Abgehen
, verb. irreg.
S. Gehen. Es ist:I. Ein Activum, und bedeutet alsdann,
(1) durch Gehen oder im Gehen absondern, abnützen. Die Absätze an den
Schuhen abgehen. (2) Durch Gehen oder mit Schritten abmessen. Einen Platz,
einen Weg abgehen. Wir haben die ganze Wiese abgegangen. (3) + Sich abgehen,
als ein Reciprocum, sich durch vieles Gehen ermüden; im gemeinen Leben.II.
Ein Neutrum, welches das Hülfswort seyn erfordert, und den Begriff der
Entfernung, der Absonderung, der Verminderung und des Aufhörens durch alle
Schattirungen der eigentlichen und uneigentlichen Bedeutungen ausdrucket.1. Der
Entfernung, und zwar theils, (a) im eigentlichen Verstande, vermittelst der
Füße, für von einem Orte gehen. Der Bothe ist abgegangen. Einen
Bothen abgehen lassen. Von dem rechten Wege abgehen. Abgehen, von der
Schaubühne abtreten.
Lisette ging betrübt zu der Gesandtschaft ab, Zach.
Theils aber auch (b) auf jede andere Art, als ein allgemeiner
Ausdruck für die besondern abreiten, abfahren, absegeln u. s. f.Die Post
geht ab. Einen Brief, eine Waare abgehen lassen, absenden. Der Courier ist
bereits abgegangen, abgeritten, abgefahren. Ich werde morgen nach Berlin
abgehen, abreisen. Mit der Post abgehen. (c) Sich entfernen überhaupt, in
einigen Fällen. Hier gehet die Straße ab. Von seinem Texte, von der
Materie abgehen, ausschweifen. (d) Käufer finden, gesuchet werden,
besonders von Waaren. Das Buch will nicht abgehen. Die Waare geht stark ab. Der
Wein gehet gut ab. Der im gemeinen Leben von einer solchen Waare übliche
Ausdruck: sie geht reißend ab, ist eine falsche Ellipse, die so viel sagen
soll, daß man sich gleichsam um sie reiße, welches aber durch das
thätige Mittelwort reißend nicht ausgedruckt wird. + Die Kinder gehen
ihm gut ab, so wohl sie werden schnell versorgt, als auch im Scherze, sie
sterben ihm schnell dahin. (e) Sich mit dem Gemüthe entfernen, anderer
Meinung seyn. Von einem abgehen, so wohl seine Partey verlassen; als auch
anderer Meinung seyn. Von eines Meinung abgehen. In dieser Sache muß ich
von dir abgehen. Hierin gehen sie von einander ab. (f) Nachgeben, von seinen
Forderungen nachlassen. Hiervon kann ich nicht abgehen. Und überhaupt,
anderes Sinnes werden. Von seinem Vorhaben, von seiner Entschließung
abgehen. Er geht nicht ab, er bleibt standhaft dabey. (g) Die Verbindung mit
jemanden aufheben. Von einem Kaufmanne, Künstler, Handwerker u. s. f.
abgehen, nichts mehr von ihm kaufen, nicht mehr bey ihm arbeiten lassen. Von
seinem Advocaten, Beichtvater, Arzte abgehen. (h) Einen Dienst, oder ein Amt
niederlegen, auch wenn es der Ordnung zu Folge auf eine Zeit geschiehet. Von
einem Amte abgehen. Der regierende Bürgermeister geht morgen ab. So sagt
man auch an einigen Orten von dem Gesinde, daß es abgehe, wenn es abzieht.
(i) Sterben, so wohl von dem Viehe: es sind ihm in diesem Jahre viele Schafe
abgegangen; als auch in edlerer Bedeutung von dem Menschen, wo es vielleicht
eine Anspielung auf das Abgehen des Schauspielers von der Schaubühne ist.
Mit Tode abgehen, und auch nur schlechthin, abgehen.
Wann aber er schleicht zu den Vätern hin Und gehet ab - -
Opitz. Geht wo ein Schulregent in einem Flecken ab, Mein Gott, wie rasen nicht
die Dichter um sein Grab! Can.
Diese Bedeutung ist nicht neu. In dem 1514 gedruckten
Deutschen Livius kommt schon die R. A. mit Tode abgehen vor, und in einem
andern zu Mainz 1518 gedruckten Buche lieset man: er ist todtshalben
abgegangen. Ingleichen im Theuerdank:
Von der ich gehört hab Wie yetzt ir Vater abMit tode sey
gegangen.
2. Der Absonderung. (a) Abgesondert werden. Von dem Holze
wird im Behauen noch viel abgehen. Die Farbe gehet ab, der gefärbte
Körper läßt färbende Theile fahren. Im Schmelzen geht von
dem Bleye viel ab. (b) Abgesondert und geschieden werden. Das Silber geht auf
der Kapelle ab, im Hüttenwesen, es wird von allem Zusatze geschieden. Der
Nagel geht mir ab. Der Urin gehet blutig ab. Es ist ihm ein Wurm abgegangen. Es
ist ihr ein Kind abgegangen, und das Abgehen der Leibesfrucht hat den Begriff
des allzu frühen Abganges einer unzeitigen Geburt bey sich, daher auch
einige Abgängling für eine solche abgegangene unzeitige Leibesfrucht
gebrauchen.3. Der Verminderung und des Mangels, und zwar (a) vermindert werden,
Abzug leiden. Von dieser Summe muß noch viel abgehen. Es geht kein Heller
ab. + Was abgeht, geht [
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fehlen. Das Geld gehet ihm ab. Einer schlechten Haushaltung gehet immer etwas
ab.
Damit ihr auch auf jenen Tag besteht, So will er das, was eurer
Lieb abgeht,Von seiner Liebe geben. Opitz. Es ging auch dieses Mahl nichts der
Bewirthung ab, Haged.Wenn Theben einst Athen der Mundart Vorzug gab, Was ging
Böotien an seiner Freyheit ab, Kästn.
Es geht ihm nichts ab, er leidet keinen Mangel. So auch, er
läßt sich nichts abgehen, er thut seinem Leibe gütlich. Oft
schließt abgehen in dieser Bedeutung auch das Gewahrwerden, die lebhafte
Empfindung des Verlustes oder Mangels ein, in welcher Bedeutung es in
Oberdeutschland sehr üblich ist, und alsdann so viel als das mehr
Niedersächsische vermissen bedeutet; z. B. es gehen mir zehn Thaler ab,
nicht bloß, sie fehlen mir, sondern, ich empfinde es, daß ich sie
verloren habe.4. Des Aufhörens, und zwar, (a) nach und nach aufhören.
Das Feuer abgehen lassen. Eine Gewohnheit abgehen lassen. In Oberdeutschland
sagt man auch ein abgegangenes, d. i. verfallenes, eingegangenes, Schloß.
(b) Einen Ausgang gewinnen, mit Beyfügung der Art und Weise; wie ablaufen.
Wir wollen sehen, wie es abgeht. Die Sache ist schlecht, gut, nach Wunsche
abgegangen. Es wird ohne Blutvergießen, ohne Thränen nicht
abgehen. [
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