Der Anfall
, des -es, plur. die -fälle, von dem Verbo anfallen, so
wohl die Handlung des Anfallens, als auch die anfallende Sache, und der Ort, an
welchen der Anfall geschiehet.1. Die Handlung des Anfallens. 1) In der
eigentlichen Bedeutung des Neutrius. Der Anfall des Baumes an die Wand, der
Mauer an das Haus; wofür man aber lieber den Infinitivum das Anfallen
gebraucht. 2) In der figürlichen Bedeutung des Neutrius. (a) die schnelle
Annäherung, besonders bey den Vogelstellern, von den Vögeln. Auf
diesem Bogen ist ein guter Anfall, die Vögel kommen gern dahin. (b) Die
unvermuthete Erlangung einer Sache, besonders durch den Todesfall eines andern.
Der Anfall eines Gutes. Die Clausel auf allen ledigen Anfall, welches so wohl
in Ehestiftungen als auch in Lehensbriefen üblich ist, bedeutet daher in
jenen eine jede Erlangung einer Erbschaft, in diesen aber den Fall der
Erledigung des Lehens. 3) In der Bedeutung des Activi, der schnelle feindliche
Angriff. Der Anfall des Feindes, der feindliche Anfall: Einen Anfall auf den
Feind thun. Den Feind bey den ersten Anfällen in die Flucht treiben.
Große Leute weichen oft bey den leichtesten Anfällen. Ingleichen in
weiterer Bedeutung, der heftige Angriff oder Ausbruch einer Krankheit, einer
Leidenschaft. Der Anfall von dem Steine. Einen Anfall von dem Podagra haben.
Das allerliebste Geschlecht hat doch immer seine eigensinnigen Anfälle,
Weiße. Ich kenne schon dergleichen Anfälle von Tugend; sie gehen
vorbey, wie ein Fieberschauer, ebend. Bereiten sie ihr Herz, den
fürchterlichsten Anfällen des Schreckens und der Betrübniß
Widerstand zu thun, von Brawe. Ingleichen ungestümes Bitten. Warum soll
ich den unverschämten Anfällen eines jeden ausgesetzt seyn? Im
weitesten Verstande oft eine jede schnelle und lebhafte Wirkung auf etwas. Den
Verstand gegen so viele Anfälle der Sinne in seiner Überzeugung
erhalten.2. Dasjenige, was anfällt, doch nur in der figürlichen
Bedeutung des Neutrius, ein Gut, welches man durch einen Zufall, und besonders
durch einen Todesfall erlanget, anzudeuten; dergleichen Güter in dem
Lateine der mittlern Zeiten Caduca und Escaetae genannt wurden. Sich aller
künftigen Anfälle verzeihen. Es ist verglichen worden, daß die
künftigen Anfälle als gemeinschaftliche Güter angesehen werden
sollen. Ingleichen die Anwartschaft auf ein künftiges Gut, besonders auf
ein Gnadenlehn, und das Recht, welches daraus entspringet; das Anfallsrecht,
ingleichen, das Angefall. Den Anfall auf etwashaben. Keinen Theil noch Anfall
am Worte haben. Apostelg. 8, 21. In den Schwäbischen und Sächsischen
Lehnrechten wird auch die Vormundschaft, die der Lehnsherr über einen
unmündigen Vasallen führet, die Anefelle, das Anfall, und die
Angefelle genannt, welchen Nahmen auch die Einkünfte des Lehngutes
führen, die der Lehnsherr während dieser Zeit genießet.
S. Schilters Gloss. v. Anevellunge.3. Der Ort, und die
Sache, woran etwas fällt. So werden 1) in den Bergwerken diejenigen Breter
oder Hölzer in den Schächten und Strecken, welche das Hangende vor
dem Einfalle bewahren, der Anfall, oder im Plural die Anfälle genannt. Da
indessen dieses Wort von den Bergleuten auch Anpfahl gesprochen und geschrieben
wird, so stehet dahin, ob es nicht mit mehrerm Rechte zu dem Worte Pfahl
gehöret. 2) Auf den Vogelherden heißen diejenigen dürren
Waldbäume, welche kein Laub mehr haben, und an der einen Seite des Herdes,
wo die großen Vorläufer angemacht sind, befestiget werden,
Anfälle, weil die Vögel gern auf diese Bäume zu fallen
pflegen.Anm. Anfall, für ein angefallenes Gut und Anwartschaft, ist schon
alt. In einer Urkunde von 1300 in der Thuring. Sacra, Th. 1. S. 571, heißt
es: Omne jus successorum, quodvulgariter dicitur, anevall. Mehrere Beyspiele
hat Haltaus v. Anfall und Angefälle. Ob nun gleich dieses Wort schon in
dem Schwäbischen Lehnrechte vorkommt, so muß es doch in der ersten
Hälfte des 16ten Jahrhundertes in Oberdeutschland schon ziemlich unbekannt
gewesen seyn, weil es in der 1523 zu Basel veranstalteten Ausgabe von Luthers
neuem Testamente mit unter die unbekannten Wörter gesetzet, und durch
anteil, loß, zufall erkläret wird. [
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