- Ern
, eine Endsylbe verschiedener Zeit- und Nennwörter.I. Die
Zeitwörter, welche sich auf - ern endigen, sind wiederum von gedoppelter
Art.1. Einige kommen von Nennwörtern her, welche sich auf ein er endigen,
und werden vermittelst der in ein n verkürzten Endsylbe en in ein Verbum
verwandelt; ackern für ackeren von Acker. Sie bedeuten ein Seyn oder
Versetzen in denjenigen Zustand, den das Nennwort bezeichnet, oft auch nur
einen Gebrauch, eine Anwendung der durch das Nennwort ausgedruckten Sache,
zuweilen aber auch einen andern Umstand;
S. -En. Diese Zeitwörter werden,1) Großen
Theils aus Hauptwörter gebildet, und zwar, (a) aus ihrem Singular.
Ausädern, ankern, buttern, dauern, donnern, eifern, eitern, federn,
fiedern, feuern, feyern, fingern, foltern, füttern, geifern, hadern,
halftern, hämmern, heuern, keltern, kerkern, klaftern, klammern,
kleistern, kollern, lagern, lästern, leyern, martern, mauern, meistern,
mustern, opfern, panzern, pfeffern, pflastern, plündern, polstern, pudern,
pülvern, rudern, schauern, schaudern, schiefern, schimmern,
schläudern, schleyern, versilbern, sömmern, splittern, steuern,
gittern, verketzern, beschwägern, trauern, wundern, fächern, wintern,
wittern, wuchern, zaubern, ziffern, zimmern, zuckern, wässern u. s. f. von
Ader, Anker, Butter u. s. f. Die Hauptwörter, von welchen diese
Zeitwörter herkommen, sind vermittelst der Endsylbe er wieder aus andern
Wörtern gebildet;
S. -Er. (b) Einige Verba sind dagegen aus dem Plural des
Nennwortes gebildet, welches doch nur bey solchen Wörtern Statt findet,
welche in der Mehrheit ein er annehmen. Bildern, Bilder aufsuchen,
blättern, in Blätter zerfallen, in Blätter zerlegen,
bebändern, mit Bändern zieren, begliedern, mit Gliedern versehen,
zergliedern, die Glieder einzeln absondern, begütern, mit Gütern
versehen, im Oberdeutschen begüten, durchlöchern, mit Löchern
versehen u. s. f.2) Viele sind aber auch, vermittelst eben dieser Endung en,
welche auch hier ihr e wegwirft, aus Beywörtern entstanden; und zwar, (a)
aus deren ersten Staffel, wenn sich selbige auf er endiget. Ändern, anders
machen, äußern, säuern, das niedrige albern, sich albern (Oberd.
alber,) stellen, aufmuntern, ermuntern, hindern, fordern und fördern,
betheuern, läutern, erobern, aufheitern, erheitern, säubern,
schwängern, sichern, erbittern, verfinstern, vertheuern, u. s. f. (b)
Andere erkennen den Compara-tiv für ihr Stammwort. Erleichtern,
vergrößern, verkleinern, bereichern, erneuern, erweitern, lindern,
mildern, mindern, nähern, verfeinern, verschönern, verringern,
verschlimmern, verbessern, schmälern, vergewissern, verlängern, u. s.
f. leichter, größer, kleiner, reicher, neuer, weiter, u. s. f.
machen. Hierher gehören auch einige wenige, welche aus Vor- und
Nebenwörtern gebildet worden; erübern für erübrigen,
erwiedern. Doch alle diese Zeitwörter gehören eigentlich nicht
hierher, sondern zu den Endsylben en und n. Wohl aber,2. Diejenigen Verba, wo
vermittelst der Sylbe eren und zusammen gezogen ern, neue Zeitwörter, so
wohl aus Nennwörtern, als auch aus andern Zeitwörtern gebildet
werden. Diese Verba sind,1) Faetitiva, und bedeuten alsdann ein Versetzen in
denjenigen Zustand, welchen das Neutrum, aus welchem sie gebildet werden,
andeutet. Fasern, in Fäden zerlegen, von dem Neutro fasen; räuchern
von rauchen; stänkern, stinken machen; einschläfern, schlafen machen;
erörtern, zu Ende bringen, von dem veralteten orten, sich endigen;
erinnern, von dem veralteten innen, gewahr werden; folgern, folgen machen;
steigern, dem Werthe nach steigen machen; aufstäubern, aufstöbern,
aufstöpern, stauben, aber in Gestalt des Staubes aufsteigen machen, und
andere mehr.2) Imitativa, eine Nachahmung derjenigen Sache zu bezeichnen,
welche das Stammwort ausdruckt. Die Zeitwörter dieser Art kommen von
Nennwörter her, und sind größten Theils niedrig. Männern,
sich wie ein Mann bezeigen; kindern, kindisch thun; kälbern, sich wie ein
Kalb geberden.3) Frequentativa und Continuativa, die mehrmahlige Wiederholung
oder Fortsetzung einer Handlung auszudrucken, welche aus Zeitwörtern
gebildet werden. Zögern, zäckern, von ziehen, flistern, flackern,
flattern, seigern und siekern von seihen, ablockern, abluckern von locken,
schlenkern, schelfern, schlaudern, schlottern, bebern und bobern von beben,
blinkern von blinken, klettern von dem veralteten kletten, lauern von lauen,
lugen, sehen, poltern, wandern, erschüttern, maustern von mausen,
schlummern von dem veralteten schlummen, klempern, klimpern, plaudern,
plappern, stolpern, räuspern, schnattern, beschnuppern von beschnauben,
stammern, im gemeinen Leben für stammeln, stochern, walgern, weigern,
zittern, zwitschern, das Oberdeutsche raitern, reitern, sieben, von reden,
raiten, lodern, und viele andere mehr, besonders in den gemeinen Mundarten,
welche einen großen Reichthum von dergleichen Zeitwörtern besitzen.
