Ehe
, eher, ein Umstandswort der Zeit, welches im Positive eh, ehe,
und zuweilen auch eher, im Comparative eher, und im Superlative aufs eheste, am
ehesten, lautet. Es wird,1. Eigentlich, von einer Zeit oder Begebenheit
gebraucht, welche vor einer andern vorher gehet.1) Im Positive. Ich sahe ihn,
ehe ich ihn noch hörte. Er kam zu mir, ehe ich ihn darum gebethen hatte.
Denn ehe der Herr Sodom und Gomorra verderbte, war sie wasserreich, 1 Mos. 13,
10. Ich will hin und ihn sehen, ehe ich sterbe, Kap. 45, 48. Er kam, ehe man es
sich versah. Ich merkte es, ehe du noch anfingest zu reden. Das denn oder als
dem ehe noch beyzufügen ist unnöthig, ja unrichtig, weil solches
eigentlich für den folgenden Comparativ gehöret; obgleich solches so
wohl im gemeinen Leben, als in der Deutschen Bibel häufig geschiehet. Ehe
als man sichs versiehet. Ehe als er kam. Ehe denn der Bothe kam, 2 Kön. 6,
32. Ehe denn ein König regierete, 1 Chron. 1, 43. Ehe denn die Sonne
kommt, Hiob 8, 16. Ehe denn ich hingehe, Kap. 10, 21; und an andern Orten mehr.
Er für ehe ist nur im gemeinen Leben üblich, doch pflegen es auch die
Dichter zu gebrauchen, besonders wenn ein Vocal folget. Im folgenden werden
einige Beyspiele vorkommen. Im Oberdeutschen macht man mit diesem ehe viele
Zusammensetzungen, ungeachtet es in denselben eine bloß verstärkende
Bedeutung hat. Dahin gehören, ehemöglichst, so sehr, oder so bald als
möglich, ehebaldigst, so bald als möglich ist, ehenächstens,
nächstens, ehevor, zuvor, ehegefälligst u. s. f.2) Im Comparative.
Wer eher kommt, mahlt eher, nehmlich als der andere. Je eher je lieber. Je eher
je besser. Ein Paar Tage eher oder später kommen bey einer so wichtigen
Sache in keine Betrachtung, Weiße. Warum bist du nicht eher gekommen?
Besonders mit dem Wörtchen als. Er hat mir eher geschrieben als du. Ich
hörete ihn eher, als ich ihn sahe. Er kam eher, als alle andere. Welches
auch wohl ausgelassen wird. Lottchen will nichts eher sagen, bis Herr Damis
wieder kommt, Gell. Ehedem war dieser Comparativ auch als ein Adjectiv
üblich. Thi ererun ziti, die vorigen Zeiten, Ottfried. Ererun lustani, die
vorigen Vergnügungen, Notker. Unser Frauen Tag der ehern oder erren, in
den Urkunden der mittlern Zeiten, das Fest der Himmelfahrt Mariä, zum
Unterschiede unserer Frauen Tages der letztern, wodurch das Fest der Geburt
Mariä angedeutet wurde. Doch in dieser Gestalt ist es im Hochdeutschen
längst veraltet.3) Im Superlative, in welcher Staffel es zuweilen noch als
ein Adjectiv vorkommt. Auf das eheste, mit dem ehesten, auf das geschwindeste,
mir der ersten Gelegenheit. Am ehesten. Ich fühle dieses Unglück am
ehesten, eher als irgend jemand. [
1639-1640] Mit ehester
Gelegenheit. Ehester Tagen, so bald als möglich. Doch ist dafür der
andere Superlativ erste beynahe üblicher. Denn dieses Wort hat einen
doppelten Superlativ, eheste und erste, wovon der letzte aus eheste zusammen
gezogen, oder auch unmittelbar von dem alten Positive ar, er abgeleitet ist.
Ehest wird, wie jetzt gedacht worden, bloß von der Zeit, erst aber so wohl
von der Zeit, als dem Orte und der Ordnung gebraucht.
S. dieses letzte an seinem Orte besonders.2. In etwas
weiterer Bedeutung wird ehe und eher in der Sprache des täglichen Umganges
auch absolute von einer bereits verflossenen Zeit gebraucht, für ehedem,
vormahls.
Da must ich uuerben bas den e, König Wenzel.
Besonders mit einem schwachen Nebenbegriffe der
Wiederhohlung. Er hat wohl ehe einen Reichsthaler an die Armen gegeben. Ich
weiß wohl eher, daß sie mir eine finstere Miene gemacht haben, es ist
nicht das erste Mahl, daß sie mir eine finstere Miene machen. Ich habe es
wohl eher gesehen, daß du hast gehen wollen, Gell.3. Figürlich,
für lieber, vielmehr, in welchem Verstande oft ehe, noch besser aber eher
gebraucht wird. Wir wollen ehe sterben, denn etwas wider unser väterlich
Gesetz handeln, 2 Macc. 7, 2. Die Zöllner und Hurer mögen wohl eher
in das Himmelreich kommen, denn ihr, Matth. 21, 31. Die Besatzung wollte eher
Hungers sterben, als die Stadt aufgeben. Ingleichen mit Verdoppelung des ehe
oder eher. Ehe sie den kleinen Fischbeinrock fahren ließe, ehe
bestätigte sie die Unschuld dieser Sitten mit dem Tode, Gell. Ehe er dich
zu Frau bekommen soll, ehe will ich selbst ins Consistorium gehen, ebend. Ehe
sie sich in ihrer Andacht stören läßt, eher läßt sie
Herrn Simon wieder fortreisen, ebend.
Eh ich mich von euch rühmen höre, Eh wollt ich noch
gescholten seyn, Hall.
Der Superlativ ist in dieser Bedeutung nicht üblich.Anm.
Dieses Wort lautet im Nieders. eer, im Engl. ere, im Isländ. aer, im
Angels. aere, im Holländ. eer, und gehöret vermuthlich zu dem Goth.
Air, im Schwed. Ar, im Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , frühe, der Anfang,
S. Jahr. Es ist, wenigstens im Alemannischen, von den
ältesten Zeiten an in einer doppelten Gestalt üblich gewesen; indem
es wohl eh, bey dem Willeram e, im Compar. eher, und im Superl. ehest, als auch
er, ar, im Compar. erer, erre, erero, und im Superl. erist, herist, errist,
zusammen gezogen erst, lautete. Daher kommt es vermuthlich, daß ehe und
eher noch jetzt sehr oft verwechselt, und eher häufig für den Positiv
ehe gebraucht wird. Ehedem war es auch eine Präposition, welche vor
bedeutete, in welcher Gestalt es aber veraltet ist. Ehender für ehe, eher,
in allen Bedeutungen dieses Wortes, ist Oberdeutsch. In einigen Alemannischen
Mundarten ist für ehe auch eb üblich.
S. auch Erst, Vor und Ehre. [
1641-1642]