Arm
, ärmer, ärmste, adj. et adv. welches überhaupt
den Zustand der Beraubung einer Sache ausdruckt, und zwar,1. In eigentlicher
Bedeutung, des zeitlichen Vermögens beraubt. Ein armer Mensch, ein armer
Mann, eine arme Frau. Arm seyn. Arm werden. Einen arm machen. Der ist nicht
arm, der wenig hat, sondern der, welcher viel begehret. Er hat arm geheirathet,
eine arme Person. Besonders der, welcher wegen Alter oder Leibesschwachheit
seinen nothdürftigen Unterhalt nicht erwerben kann, in welchem Verstande
besonders das Substantiv ein Armer genommen wird. Der Armen gutes thun. Es ist
ein Armer da. Wofür man im gemeinen Leben auch wohl das Neutrum ein Armes
gebraucht. Es ist ein Armes da.
Daß jener diesen hier, der Junker einen Bürger, Und
der den Bauersmann, der Reich ein Armes haßt, Opitz.
Arm wird in dieser Bedeutung mit mancherley
Einschränkungen gebraucht. 1) In der weitesten Bedeutung nennet man einen
jeden arm, der Mangel am Überflusse leidet, im Gegensatze des Reichen. 2)
In etwas engerer Bedeutung ist der arm, der seinem Stande nicht gemäß
leben kann. 3) In noch engerm Umfange der Bedeutung, welche zugleich die
gewöhnlichste ist, wird nur der für arm gehalten, welcher an der
Nothdurft Mangel leidet, sich aber doch dieselbe von Zeit zu Zeit zu
verschaffen weiß; dürftig. Und endlich 4) in der engsten Bedeutung,
welche besonders in den Rechten Statt findet, theils der, der ohne sein
Verschulden in diesen Zustand gerathen ist, theils auch der, der wegen
physischer Unmöglichkeiten nicht im Stande ist, seinen nothdürftigen
Unterhalt zu erwerben. In diesem Grade arm, heißt im gemeinen Leben auch
blutarm, oder bettelarm.2. In figürlicher Bedeutung. 1) Einer jeden andern
Sache beraubt, da denn die letztere mit der Präposition an ausgedruckt
wird. Arm an Freunden. Arm an Freuden. Arm an Troste. Wer war reicher als
Xerres, und wer war ärmer an Zufriedenheit als er, Dusch. Eine arme
Sprache, welche Mangel an Wörtern hat. Ein armer Gang, ein armes Erz, in
den Bergwerken, welches wenig Metall enthält. In der biblischen R. A. arm
an Geiste, zeiget an den Sitz der Armuth an, so wie arm an Geist, die mangelnde
Sache, d. i. Geist oder Witz andeutet. 2) Unglücklich, beklagenswerth. Der
arme Mensch! eine gewöhnliche Redensart, einen Unglücklichen zu
beklagen. Ein armer Sünder, ein zum Tode verurtheilter
Übelthäter, bey den Theologen aber ein Sünder, der ein lebhaftes
Gefühl von seinem Elende hat. Im gemeinen Leben wird arm in dieser
Bedeutung oft sehr verschwendet, und von einer jeden Person gebraucht, mit
welcher wir einiges Mitleiden haben. Ein armes unerfahrenes Mädchen. Ich
arme kranke Frau möchte vor Ärgerniß vergehen! Gell. Der Himmel
vergebe es ihnen, daß sie mit mir armen alten Frau so spotten, ebend. Ach
da kommt ja auch noch mein armer Mann wieder! ebend. 3) Der arme Mann, ist in
manchen Gegenden, z. B. in der Mark Brandenburg, ein Essen aus Butter und Brot.
Bey den Müllern wird das Diebesloch, wohin sie das Getreide verbergen, das
arme Männchen genannt.Anm. Arm lautet bey dem Kero aram, und kommt mit dem
Hebr. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , nackend, genau überein, dessen Bedeutung es anfänglich auch
gehabt haben mag. Das Griech. -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image - , wüste, Lat. aerumnae, sind vermuthlich
auch nicht weit davon entfernt. Arm bedeutete schon bey den Ulphilas elend,
welchen Verstand auch das Angels. earm, earming, hatte. Im Schwedischen,
Isländischen, Dänischen und Holländischen ist dieses Wort
demDeutschen völlig gleich. In den mittlern Zeiten wurden nicht allein die
Besitzer unadeliger Lehen, sondern auch alle Häusler, Beysassen, ja die
Bürger und Bauern selbst, arme Leute genannt, über welche sich die
Fürsten den Armenschutz anmaßten.
S. Schilters Gloss. v. Arm, Gönne Abhandl. davon in den
Erlang. gel. Anz. 1750, S. 45, 46. um Altes aus allen Theilen der Gesch. Th. 1,
S. 707 f. [
429-430]