Die Chur
, (sprich Kur, und so in den Zusammensetzungen,) plur. die -en,
ein in dem gemeinen Gebrauche der Hochdeutschen veraltetes Wort, welches ehedem
theils die freye Wahl bedeutete, oder die Gewalt zwischen zwey oder mehrern
Dingen wählen zu können, die Chur haben, die freye Wahl habe; theils
die Wahl oder Erwählung selbst; theils aber auch die durch freye Wahl und
Entschließung der Obrigkeit und Unterthanen bestimmten Gesetze und fest
gesetzten Strafen auf die Übertretung derselben,
S. Willkühr. Diese Bedeutungen hat nicht nur das
Nieders. Köhre noch jetzt, sondern sie sind auch noch in verschiedenen
Zusammensetzungen üblich, die an manchen Orten noch völlig gangbar
sind, und wovon einige im folgenden vorkommen werden.Am häufigsten wurde
dieses Wort im Hochdeutschen noch gebraucht, von der freyen Wahl eines Hauptes
des Deutschen Reiches, und da bedeutet es nicht so wohl diese selbst, als
vielmehr, 1) das Recht, das Oberhaupt des Reiches wählen zu dürfen,
nebst allen dazu gehörigen Vorrechten, Würden und Ländern, in
welchem Falle es im Plural nicht gebräuchlich ist. Mit der Chur beliehen
werden, d. i. mit der churfürstlichen Würde und Ländern. Die
Chur haftet auf das Herzogthum Baiern. 2) Dasjenige Land, mit welchem Besitze
dieses Recht verbunden ist, auf welches dieses Recht haftet. Mit der Chur
Brandenburg beliehen werden. Noch mehr aber in den Zusammensetzungen,
Chur-Brandenburg, Chur-Sachsen, Chur-Mainz, Chur-Trier u. s. f. das
Churfürstenthum Brandenburg u. s. f. in welchen Zusammensetzungen das Wort
Chur als ein eigenthümlicher Nahme angesehen und ohne Artikel gebraucht
wird. Oft bezeichnen diese Ausdrücke auch den Fürsten, der ein
solches Churland besitzet, oder dessen Gesandten. Chur-Mainz hatte das
Directorium auf dem Reichstage zu Regensburg, d. i. der Churfürst zu
Mainz. Chur-Baiern erklärete u. s. f. das ist, der Gesandte der
Churfürsten von Baiern.Anm. Dieses Wort stammet von dem Verbo köhren,
wählen, her, welches in den ältesten Zeiten nur choren geschrieben
und gesprochen wurde.
S. Köhren und Kiesen. In demHauptworte hat sich das
ch, Trotz aller Versuche der Sprachlehrer und Kunstrichter, beständig
erhalten; vermuthlich, weil es in der Bedeutung der Deutschen Königswahl
in der Alemannischen Mundart jederzeit am häufigsten gebraucht worden. In
vielen Städten heißt die Rathswahl noch jetzt die Chur oder
Kühr, und in manchen Obersächsischen Dörfern ist die Kühr
eine kleine Geldstrafe, die derjenige erlegen muß, der auf Erfordern des
Richters bey der Zusammenkunst der Gemeine ausbleibet. [
1333-1334]