Viele derselben sind zugleich onomatopöitika und ahmen den Schall nach,
der dadurch ausgedruckt werden soll.4) In einigen scheinet diese Endung
bloß die Versetzung oder das Gerathen in denjenigen Zustand zu bedeuten,
welchen das Stammwort bezeichnet. Äschern, in Asche verwandelt, oder mit
Asche bestreuen, liesern, geliesern, gerinnen, zu Lab werden, altern, alt
werden, dämmern, und vielleicht noch andere mehr. Erweislicher sind,5) Die
Desiderativa, welche eine Neigung, ein Verlangen nach dem Zustande des
Stammwortes ausdrucken. Die Zeitwörter dieser Art werden am
häufigsten als Impersonalia gebraucht. Es schläfert mich, es hungert
mich, es lüstert, gelüstert ihn. Die niedrigen und gemeinen Mundarten
haben eine Menge solcher Zeitwörter, einen natürlichen Trieb, oder
sinnliche Neigung zu einer Sache auszudrucken; z. B. es kotzert mich, es
lächert mich, ich möchte lachen, es essert, fressert, niesert mich u.
s. f. Einige werden auch persönlich gebraucht; die Kuh rindert, verlanget
nach dem Ochsen, das Mädchen männert, verlanget nach dem Manne, der
Mensch weibert u. s. f. Von [
1921-1922] andern sind auch
Nebenwörter auf -erlich üblich; lächerlich, weinerlich, es ist
mir esserlich, nieserlich u. s. f. Doch alle diese Wörter, lächerlich
ausgenommen, gehören in die niedrigste Sprechart. Die Desiderativa der
Lateiner auf rio kommen mit diesen Zeitwörtern überein.In allen
diesen Verbis ist ern aus eren mit Wegwerfung des letzten e entstanden. Einige
harte Mundarten behalten dieses letzte e und werfen dafür das erste weg;
dauren, mauren, versichren, erinnren, erneuren u. s. f. Allein man darf nur ein
mittelmäßiges Gehör haben, diesen harten Übelklang zu
empfinden.
S. auch -En. Was die Bedeutung dieser Sylbe betrifft,
denn ein leerer Ton ist sie doch gewiß nicht, so läßt sich
selbige nur muthmaßen. Vielleicht gehöret sie zu dem alten Worte ar,
arn, welches sich fast in allen Europäischen Sprachen findet, und
überhaupt ein Thun, Verrichten, oft aber auch ein Seyn und Werden
bedeutet. Selbst die Endung an den Desiderativis leidet diese Ableitung, weil
das Angels. eorn, welches gern bedeutet, gleichfalls zu dieser Familie
gehöret.
S. Ernst, Arbeit, Ernte.II. Die Beywörter, welche
sich auf ern endigen, bedeuten insgesammt eine Materie, aus welcher eine Sache
bestehet. Diejenigen Beywörter gehören nicht hierher, welche
vermittelst der Endsylbe en oder n aus den Hauptwörtern auf er gemacht
werden, wie kupfern, ledern, silbern, eisern, von dem alten Iser, Eisen, ehern,
von dem alten Er, Eher, Erz, u. s. f.
S. -En; sondern nur diejenigen, welche sich auf ein ern
endigen, ungeachtet ihre Stammwörter kein er am Ende haben. Dergleichen
sind, gläsern, hölzern, beinern, drähtern, stählern,
zinnern, thönern, ströhern, bleyern, steinern, fleischern,
knöchern, wächsern u. s. f. Bey der Endung -En ist bereits angemerket
worden, daß diese Endung den Ober- und Niedersachsen vorzüglich eigen
ist, und daß die Oberdeutschen die meisten Beywörter dieser Art auf
-en oder -in machen. Frisch ging gar so weit, daß er alle diese
Beywörter verwarf, und der Oberdeutschen Form den Vorzug gab. Allein wenn
dieß in allen ähnlichen Fällen gelten sollte, so
müßten die Hochdeutschen ihre ganze Mundart nach der Oberdeutschen
umbilden. Ob man gleich nicht sagen kann, woher das r in diese Endung gekommen,
so ist sie doch alt, und findet sich bey dem Ottfried und andern
Fränkischen Schriftstellern sehr häufig. Man könnte auf die
Gedanken gerathen, daß in solchen Beywörtern der Plural des
Hauptwortes zum Grunde liege, indem einige Hauptwörter, von welchen
Beywörter auf ern gemacht werden, im Plural er haben, wie Glas, Holz.
Allein, viele haben im Plural kein er, die meisten haben gewöhnlich gar
kein Plural, würden ihn auch, wenn sie ihn haben könnten, nicht auf
er machen. Von einigen andern, z. B. albern, lüstern, nüchtern,
schüchtern,
S. diese Wörter selbst. [
1923-1924]