Der Abfall
, des -es, plur. die -fälle; bedeutet nach Maßgebung
des verschiedenen Gebrauches des Zeitwortes abfallen, 1) im physischen Sinne.
(1) Das Fallen von einem höhern Orte, nach einem niedrigern; ohne Plural.
Der Abfall der Blätter von den Bäumen. Der Abfall des Wassers. (2)
Der Ort, durch welchen dieses Fallen geschiehet, besonders vom Wasser;
ingleichen figürlich die abschüssige Lage des Bodens, der Fall. Einem
Damme oder Pflaster den gehörigen Abfall geben. (3) Dasjenige, was von
einer andern Sache abfällt oder abgehet, besonders in figürlicher
Bedeutung. So heißen bey verschiedenenen Handwerkern die Abgänge von
ihrer Arbeit auch Abfall oder Abfälle; z. B. bey den Fleischern
verschiedene Nebentheile der geschlachteten Thiere, als Kopf, Füße,
Leber u. s. f. welche in Osnabrück Potthast, in Hamburg Hüßputt,
im Hannöv. Reßelse, an andern Orten die Zulage, das Kleine, letzteres
mit Vorsetzung des Nahmens des Thieres, von welchem es ist, z. B. Hasenklein u.
s. f. heißt. So auch der Abfall von dem Getreide, oder Spreukorn, im
Hannöv. Reß von ressen, abfallen. In Wasserwerken und
Wasserkünsten wird das überflüssige Wasser, welches abgeleitet,
oder an andere überlassen wird, gleichfalls der Abfall genannt, welchen
Nahmen auch wohl die Röhre führet, durch welche dieses Wasser
abgeführet wird. In dieser Bedeutung des Abganges sagen einige auch wohl
das Abfall.2) In moralischer Bedeutung. (1) Die bösliche Verlassung eines
rechtmäßigen Herrn oder einer Religion. Der Abfall von einem Herrn,
vom Glauben, von der Religion. Der Abfall zu dem Feinde. Einen zum Abfalle
bewegen, verleiten, verführen. Der Stolz ist nach der Vernunft ein Abfall
von der Wahrheit, Gell. (2) + Die Verschlimmerung seines
häuslichenZustandes; im gemeinen Leben. In Abfall der Nahrung kommen oder
gerathen, für Verfall. So auch in den Bergwerken, die Abnahme des innern
Gehaltes der Erze. (3) Die zufällige Abweichung von der gewöhnlichen
Beschaffenheit, die Verschiedenheit in Nebendingen. Eigentlich von der
schwächern Beschaffenheit. In einem etwanigen Abfalle von Farben in
Ansehung ihrer Lebhaftigkeit und Reinigkeit mochte die ganze Luft-Perspectiv
des Polignotus bestehen, Less. In weiterer Bedeutung aber auch eine solche
Abweichung überhaupt. Es gibt so viele Schattirungen der Empfindungen, als
Abfälle zwischen einer Habichts- und Stumpfnase, Göthe. Wo doch wegen
der Vieldeutigkeit dieses Wortes Abänderung, Abstufung u. s. f.
klärer und deutlicher sind. (4) Einschränkung, Verminderung
desjenigen, was vorher war behauptet worden. Das ist ein großer Abfall,
kommt mit der davon gemachten Hoffnung, Versicherung, u. s. f. nicht
überein. Das leidet einen starken Abfall, ist einer großen
Einschränkung unterworfen. In dieser Bedeutung findet man auch wohl den
Plural. Diese Regel leidet große Abfälle, Gottsch. (5) Bey einigen
auch so viel als Contrast. Es ist unbeschreiblich, welchen Abfall ihr Betragen
gegen ihre Kleidung machte, wie sehr es dagegen abstach. (6) Einige
Sprachlehrer haben auch die Casus der Nennwörter Abfälle nennen
wollen, aber damit wenig Beyfall erhalten. [
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