2. Gelten
2. Gelten,
[
539-540] verb. irreg. ich gelte, du
giltst, er gilt; Imperf. ich galt, (im gemeinen Leben ich golt); Mittelw.
gegolten; Imperat. gilt. Es kommt in doppelter Gestalt vor. 1. * Als Activum,
wiedergeben, so wohl die Sache selbst wiedergeben, als auch, und zwar am
häufigsten, den Werth dafür wiedergeben, erstatten, bezahlen; in welcher im
Hochdeutschen veralteten Bedeutung es ehedem sehr häufig gebraucht wurde. Bey
dem Kero ist kelten, bey dem Ottfried giltan, wiedergeben, wieder erstatten,
ingleichen bezahlen. Zins gelten, den Zins bezahlen, Ottfr. Das gilt ich ir,
das vergelte ich ihr, Reinmar der Alte.
Den schuß er mir noch gelten soll, Theuerd.
er soll mir dafür genug thun, er soll ihn entgelten. Im Goth.
gildan, im Angels. geltan, im Isländ. gialda, im Nieders. gelden, gellen, im
Schwed. gelda, im mittlern Lat. gildare. Daher bedeutet schon im Galischen
Gesetze Chalta nicht nur dasjenige, womit man ein begangenes Verbrechen
ersetzet, die Buße, Geldstrafe, wovon in weiterer Bedeutung noch unser Geld
übrig ist, sondern auch das Verbrechen selbst, wofür durch Geld genug gethan
werden mußte, und in weiterer Bedeutung eine jede Verbindlichkeit zum Ersatz
oder zur Strafe, eine Schuld, welches Wort selbst davon abstammet,
S. dasselbe. Im Hochdeutschen ist diese active Bedeutung
noch in den Zusammensetzungen entgelten und vergelten übrig. Opitz hat auch
noch eine Schuld abgelten, für abtragen. Gelter bedeutete in den spätern Zeiten
Oberdeutschlandes so wohl den Schuldner, als auch den Gläubiger. 2. Als ein
Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, einen gewissen Werth haben. 1) Eigentlich,
einen bekannten Werth haben, und wegen desselben von jedermann genommen werden.
Dieses Geld gilt bey uns nicht, dessen Werth ist hier nicht bekannt, und wird
daher nicht im Handel und Wandel angenommen. Die Louisd'or gelten überall.
Ingleichen mit Beyfügung des Werthes oder vielmehr des angenommenen Zeichens
desselben. Der Laubthaler gilt jetzt nur 38 Groschen. Was gilt das Getreide?
Die Waare gilt ihr Geld, hat einen ziemlich hohen Preis. Das Korn gilt jetzt
nichts, ist wohlfeil, hat einen geringen Preis. Auch in weiterer Bedeutung. Das
gilt dir dein Leben, du wirst es mit deinem Leben bezahlen müssen. Es gilt ihr
Leben, wenn sie es nicht beweisen kann. Was gilt die Wette? um wie viel wollen
wir wetten? Was gilts, eine im gemeinen Leben übliche Formel, eine gewisse
Vermuthung zu begleiten, gleichsam, was gilt die Wette? Was gilts, er wird
nicht kommen. Was gilts, darum hat sich das junge Herrchen noch nicht
bekümmert? Less. In den gemeinen Sprecharten auch nur Gelt! welches die dritte
Person für gilt zu seyn scheinet, wenn es nicht mit dem Englischen to yield,
zugeben, einräumen, aus einer Quelle stammet, da es denn concedisne? bedeuten
würde. 2) Figürlich. (a) Einen moralischen Werth haben. (aa) Kraft, Gültigkeit
haben. Was bey dem Allmächtigen gilt, will ich nicht verhehlen, Hiob 27, 11.
Die Gerechtigkeit die vor Gott gilt, Röm. 1, 17. Die meisten Stimmen gelten.
Der Contract gilt nicht. Was von der ganzen art gilt, (mit Bestande der
Wahrheit gesagt werden kann,) das muß auch von allen darunter begriffenen
Gattungen gelten. Geltende Ansprüche an etwas haben. Das Spiel, der Zug auf dem
Bretspiele soll nicht gelten. Seine Befehle, seine Ansprüche geltend machen.
Dieß kann für keinen Beweis, für keine Entschuldigung gelten. Das gilt mir
gleich, eines hat so viel Kraft bey mir, ist meiner Neigung so gemäß, als das
andere. Mir gilt alles gleich.
