ein Werkzeug an; es
bleibet also nur die Sylbe fing zu bestimmen übrig, und diese gehöret ohne
Zweifel zu dem Verbo fangen, fassen, ergreifen, welches dadurch bestätiget
wird, daß die Klauen der Raubthiere aus eben derselben Ursache bey den Jägern
noch jetzt Fänge heißen. Das Latein. Digitus, ist ver-
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159-160] muthlich auf eben diese Art von dem alten
Verbo tigga, nehmen, gebildet. [
159-160]