Büßen
, verb. reg. welches in dreyfacher Gattung üblich ist.I.
Als ein Activum. 1. Ausbessern, verbessern, in der eigentlichsten Bedeutung.
Die Lücken an der Mauer büßen, Nehem. 4, 5, ausbessern. Daher
sagt man noch jetzt im gemeinen Leben, die Lücken büßen
müssen, oder Lückenbüßer seyn, eines andern Versehen wieder
gut machen, eines andern Stelle vertreten müssen. Außer dieser
Redensart ist es im Hochdeutschen veraltet, nicht aber im Oberdeutschen, wo man
noch jetzt alte Kleider, böse Wege u. s. f. büßet, d. i.
ausbessert.
S. Ausbüßen, und Bußstück. 2. Den
zugefügten Schaden ersetzen, in welcher jetzt fast veralteten Bedeutung
man ehedem sagte, einen büßen, und einen Schaden büßen.
Laß die Strafe, die ich erduldet habe, meine Beleidigung büßen,
Dusch.
Froven guete mannen kumber buesset, Markgr. Otto von
Brandenb. Das ich sie sehen muesse, Vnd alle ir sorge buesse, Reinmar der
Alte.
Ingleichen für etwas genug thun. er büßet mit
seinem Leben. Und selbst mit deinem Blute sollst du dieses Beleidigung
büßen, Weiße. Mit dem Tode wettet man den Richter und
büßet den Kläger, welcher alte Rechtsspruch den Unterschied
zwischen Buße und Wette deutlich an den Tag leget.
S. auch das folgende Neutrum. Wi mag si die sunde
buissen? Ulrich von Winterstetten. 3. Befriedigen, von Empfindungen und
Leidenschaften, welcher Gebrauch vermuthlich eine Figur der vorigen Bedeutung
ist. Darum, daß die Philister gerochen haben, und den alten Haß
gebüßet - - am Schaden meines Volks, Ezech. 25, 15. Da aßen sie
und wurden allzusatt. Er ließ sie ihre Lust büßen. Da sie nun
ihre Lust gebüßet hatten, u. s. f. Ps. 78, 29, 30. Denn es kamen
ihnen Wachteln vom Meer, ihre Luft zu büßen, Weish. 19, 12. In dieser
Bedeutung ist es in der Redensart seine Luft büßen, im Hochdeutschen
noch am üblichsten, obgleich solche nur im gemeinem Leben
gebräuchlich ist. Ottfreid gebraucht es von dem Hunger und dem Durste:
Ir gebuaztut in uuarThurst inti hungar, B. 5, Kap. 20,
ihr stilletet mir den Hunger und Durst. Obgleich
büßen in allen diesen Bedeutungen ein wahres Activum ist, so ist es
doch in den beyden letztern im Passivo nicht gebräuchlich.II. Als ein
Factitivum, zur Ersetzung des zugefügten Schadens anhalten, an Gelde
strafen, und in weiterer Bedeutung überhaupt strafen. So sollen die
Ältesten der Stadt den Mann [
1277-1278] nehmen und
züchtigen und um hundert Seckel Silbers büßen, 5. Mos. 22, 19.
Und büßte das Land um hundert Centner Silbers, 2. Chron. 36, 3. In
dieser Bedeutung ist es nur noch in den Niedersächsischen Gerichten
üblich. Ehedem gebrauchte man es auch in weiterm Verstande von
Leibesstrafen. Inan gibuoztan vorlazza, ich will ihn gezüchtiget
entlassen, ihn züchtigen und los lassen, Tat.III. Als ein Neutrum, mit dem
Hülfsworte haben, Strafe leiden. er muß jetzt dafür
büßen. er soll mir schon dafür büßen. Er hat sein
Verbrechen genug büßen müssen. Wenn die Obrigkeit sündigt,
müssen die Unterthanen büßen. Bey ihnen kann man das
Vergnügen über ungerechte Schmeicheleyen hart genug büßen.
Wenn jemand schuldig ist, so laß die Schuld mich
büßen, Weiße.
Diese Bedeutung hänget mit der zweyten thätigen
genau zusammen, ja sie ist nur eine Figur derselben.Anm. Büßen in
Oberschwalben buaßen, bey dem Ottfried buazen, bey dem Kero puazzen, im
Nieders. hören, im Dän. bode, im Schwed. bota, im Isländ. baeta,
im Angels. bote, bedeutet eigentlich physisch bessern, oder verbessern, und
hernach den zugefügten Schaden ersetzen. Ottfried gebraucht es auch
für Buße thun im theologischen Verstande. Es stammet von dem alten
baß, in den Sächsischen und damit verwandten Mundarten hat, besser,
her, welches aber auch als ein Hauptwort üblich war, und Nutzen bedeutete,
wie noch das heutige Nieders. Bate, und Holländ. Bate.
S. Besser. Das Hauptwort, die Büßung, kann so
wohl in den Bedeutungen des Activi als auch in der Bedeutung des Neutrius
gebraucht werden. [
1279-1280]