Ergehen
, verb. irreg. (
S. Gehen,) welches in doppelter Gattung üblich ist.
I. Als ein Activum. 1) * Gehend einhohlen; eine im Hochdeutschen veraltete
Bedeutung.
Theuerdank der mocht sy (die wilde Sau) nit ergan Dann er
allein zu fuessen was, Theuerd. Kap. 19.
2) Bis zu Ende gehen; nur im Oberdeutschen. Der Weg ist mir
zu weit, ich kann ihn nicht ergehen. 3) Durch Gehenerhalten. Was werde ich mir
damit ergehen? 4) Sich ergehen, als ein Reciprocum, sich eine Bewegung des
Leibes machen, im gemeinen Leben zuweilen sich ausgehen; eine im Hochdeutschen
unbekannte, im Oberdeutschen aber noch sehr übliche Bedeutung. Sich nach
dem Essen ein wenig ergehen.
Ihr Bäume,So oft ich hier bey euch mich pflege zu
ergehen, Opitz. Und sich bey den frischen Quellen In dem Grünen zu ergehen,
ebend. Die Gegend ist so schön, Daß hier die Musen sich ergehn, Uz.
Sollte es den Hochdeutschen gefallen, diesen Gebrauch in ihre
Mundart aufzunehmen, so würden sie das ausländische spaziren gehen
entbehren können.II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte seyn, aus
einem Orte gehen, doch nur in verschiedenen figürlichen Bedeutungen. 1)
Bekannt werden, bekannt gemacht werden, von Befehlen, gerichtlichen Urtheilen,
für das im gemeinen Leben übliche ausgehen u. s. f. Es ist ein Befehl
in das Land ergangen, daß u. s. f. Einen Befehl ergehen lassen. Er erging
die Verordnung, daß u. s. f. Ein Urtheil ergehen lassen. Das Recht ergehen
lassen, ein gerichtliches Urtheil fällen. Ergehen lassen was Recht ist. 2)
Etwas über sich ergehen lassen, geduldig leiden, daß es uns
widerfahre. ich will den Schaden über mich ergehen lassen. Er hat viel
Böses über sich müssen ergehen lassen. Ober mich erga din wille,
heißt es schon bey dem Winsbeck. 3) Geschehen, besonders einen Ausgang
nehmen, im gemeinen Leben zuweilen ausgehen, nach dem Latein. evenire; eine im
Hochdeutschen größten Theils veraltete Bedeutung. Wie er uns deutete,
so ists ergangen, 1 Mos. 41, 13. Wie dein Knecht gesagt hat, so ists ergangen,
2 Sam. 13, 35. Wie es zun Zeiten und Stunden ergehen soll, Weish. 8, 8.
Ergat es las ich willen han, Reinmar der Alte. Wer mag ouch
wissen vor wies ding ergat, ebend. Vuico ist dir daz irgangen, Notker. Erge unz
iz zi guate, Ottfried.
4) In engerer Bedeutung, von der Beziehung der Begebenheiten
auf uns, eine noch im Hochdeutschen übliche Bedeutungen, wofür auch
das einfache gehen üblich ist; als ein unpersönliches Zeitwort, mit
der dritten Endung der Person. Es wird dir schlecht, wohl, übel ergehen.
Es ist ihm sehr unglücklich ergangen. Wie ist es dir bisher ergangen? Im
Oberdeutschen wird es in dieser Bedeutung mit dem Hülfsworte haben
verbunden.
Herr, wie hat es euch ergangen, Theuerd. Kap. 37. So lange dir
es hat nach deinem Wunsch ergangen, Opitz.
[
1893-1894]