Die Figur
Die Figur,
[
147-148] plur. die -en, Diminut. das
Figürchen, Oberd. Figürlein, aus dem Lat. Figura. 1) Die Gestalt eine Dinges.
Die Außenlinien eines Körpers, welche ihn von allen Seiten begränzen, stellen
uns seine Figur dar. Eine sehr einnehmende Figur. Noch mehr aber, 2. die
Vorstellung einer Sache. 1) Eines wirklichen Körpers, dessen Bild. So heißt in
den bildenden Künsten eine jede Vorstellung einer Sache durch Linien, eine
Figur. Ja alle gezeichnete, gemahlte, geschnitzte, gedruckte und auf andere Art
verfertigte Abbildungen, oder dem Auge empfindbare Nachahmung der Dinge, werden
überhaupt Figuren genannt. In engerm Verstande heißt das Bild eines
menschlichen Körpers so wohl bey den Mahlern als auch i der Wappenkunst eine
Figur. In diesem Verstande ist ein Gemählde voll Figuren, wenn es voll Personen
ist. Auch eine Form, ein Modell, worüber und wornach etwas geformet oder
gemacht wird, heißt zuweilen eine Figur; daher werden die Formenschneider auch
oft Figurenschneider genannt. 2) Einer nicht vorhandenen Sache als einer
vorhandenen, ein willkürliches Bild. In diesem Verstande werden in den schönen
Künsten verschiedene willkührliche Verzierungen und Veränderungen Figuren
genannt. Dergleichen sind die Figuren in der Tanzkunst, in der Tonkunst. Dahin
gehören auch die grammatischen Figuren, welche nichts anders als Abweichungen
von der Regel sind, und oft mehr den Nahmen der Fehler als der Schönheiten
verdienen. 3) Die sinnliche Vorstellung eines unkörperlichen Dinges, die
Vorstellung einer unsichtbaren Sache unter dem Bilde einer sichtbaren, oder
doch sinnlichen. Dahin gehören die Figuren in der Redekunst, oder die
biblischen Arten, nicht nur die Leidenschaften und Gemüthsbewegungen, sondern
auch die Begriffe überhaupt auszudrucken; und in weiterm Verstande alle
Hülfsmittel der Lebhaftigkeit des Ausdruckes in einzelnen Fällen. Verschiedene
Arten dieser Figuren, wo körperliche Dinge unter einem andern Bilde, als unter
welchem wir sie uns gewöhnlich denken, vorgestellet werden, gehören zu dem
ersten Falle. Z. B. Der Mensch, das größte Raubthier, welches alle Elemente zu
verschlingen sucht, d. i. ihre Bewohner. Alle Wörter, mit welchen wir
unkörperliche Dinge bezeichnen, sind Figuren, weil sie uns dieses Ding unter
dem Bilde eines körperlichen zeigen. So sind alle Benennungen des Geistes und
der Seele fast in allen Sprachen von dem Athem und Winde entlehnet.
S. figürlich. Im schärfsten Verstande sind alle
Benennungen selbst körperlicher Dinge Figuren, weil sie uns das Ganze doch nur
unter dem Bilde eines einzigen Umstandes zeigen. 3. Ein Ding, so fern es eine
Gestalt hat, oder so fern man nur die Gestalt an demselben betrachtet. Dahin
gehören 1) die mathematischen Figuren, worunter man in weiterm Verstande eine
jeden Raum verstehet, der durch eine Größe eingeschlossen ist, in engerm
Verstande aber nur einen Raum, der durch Linien eingeschlossen ist; eine
Flächenfigur, zum Unterschiede von der körperlichen. Eine geradlinige Figur,
die in geraden Linien eingeschlossen ist. Eine krummlinige Figur, wenn ihre
Gränzen aus krummen Linien bestehen. 2) Auch in der vertraulichen Sprechart
nennet man eine Person oder ein Ding, wenn man nur auf die Gestalt derselben
siehet, oft eine Figur. Was war das für eine närrische Figur, welche zuletzt
auf den Ball kam? er ist eine der schönsten Figuren, die man sich nur
vorstellen kann. Da würde ich eine seltsame Figur machen, eine seltsame Person
vorstellen. Kallist spielet eine vortreffliche Figur auf der Bühne des artigen
Lebens. [
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