Ansprechen
, verb. irreg. (
S. Sprechen,) welches in doppelter Gattung üblich
ist.I. Als ein Neutrum, mit haben, laut werden, einen Ton von sich geben, aber
wohl nur allein von musikalischen Instrumenten. Wenn die Canzellen in den
Orgeln Risse bekommen, so sprechen oft die Nebenpfeifen zugleich mit an.II. Als
ein Activum.1. Mit Worten anzeigen. In dieser Bedeutung kommt es nur noch bey
den Jägern vor, wo man einen Hirsch, oder eine Sau anspricht, wenn man
anzeiget, daß man sie gesehen habe. Ingleichen nennen, doch auch nur bey
den Jägern. Im dritten Jahre wird ein junges Schwein nicht mehr Frischling
angesprochen, genannt. In der Brunst wird das Schwein ein Keiler, die Sau eine
Bache, oder das Schwein für einen Keiler, die Sau für eine Bache
angesprochen. Zu frey heraus ansprechen, eben daselbst, zu voreilig urtheilen.
Daß das einfache sprechen ehedem auch so viel als nennen, ingleichen mit
Worten ausdrücken, bedeutet habe, ist an seinem Orte gezeiget worden.2. Zu
einem sprechen, die Rede an ihn richten, ihn anreden. 1) * Überhaupt,
für anreden, Nieders. anspreken, welche Bedeutung aber im Hochdeutschen
veraltet ist, ob sie gleich im Oberdeutschen häufig vorkommt. 2)
Insbesondere, mit verschiedenen Nebenbegriffen. (a) * Grüßend
anreden. Ich will mit wenig Volk kommen, friedlich, daß ich dich
anspreche, 1. Maccab. 7, 28. Da sprachen sie einander an, und blieben über
Nacht da bey einander, Kap. 11. 6. Daß ich euch sehen und ansprechen
möchte, Apostelg. 28. 20. Ingleichen für besuchen, zu einem gehen, in
welcher Bedeutung es unter andern im Schwabenspiegel Kap. 9, 2. vorkommt. In
beyden Fällen ist es im Hochdeutschen gleichfalls veraltet, nachdem es im
gemeinen Leben durch das Wort zusprechen verdränget worden. Doch sagt man
noch bey einem ansprechen, auf der Reise einen kurzen Besuch bey ihm abstatten,
bey ihm einsprechen. Er hat unter Weges bey mir angesprochen. Ich wußte
nicht, daß er bey mir ansprechen würde. (b) Bittend ansprechen. Einen
um etwas ansprechen. Einen um ein Almosen, um eine Gefälligkeit, um ein
Darlehen ansprechen. (c) * Fordernd ansprechen. Einen ansprechen, ihn vor
Gericht fordern, ihn verklagen. Etwas ansprechen, es in Anspruch nehmen, ein
Recht daran zu haben behaupten; im mittlern Latein. [
373-374] adclamare. Einen um etwas ansprechen, gerichtlich belangen. Auch diese
Bedeutung kommt nur noch zuweilen in den Gerichten vor. Ehedem war sie in Ober-
und Niederdeutschland häufiger, und in dem erstern ist sie es noch.
S. Haltaus h. v. wo auch die im Hochdeutschen
gleichfalls nicht mehr üblichen Wörter, Ansprecher, Kläffer,
Ansprechiger, Bellagter, ansprechig, worauf Anspruch gemacht wird, und
ansprechiglich, erkläret und erläutert werden. Völlig veraltet
aber ist die R. A. einen kämpflich ansprechen, ihn heraus fordern, welche
im 13ten Jahrhunderte in Schwaben gänge und gebe war. Nur die Jäger
sagen noch von den Saubellern oder Findern, daß sie eine Sau auf dem Lager
ansprechen, wenn sie selbige anbellen, und dadurch gleichsam heraus fordern,
welches auch verbeilen oder verbellen genannt wird. (b) + Das Feuer ansprechen,
für besprechen, im gemeinen Leben.Anm. Opitz sagt an einem Orte, wo er von
den Thieren spricht:
Das spitzt ein starkes Horn, der spricht die Klauen an.
Ich gestehe gern, daß dieser Gebrauch des Verbi
ansprechen, mir völlig unbekannt ist. Vielleicht enthält er ein eben
so ungewöhnliches und widersinniges Bild, als die erste Hälfte des
Verses, wo wohl niemand das Spitzen der Hörner vertheidigen
wird. [
375-376]