Angehen
, verb. irreg. neutr. (
S. Gehen,) welches das Hülfswort seyn erfordert. 1.
An etwas gehen, sich einer Sache gehend nähern, hinan gehen. So wohl,1)
Eigentlich, besonders mit dem Nebenbegriffe des Angreifens, und der vierten
Endung der Person. Einen mit dem Degen in der Faust angehen. Er gehet tapfer
an. Der Hund gehet Schweine an.
Bist selber angegangen, Beherzt und ungebückt, Opitz.
Ingleichen, in weiterer Bedeutung; einen bittlich, (besser
bittend oder mit Bitten) angehen, sich bittend an einen wenden. Den Richter
angehen. Wie auch für begegnen; doch nur bey den Jägern, welche, wenn
sie kreisen gehen, und ihnen nichts vom Wildprete begegnet ist, zu sagen
pflegen: mich ist nichts angegangen.Ehedem erstreckte sich diese Bedeutung noch
weiter. Denn nicht nur bey dem Kero bedeutet anakan, einher gehen, sondern auch
Ottfried gebraucht anagan für gehen schlechthin, und zu den Zeiten der
Schwäbischen Dichter war es für ankommen, sich nähern, sehr
gebräuchlich.
Der schone sumer get uns an Des ist vil manig vogel blide,
Heinrich von Veldig.
Allein heut zu Tage ist dieser ganze Gebrauch ziemlich selten
geworden, und alle oben angeführte Beyspiele sind nur im gemeinen Leben
und in der Sprache der Kanzelleyen üblich.2) Figürlich, gleichfalls
mit der vierten Endung der Person.(a) Mit etwas in Verbindung, in
Verwandtschaft stehen. Er geht mich nichts an, ist nicht mit mir verwandt,
ingleichen, ich nehme keinen Antheil an ihm. Er gehet uns in etwas an, ist
weitläufig mit uns verwandt.(b) Der Gegenstand seyn, auf welchen ein
Ausspruch, ingleichen eine Wirkung gerichtet ist, Theil an etwas zu nehmen,
Ursache haben. Die Sache gehet dich an, betrifft dich. Es gehet uns alle an.
Was einem gesagt wird, gehet auch die andern alle an. Geht das Unglück
mich an, so will ichs weit gelassener ertragen, als wenn es sie beträfe,
Gell.Das Participium angehend, adverbisch gebraucht, z. B. angehend seyn
Betragen, was seyn Betragen betrifft, ist nur in Oberdeutschland
gebräuchlich. Im Hochdeutschen wird angehen am besten nur in solchen
Fällen gebraucht, wo eine Theilnehmung des Herzens angedeutet werden soll.
In den übrigen Fällen gebraucht man lieber betreffen, oder
anlangen.(c) Von Statten gehen, gelingen, gemeiniglich unpersönlich und
ohne Endung der Person. So gehet es nicht an. In so weit es angehen wird. Es
ist sehr wohl angegangen. Ingleichen, für thunlich seyn, möglich
seyn. Es gehet an, die Liebe nicht zu empfinden, Gell. Zuweilen wird es in der
Bedeutung des Gelingens auch mit der dritten Endung der Person verbunden. Es
ist mir nicht so angegangen, wie ich geglaubt habe. Der Streich ist ihm nicht
angegangen. Aber es in diesem Falle persönlich zu gebrauchen, z. B. die
Anschläge der Gottlosen gehen selten an, ist nur im Oberdeutschen
üblich.(d) Erträglich seyn. Die Schmerzen gehen noch an. Der Verlust
wird noch angehen. Nun, das gehet noch an.2. Anfangen zu gehen, doch nur in der
figürlichen Bedeutung, für anfangen; und zwar,1) Für anfangen
überhaupt, so fern dieses ein Neutrum ist, einen Anfang nehmen. Die
Predigt ist noch nicht angegangen. Das Treffen wird halb angehen. Das Jahr, der
Sommer, der Winter gehet wieder an. Die Sache wird erst recht angehen. Geht
denn das Unglück gleich mit der Liebe an. Gell. Bey angehender Nacht. Mit
angehendem Sommer. Wie viele Schätze schließet nicht der angehende
Frühling unsern Sinnen auf!Besonders wird das Participium angehend
gebraucht, eine Sache anzudeuten, die im Begriffe ist, denjenigen Begriff zu
erreichen, den das folgende Substantiv ausdruckt. So nennet man im Forstwesen
einen angehenden Baum, denjenigen, der anfängt, ein starken Baum zu
werden, d. i. der von dreyen Gehauen her stehen geblieben ist. Ein angehendes
Schwein, heißt bey den Jägern, ein wilder Eber, der in das vierte
Jahr gehet. Auf ähnliche Art sagt man auch, ein angehender Soldat, der vor
kurzem angeworben worden; ein angehender Gelehrter, der die Höhern
Wissenschaften erlernet, ein Student. Das Lächeln ist angehender Spott.Das
davon gemachte Adverbium angehends, für anfänglich, ist nur in
Oberdeutschland üblich. Übrigens ist angehen in dieser Bedeutung des
Anfangens schon alt, weil es in derselben bereits bey dem Kero und bey dem
Ottfried vorkommt.2) Besonders, anfangen zu brennen. Es ist ein Feuer in der
Stadt angegangen. Das Nachbars Haus geht an. Bey der letzten Feuersbrunst ist
auch die Kirche mit angegangen. Ingleichen,3) Anfangen zu faulen, oder zu
verderben. Das Obst geht an. Angegangenes Obst, Fleisch u. s. f. In dieser
Bedeutung ist auch in Niedersachsen angaan üblich, wo man auch anganern
von solchen Dingen sagt, welche einen anbrüchigen Geschmack oder Geruch
haben. [
299-300] Anm. Angehen wird in der Bedeutung des
Anfanges auch zuweilen thätig gebraucht; z. B. um das Wahlgeschäft
ohne Aufschub anzugehen. Allein dieser Gebrauch ist wohl vorzüglich der
Oberdeutschen Mundart eigen. Indessen singt doch Hagedorn:
Er fordert ihn heraus, den Zweykampf anzugehen.
Ein anderer gleichfalls nur im Oberdeutschen, und besonders
in Schlesien üblicher Gebrauch dieses Verbi ist der, wenn einem angehen so
viel bedeutet, als sich von ihm betriegen lassen. Hier ist die Figur ohne
Zweifel von dem Angeln hergenommen, weil man von einem Fische, des an die Angel
des Angelers beißet, sagen könnte: er ist ihm
angegangen. [
301-302]