Du
, das persönliche Pronomen der zweyten Person, welches um
Singular folgender Gestalt abgeändert wird:Nom. Du.Genit. Deiner.Dat.
Dir.Accus. Dich.Für den Plural dieses Pronomens wird gemeiniglich das Ihr
gehalten. Da diese aber von einem ganz andern Stamme herkommt, so ist es
schicklicher, dasselbe an seinem Orte besonders abzuhandeln. [
1563-1564] Der Genitiv deiner wird in einigen Mundarten, besonders im
Oberdeutschen, gern in dein zusammen gezogen, welches denn auch die Dichtkunst
um des Sylbenmaßes willen oft beybehält. Er spottet dein.
S. 2 Deiner.Eigentlich sollte man mit diesem
Fürworte alle einzelne Personen außer uns anreden. So gebrauchten
auch die ältern Völker und Sprachen dieses Wort, so gebrauchen es
noch viele auswärtige Nationen, und so bedienten sich dessen auch ehedem
die alten Deutschen. Allein die Mode und die gesellschaftliche Höflichkeit
haben hierin schon seit mehrern Jahrhunderten eine Änderung getroffen, und
heut zu Tage ist dieses Wort nur ein Zeichen theils der Vertraulichkeit, theils
der Unterwerfung, theils auch der Verachtung. Jemanden du nennen.
S. Dutzen.Was die Vertraulichkeit betrifft, so pflegen
sich Geschwister, Eheleute, und genaue Freunde, besonders solche, welche sich
beym vertraulichen Trunke brüderliche Treue zugesagt, du zu nennen. Schon
unter den Schwäbischen Kaisern war dieses Wort der vertraulichen,
aufrichtigen Liebe eigen.
Einer fraget lihte nu Warumbe ich dich heisse du Das von rehter
liebe frowe sprich Hab ich daraniender missesprochen Das las ungerochen, der
Schenke von Limpurg.
In Ansehung der Unterwerfung werden Kinder von ihren
Ältern und Vorgesetzten, niedrige Bediente und Leibeigene von ihren
Herrschaften sehr oft nur du genannt. Der Kanzelleystyl des Hauses
Österreich und vieler Oberdeutschen Höfe dutzet alle seine Minister
und Beamten.
S. Ihr.Nur die Dichtkunst hat die Gewohnheit der Alten
beybehalten, und redet alle Personen, die höchsten nicht ausgenommen, mit
du an. Auch das höchste Wesen, Verstorbene, und alle unsichtbare und
abstracte Dinge, wenn sie als Personen angesehen und eingeführet werden,
sind von der Tyrannen der modischen Höflichkeit gleichfalls ausgenommen,
und heißen auch in Prosa du.Du gehöret zu denjenigen Pronominen,
welcher gewisser Maßen Hauptwörter sind, und daher kein anderes
Hauptwort neben sich leiden, außer wenn solches in Gestalt einer
Apposition vorhanden ist. So hört man oft im gemeinen Leben, du Bruder, du
Carl u. s. f. welche Ausdrücke elliptisch sind, für: du, der du mein
Bruder bist; du, der Carl heißt. Wenn es hinter dem Verbo stehet, und sich
dieses mit st endiget, wird es im gemeinen Leben oft an dasselbe
angehänget. Willstu, kommstu, für willst du, kommst du; doch pflegt
man nicht gern so zu schreiben. Eben so oft ziehet die vertrauliche Sprechart
dasselbe mit es zusammen. Mußt dus nicht selbst gestehn? für:
mußt du es nicht selbst gestehn?Die gemeine geschwinde Sprechart
lässet dieses Pronomen zuweilen vor den Verbis weg. Logau und einige
neuere Dichter haben dieses in der vertraulichen und scherzhaften Dichtung
nachzuahmen gesucht.
Welch ein Jammer, o Sperling! armer Sperling! Haft gemacht,
daß mein trautes Mädchen ihreLieben Äugelein sich ganz roth
geweint hat, Raml.
in der Übersetzung des bekannten Gedichtes aus dem
Catull. Allein, es ist zu wünschen, daß diese Ellipse nicht zu stark
gebraucht werde, weil sie der Natur der Deutschen Sprache völlig zuwider
ist, und dem Gehöre gewiß wenig Anmuth verursacht.Der Dativ dir wird
in der niedrigen vertraulichen Sprechart, besonders wenn man etwas mit
Verwunderung erzählet, von Personen, welche sich du zu nennen pflegen,
sehr oft überflüssig gesetzt. Das ist dir eine Kunst, Rost.
Das war dir selbst Damöt, der hatte sich verkleidet,
Rost. Es ließ dir auch recht frey, ebend. Er weiß dir alle Mahl was
neues anzugeben, ebend.
Anm. Dieses Pronomen ist sich in allen Europäischen
Mundarten ähnlich geblieben. Bey dem Ulphilas lautet es thu, bey dem Kero,
Isidor und Ottfried du, thu, und im Accus. dih, dhih, im Angels. thu, im Engl.
thou, im Holländ. Nieders. Dän. und Schwed. du, im Isländ. thu,
im Wallis. ti, im Bretagnischen te, im Slavon. ty, im Latein. tu, im Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image -
und bey den Doriern -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , im Franz. toi, im Pers. tu u. s. f. Nigidius, ein
Römischer Sprachlehrer, behauptete schon, dem Gellius B. 10, Kap. 4 zu
Folge, die Fürwörter ego, nos, tu, vos, wären natürliche,
der Sache selbst angemessene Töne. Bey den beyden ersten ziehe man den
Athem und die Lippen in sich selbst, sein eigenes Individuum dadurch
anzudeuten; bey den beyden letztern aber bewege man beydes gegen den, mit
welchem man spreche. [
1565-1566]