Borgen
, verb. reg. act. eine bewegliche Sache als ein Darlehen nehmen,
und als ein Darlehen geben. 1. Als ein Darlehen nehmen. 1) Eine Sache als ein
Darlehen nehmen, um sie wieder zu geben, entlehnen. Etwas von einem borgen. Ein
Kleid, einen Hut, Getreide von jemanden borgen. Geld borgen, es als ein
Darlehen aufnehmen. Geborgtes Geld. Etwas auf eines andern Nahmen borgen. Er
borget bey allen Leuten, nimmt bey allen Leuten Geld auf. Ein geborgter
Meister, bey den Handwerkern, ein Obermeister, der in einem
außerordentlicher Falle nur auf kurze Zeit erwählet wird. 2) Eine
Waare nehmen, um den Werth derselben in einer gewissen Zeit in Gelde zu
erstatten, auf Borg, auf Credit kaufen. Waaren borgen, sie nicht gleich
bezahlen. 2. Als ein Darlehen geben. 1) Einem eine Sache als ein Darlehen
geben, sie ihm leihen. Einem ein Pferd, sein Kleid, Getreide borgen. Einem Geld
borgen. 2) Eine Waare geben, so daß der Werth derselben erst nach einer
gewissen Zeit bezahlet werde, auf Borg, auf Credit geben; verborgen. Einem
Waare borgen. Ich borge nicht, ich gebe keine Waaren ohne bare Bezahlung weg.
Sprichw. Lange geborgt ist nicht geschenkt.Anm. In beyden jetzt
angeführten Hauptbedeutungen lautet dieses Wort im Nieders. gleichfalls
borgen, im Engl. to borrow, im Angels. borgian, im Holländ. borghen, im
Dän. borge, im Schwed. borga. Borgen oder entlehnen, kommt in dem
Schwabenspiegel vor. Bey ältern Oberdeutschen Schriftstellern wird es sich
in dieser Bedeutung wohl nicht leicht finden. Dagegen kommt es bey ihnen in
andern Bedeutungen desto häufiger vor. Z. B. 1) Für sich hüthen.
Ze porgene ist, man muß sich hüthen, Kero. Piporakemes, wir wollen
uns hüthen, ebend. Der iro ne borget, der sich nicht vor ihr hüthet,
Notk. 2) Sich erinnern. UUer magiro giborgen, wer mag sich ihrer erinnern?
Notker. 3) Ansehen, achten. Niemannis ne borgist, du siehest keines Person an,
Notker. 4) Versagen, welche Bedeutung bey dem Ottfried B. 2, Kap. 22, und Kap.
18, vorkommt. 5) Bürge werden, versprechen, gut sagen; welche Bedeutung
dieses Wort ehedem im Niedersächsischen hatte, wie aus dem
Bremisch-Nieders. Wörterb. und Ölrichs Gloss. ad Stat. Bremens.
erhellet.
S. Bürge. 6) Harren, warten, welche Bedeutung es
noch in Baiern hat.
Das ich der rede gegen ir so lange borge Das ist des schuld si
ist so guot, Graf Werner von Homberg.
Aus diesen zum Theil sehr verschiedenen Bedeutungen erhellet,
daß bergen, borgen, und Bürge genau verwandt sind; ob sich gleich die
Grade dieser Verwandtschaft nicht so leicht werden bestimmen lassen. Gottsched,
Herr Stosch, die Verfasser der Greifswald. krit. Versuche, und des Hamb.
gemeinnützigen Magazins haben den Unterschied zwischen borgen, so fern es
als ein Darlehen nehmen oder geben bedeutet, und zwischen leihen und
lehnen [
1125-1126] fest zu setzen gesucht, aber sich dabey
um die Erforschung der ersten eigentlichen Bedeutung unbekümmert gelassen,
ohne welche doch jener unmöglich bestimmet werden kann. Der Sprachgebrauch
entscheidet hier nichts, weil derselbe von keinem andern Unterschiede etwas
weiß, als daß borgen mehr der Sprache des Umganges, als der edlern
und höhern Schreibart angemessen ist. Das Hauptwort der Borger, derjenige,
welcher von einem andern borget, kommt zwar Es. 24, 2, vor, allein im
Hochdeutschen ist es nur in der R. A. üblich: ein Borger muß auf den
Zahler denken. Im Nieders. bedeutet Borge, und Borgmann einen
Gläubiger. [
1127-1128]