Anziehen
, verb. irreg. (
S. Ziehen,) welches in doppelter Gattung üblich
ist.I. Als ein Activum.1. Anfangen an etwas zu ziehen. Die Glocken anziehen.
Die Pferde anziehen lassen. Die Pferde wollen nicht anziehen.2. Eine Sache an
oder auf die andere ziehen, besonders von Kleidungsstücken. Schuhe,
Strümpfe, Beinkleider, ein Hemd, ein Kleid anziehen. Ingleichen
metonymisch, sich anziehen, sich ankleiden, sich die gehörigen Kleider
anlegen. Anziehen hat in dieser Bedeutung etwas Niedriges bekommen, daher man
in denedlern Schreibarten statt dessen lieber ankleiden, anlegen gebraucht.3.
Heran ziehen, vermittelst eines Zuges näher bringen; und zwar, 1) in der
eigentlichen und weitern Bedeutung. Das Fenster anziehen, zu sich ziehen, es
zuschließen. Der Schwamm ziehet das Wasser an. Der Magnet ziehet das Eisen
an. Die anziehende Kraft, vermöge welcher ein Körper auch in der
Entfernung nach einer Annäherung strebet; die Anziehung, Attraction.
Ingleichen für straff ziehen, anspannen. Ein Seil anziehen, straff
anziehen. Eine Schraube scharf anziehen. 2) Figürlich. (a) Groß
ziehen und vermehren, zum künftigen Gebrauche, zur künftigen
Vermehrung aufziehen. Schafe, Kälber, Hühner anziehen. Eine durch
einen Spanischen Widder angezogene Art Schafe. Junge Eichen anziehen, durch
Ansäen. Frühen Flachs im Brachfelde anziehen, bauen. (b) Sich
anziehen, mit der dritten Endung, auf sich ziehen, auf sich deuten. Das zieh
ich mir an. Das hast du dir anzuziehen. Sie haben sich von allem diesem nichts
anzuziehen. (c) * Anführen, erwähnen. Eine Sache anziehen, ihrer
Meldung thun. Ein Beyspiel anziehen. Er hat drey Zeugen angezogen. Ein mehrmals
angezogenes Schreiben. (d) * Mit Ruhm anführen, welche Bedeutung aber, so
wie die vorige, im Oberdeutschland üblicher ist, als im Hochdeutschen. Er
weiß seinen Stand gar hoch anzuziehen, sehr zu erheben. Die sonst sehr
angezogene Clausel, salvo jure tertii.II. Als ein Neutrum, und zwar wiederum
auf eine gedoppelte Art.1. Mit dem Hülfsworte haben. Der Nagel ziehet ihn
an, sagt man, wenn ein Nagel, indem man ihn einschläget, die Theile,
welche er zusammen halten soll, gehörig verbindet. Wenn der Reif zu weit
ist, so ziehet er nicht an. Der Leim ziehet gut an, wenn er gut bindet. Daher
die im gemeinen Leben übliche Figur: Die Prügel, die Schläge
ziehen an, schmerzen. Das ziehet an! schmerzet sehr.2. Mit dem Hülfsworte
seyn, heran ziehen, langsam und mit seinem ganzen Gepäcke ankommen, und
zwar vornehmlich in einem gedoppelten Falle.1. Von dem Annähern eines
Haufen Soldaten. Das Kriegesheer ziehet bereits an. Auf den Feind anziehen.
Vornehmlich mit dem Verbo kommen. Der Feind kommt angezogen. In dieser
Verbindung wird anziehen im gesellschaftlichen Umgange auch von einem jeden
Ankommen gebraucht. Da kommen sie angezogen.
Indessen kommen auch gleich lauten Meereswogen Von der
Galanterie die Scharen angezogen, Zach.
Im Hochdeutschen findet dieser Gebrauch nur im vertraulichen
Scherze Statt. Indessen singt Gryphius ganz ernsthaft:
Komm, blasser Tod, komm angezogen, Ich fürchte dich
versichert nicht!
In figürlicher Bedeutung, aber auch nur im
gewöhnlichen Umgange, gebraucht man es auch für, vortragen, einer
Sache Erwähnung thun. Komm mir nur damit nicht angezogen, sage mir davon
nichts. Darnach, wenn sie mir mit ihrer Liebe angezogen kommen, Weiße. Ich
sehe zum voraus, daß ihr mir mit euren weisen Sittenlehren angezogen
kommt, ebend.2) Einen Dienst antreten, nicht nur von dem Gesinde, sondern auch
von höhern Bedienten, in Rücksicht auf das Gepäcke, welches man
alsdann mitzubringen pflegt, und im Gegensatze des Abziehens. Bey einer
Herrschaft anziehen. Der Bediente ist noch nicht angezogen. Der Amtmann, der
Prediger wird bald anziehen. [
407-408] Anm. Das Substantiv
die Anziehung kann in allen Bedeutungen des Activi gebraucht werden; für
die Bedeutungen des Neutrius aber gehöret Anzug. Daher auch die
Anziehungskraft, für anziehende Kraft,
S. oben. 3. 1). [
409-410]