Deuten
, verb. reg. welches in doppelter Gattung üblich ist. I.
Als ein Activum. 1. Eigentlich, zeigen, weisen. Mit den Fingern auf jemanden
deuten, auf ihn zeigen. Daß man mit Fingern auf sie deut, Hans Sachs. In
dieser im Hochdeutschen seltenen Bedeutung ist es noch im Oberdeutschen
gäng und gebe. 2. In weiterer Bedeutung, ein Zeichen geben. Mit den Augen
deuten, d. i. winken. Mit der Hand zu schweigen deuten. Winket mit Augen,
deutet mit Füßen, zeiget mit Fingern, Sprichw. 6, 13. Wer mit den
Augen winket, denket nichts Gutes, und wer mit den Lippen deutet, vollbringet
Böses, Kap. 16, 30. Auch diese Bedeutung ist nur noch im Oberdeutschen
üblich. 3. Figürlich. 1) Anzeigen, zu erkennen geben. Das sagte er
aber, zu deuten, welches Todes er sterben würde, Joh. 12, 33. Damit der
heilige Geist deutet, daß u. s. f. Gör. 9, 8. Und er stund auf, und
deutete durch den Geist eine große Theurung, Apostelg. 11, 28. Dieser
Gebrauch gehöret im Hochdeutschen gleichfalls unter die veralteten. 2)
Auslegen, erklären. Einen Traum deuten. Etwas übel, zum Besten
deuten. Alles zum Ärgsten deuten. Man hat ihm das für einen Hochmuth,
oder als einen Hochmuth gedeutet. Eine Sache auf etwas deuten, sie davon
erklären, als eine Vorbedeutung von derselben ansehen. Der viel Sprachen
deuten [
1469-1470] kann, Opitz. Daher die Deutung, die
Auslegung, die Erklärung.II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte
haben. 1. * Gerichtet seyn; im Oberdeutschen. Der Schweif des Kometen deutet
gegen Osten, oder nach Osten. 2. Figürlich, ein Zeichen, ein Vorbild von
einer Sache seyn; gleichfalls nur im Oberdeutschen. Im alten Testamente deutete
vieles auf Christum. Was rund ist, deutet auf die Vollkommenheit, Gryph.
S. Bedeuten.Anm. In der letzten Bedeutung kommt diudan
für bedeuten schon in dem alten Gedichte auf den heil. Anno vor. Für
auslegen aber gebraucht bereits Notker diuten. Weil die Oberdeutsche Bedeutung
des Zeigens, Weisens, fast allen unsern und fremden Wortforschern unbekannt
gewesen ist, so haben sie auch in Ableitung dieses Wortes fast insgesammt den
rechten Weg verfehlet. Die Bedeutung, eines körperlichen Zeigens,
dergleichen das Zeigen mit dem Finger ist, ist vermuthlich die erste und
älteste Bedeutung dieses Wortes, welche auch das Ital. additare, und das
veraltete Französ. addicter, haben, wenn man dieses nicht lieber von
digitus, ein Finger, herleiten will. Alsdann könnte man es füglich
von stoßen, Nieders. stöten, herleiten, welches nicht zu allen Zeiten
mit dem Zischlaute ausgesprochen worden, da doch das Zeigen mit dem Finger eine
Art des Stoßes ist. Allein es ist glaublicher, daß deuten das
Intensivum von einem veralteten Verbo tihen ist, von welchem unser zeihen,
zeigen, zeichen abstammen, welches noch in dem Isländischen tia, bedeuten,
vorhanden ist, und schon bey dem Ulphilas gateihan, in eben dieser Bedeutung
lautet.
S. Zeihen, Zeigen und Zeichen. Das Angels. Getheode und
das Fränkische Gethiuti wurden auch von der Sprache gebraucht, weil doch
diese ein Zeichen der Gedanken ist. Das veraltete Deut, Thiot, Volk,
S. Deutsch, scheinet mit diesem Worte eben so wenig
Verwandtschaft zu haben, als das Nieders. düten oder tüten, auf einem
Horne blasen, welches letztere eine bloße Nachahmung des Schalles ist.
Übrigens gehet das Zeitwort im Oberdeutschen irregulär; Imperf. ich
ditte, Mittelwort geditten, für gedeutet. Im Schwed. und Isländ.
bedeutet tyda und thyda so wohl bedeuten, als auslegen. [
1471-1472]