Anscheinen
, verb. irreg.
S. Scheinen. Es ist:I. Ein Activum, an etwas scheinen,
den Schein von sich an etwas gehen lassen, bescheinen. Die Sonne schien uns an.
Er ist nicht werth, daß die Sonne ihn anscheinet.II. Ein Neutrum, welches
das Hülfswort haben zu sich nimmt, für das einfache scheinen. 1) Das
Ansehen haben, Merkmahle eines Daseyns oder eines künftigen Erfolges von
sich geben, wovon aber im Hochdeutschen nur das Participium der
gegenwärtigen Zeit, anscheinend üblich ist. Bey anscheinender Gefahr.
Wider den anscheinender Krieg. Hätte man wohl geglaubt, daß er mit so
vieler anscheinender Hoffnung für sein Vaterland fechten sollte? Raben. In
den übrigen Modis ist es im Hochdeutschen ungewöhnlich, wenn gleich
Hermes sagt: da der Krieg so sehr wüthet, und keine Hoffnung bessere
Zeiten anscheinet. 2) Für scheinen, im Gegensatze des Seyns, wo aber auch
nur das Participium anscheinend für scheinbar eingeführet ist. Eine
anscheinende Bescheidenheit, Unmöglichkeit u. s. f.Anm. Da an in beyden
Bedeutungen des Neutrius die Oberdeutsche Verlängerung ist, so kommt
selbst das Participium anscheinend mehr in der gerichtlichen, als in der edlen
Schreibart vor. In Oberdeutschland ist anscheinen in beyden Bedeutungen von
einem uneingeschränkten gebrauche. Ja man gebraucht daselbst sogar das
Participium der vergangenen Zeit angeschienen, obgleich die Neutra, welche
haben zum Hülfsworte annehmen, dergleichen gemeiniglich nicht
verstatten. [
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