* Bieder
, ein veraltetes Bey- und Nebenwort, welches eigentlich
üblich, dann aber auch fromm, tugendhaft, rechtschaffen, ehrlich, tapfer
bedeutete, und ehedem sehr häufig gebraucht wurde. In dem alten Liede: O
Mensch bewein dein Sünde groß! heißt es noch V. 12 den Menschen
auch Herodes sah, und achtet ihn für bieder.
Wer gar zu bieder ist, bleibt zwar ein redlich Mann, Bleibt
aber wo er ist, kommt selten höher an, Logau.
Man machte mit diesem Worte ehedem sehr viele
Zusammensetzungen. Ein redliches, rechtschaffenes Herz heißt bey dem Logau
ein Biederherz. Biederweib wurde ehedem mehrmahls für eine rechtschaffene
Frau gebraucht. Eine der bekanntesten war Biedermann, einen ehrlichen, frommen,
rechtschaffenen Mann zu bezeichnen, oft aber auch einen Mann, den man jetzt mit
einem ausländischen Worte einen Patrioten nennet. Die dunkele
Vieldeutigkeit dieses Wortes ist ohne Zweifel Ursache, daß man es hat
veralten lassen, zumahl da man für jede seiner dunkelen Bedeutungen jetzt
bestimmtere Ausdrücke hat. Es ist daher nicht zu billigen, wenn manche
neuere Schriftsteller dieses alte Wort wieder einzuführen gesucht haben.
Unedler Ruhm und unverdiente Schande, O waget euch an keinen
Biedermann! Hagedorn,
der dieses Wort mehrmahls gebraucht. Andere haben sogar neue
Zusammensetzungen damit versucht.
So konnte schon voraus sein Biedermund nicht schweigen,
Rost. in Biederfürst kennt seine Schwäche, Lichtw.
Anm. Die älteste Form dieses Wortes ist biderve oder
bitherbe. Kero hat schon das Verbum piderban für nützlich seyn,
nützen, und die Substantiva Biderve, Nutzen, Bederbheit, Redlichkeit,
Tapferkeit, Biderkeit, Rechtschaffenheit u. s. f. kommen in den Schriften der
mittlern Zeiten häufig vor. Man leitet es gemeiniglich von derb, fest,
dauerhaft, ab, und da würde die erste Sylbe das Vorwort bey oder be seyn.
S. Frischens Wörterbuch und Schilters und Wachters
Gloss. Eine lange aber herzlich schlechte Abhandlung von diesem Worte
stehet in den Krit. Beytr. Th. 2, S. 309 f. [
1003-1004]