Essen
, verb. irreg. act. Indic. Präs. ich esse, du issest, er
isset, oder ißt, wir essen, u. s. f. Imperf. ich aß, (mit einem
gedehnten a und gelinden ß, gleichsam ahß,) du aßest, er
aß, wir aßen u. s. f. Supin. gegessen, Imper. iß. Conjunct. ich
esse, du essest, er esse u. s. f. Imperf. ich äße, du
äßest, er äße u. s. f.1) Überhaupt Speise, oder in
Gestalt der Speise zu sich nehmen, kauen und niederschlucken. Was essen sie da?
Ich esse Brot, Fleisch, Obst u. s. f. Eine Speise gern essen, nicht gern essen.
Das kann man nicht essen, das ist nicht zu essen. Er hat kaum das liebe Brot zu
essen. Was haben sie zu essen? Eines Brot essen, bey ihm seinen Unterhalt
haben. Im Oberdeutschen bekommt die Sache, welche man isset, oder vielmehr, von
welcher man isset, auch wohl die zweyte Endung:
Mein nächster Freud -Der meines Brotes ißt,
Opitz,
für mein Brot, d. i. von jemanden unterhalten werden.
Das Gnadenbrot bey einem essen, von ihm umsonst und aus Mitleiden unterhalten
werden.
Man bilde sich einmahl ein junges Mädchen ein, Das sich
von fetter Milch die Backen rund gegessen, Rost.
Ingleichen absolute, Speise zu sich nehmen. Wir haben
gegessen und getrunken. Wir wollen erst essen. Ich habe heute noch nicht, oder
noch nichts gegessen. Sich satt essen. Einem zu essen geben. Mit einem aus
einer Schüssel, an einem Tische essen. Ein essendes Pfand, ein lebendiges
Pfand, ein gepfändetes Thier, welches mit Nahrung unterhalten werden
muß. Aber essende Waaren, für eßbare Waaren, ist ein
Sprachfehler der gemeinen Mundarten.2) In engerer Bedeutung, zur
gewöhnlichen Zeit die nöthige Nahrung zu sich nehmen, die
gewöhnliche Mahlzeit halten. Zu Mittage, zu Abend essen, im gemeinen
Leben. Wir haben noch nicht gegessen. Zu Mittage mit einem essen. Essen sie
heute bey mir, oder mit mir. Man isset vortrefflich bey ihm, wird bey ihm
vortrefflich bewirthet. In beyden Bedeutun- [
1971-1972] gen
wird von Personen, denen man Achtung erweisen will, das Zeitwort speisen
gebraucht,
S. dasselbe.Anm. 1. Essen wird am häufigsten von
Menschen, fressen gemeiniglich nur von Thieren gebraucht. Die gemeinen
Mundarten sind reich an Wörtern, die verschiedenen Arten des menschlichen
Essens auszudrucken. Hier sind ein Paar zur Probe. Wenig bey Tische essen,
heißt im Oberdeutschen prangen, kläubeln. Wenig und ohne Appetit
essen, im Nieders. pirtjen. Langsam und nur die besten Bissen essen, im
Oberdeutschen bätzchen, im Nieders. nibbeln, im Hochdeutschen auch wohl
naschen. Begierig essen, im Niedersächsischen muggen, ingaffeln, quasen,
knuven, inknuven, knojen. Unreinlich essen, im Nieders. smullen.
Unanständig essen, Hochdeutsch fressen. Stark, viel essen, Nieders.
steveln, stieveln, snören, schüfeln (schaufeln,) putzen u. s. f.Anm.
2. Dieses Zeitwort lautet bey dem Kero ezzan, bey dem Isidor ezssan, bey dem
Ottfried ezen, und im Imperf. az. Alle übrigen Mundarten haben statt des
Zischlautes ein t oder d, wie das Nieders. eten, das Gothische itan, das
Angels. etan, das Schwed. aeta, das Dänische äde, das Engl. to eat,
das Lat. edere, und das Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - . Statt des Mittelwortes gegessen, sagen
einige Oberdeutsche Gegenden nur gessen, und zusammen gezogen gessen. Wir haben
noch nicht geessen. Es scheinet, daß man für essen ehedem auch
gessen, und für ich esse, ich aß, ich gesse, ich gaß, gesaget
habe. So sie thartho gazun, als sie nun da aßen, Ottfr. Lasset die
scharen, daß sie gangent und kaufent, daß sie gessent, in einer alten
handschriftlichen Bibel bey dem Frisch. Von dieser veralteten Form ist
vermittelst des Augmenti ge, noch das Mittelwort gegessen, für geessen
übrig. Das Nieders. Quas und Slavon. Kwass, eine Mahlzeit, scheinen
gleichfalls zu dieser Form zu gehören.
S. auch Äßen, welches in einigen Mundarten
für essen üblich ist. Das Factitivum von essen oder äßen
ist atzen, zu essen geben. Was die Abstammung des Wortes essen, Nieders. eten,
betrifft, so scheinet es zu dem alten eiten zu gehören, welches nicht
allein brennen, sondern auch stechen bedeutete, weil der Begriff des
Beißens oder Kauens doch wohl der herrschende in diesem Worte ist.
Vielleicht ist beißen selbst vermittelst der Vorsylbe be, aus eißen,
essen, entstanden.
S. Eiter, Eiternessel, Beißen,
Essig. [
1973-1974]