S. Gleichgültig.
Das erste Hindernis galt auch die andern Mahle, Gell.
fand Statt, war vorhanden. Lassen sie meine Bitte etwas
gelten, von Kraft seyn. Alle diese Entschuldigungen gelten nichts. Das lasse
ich gelten! eine im gemeinen Leben übliche Formel des Beyfalles. (bb) Ansehen
haben, vermögen, von Personen. Er gilt viel am Hofe, oder bey Hofe. Ich gelte
etwas bey ihm.
Der Weise hat ein Loos; das seinen Werth entscheidet,
Verdienste, wo er gilt, und Unschuld, wo er leidet, Haged.
(cc) Erlaubt seyn, doch nur im gemeinen Leben. Das gilt
nicht. (b) Betreffen, auf etwas gerichtet seyn, etwas zum Ziele haben. Wie ein
Vogel zum Strick eilet und weiß nicht, daß ihm (daß es ihm) das Leben gilt,
Sprichw. 23, 11, daß es ihm sein Leben kostet. Es gilt deinen Kopf, es ist auf
deinen Kopf, d. i. auf dein Leben abgesehen. Er sagte es ihr, doch so, daß es
mich zu gelten schien, auf mich gerichtet zu seyn schien. Was einem gesagt
wird, gilt alle, geht auf alle, geht alle an. Hier steht die vierte Endung mit
allem Recht, weil es in dieser Bedeutung eine Figur der ersten Bedeutung ist,
wo der Preis gleichfalls die vierte Endung bekommt. Ist außer der vierten
Endung der Sache noch die Person vorhanden, so erfordert diese die dritte
Endung. Es gilt ihm das Leben. Mir gilt alles gleich. Wird die Sache, welche
der Gegenstand des Zeitwortes ist, durch eine Person ausgedruckt, so ist kein
Grund vorhanden, warum die Wortfügung sollte geändert und statt der vierten die
dritte Endung gesetzt werden. Indessen findet man doch in die-
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541-542] sem Falle den Dativ sehr häufig, und in
manchen Sprachlehren wird er ausdrücklich erfordert. Ach daß der Traum deinen
Feinden gülte, (gälte,) Dan. 4, 16. Ich wußte nicht, daß dieser Seufzer mir
gelten sollte, Dusch. Nun, wem gilt das? Less.
Nein, Liebe, nein, dir gilt nicht dieses Lied, Haged. Zumahl
wenn es der armen Freundinn gilt, Gell. Die Wahl galt, wie gesagt, der jungen
Sylvia, Rost.
Die Kriegsrüstung soll den Engländern gelten, soll auf sie
gerichtet seyn. In allen diesen Fällen sollte, wie es scheinet, billig die
vierte Endung stehen, denn wenn gelten in der Bedeutung der Richtung die dritte
Endung erforderte, so müßte man auch sagen: Der Anschlag gilt deinem Leben,
deinem Kopfe, deinem Vermögen u. s. f. wo doch jedermann die vierte Endung
gebraucht. Hierher gehöret (c) Auch die Oberdeutsche Fügung mit der zweyten
Endung. Hier gilt es Laufens, hier kommt es auf das Laufen an, hier gehet es an
ein Laufen. Es gilt Aufmerkens, hier ist Aufmerken nöthig.
Nun so es aber sterbens gilt, Hans Sachs,
wenn es zum Sterben kommt.
Das Haupt bekränzt, das Glas gefüllt So leb ich, weil es
Lebens gilt, Günth.
So lange es noch erlaubt ist zu leben. Daher die Geltung,
S. solches hernach besonders. Anm. Dieses Wort lautet
als ein Neutrum im Nieders. gelben, gellen, im Dän. giälde, bey den
Krainerischen Wenden vellam, ich bin nützlich, ich gelte, im Isländ. gilda. Die
Schweden unterscheiden das Activum von dem Neutro sehr schön; jenes heißt bey
ihnen gelda, dieses aber gella. Wachters Muthmaßung ist sehr wahrscheinlich,
daß das Neutrum mit dem Lat. valere aus Einer Quelle abstamme. Und diese Quelle
ist vielleicht noch in dem Hebr. -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , Stärke, Menge, Reichthum, Griech. -
hier nichtlateinischer
Text, siehe Image - und -
hier nichtlateinischer Text, siehe
Image - , vorhanden, wovon auch unter Deutsches Geld abzustammen scheinet.
S. dasselbe. Die biblischen R. A. da es nun gelten
sollte zum Treffen, da es zum Treffen kommen sollte, 2 Macc. 15, 20, und, es
gilt wohl, für, gut, es kann geschehen, 2 Sam. 2, 14, sind im Hochdeutschen
ungewöhnlich.
S. Geld, Gülte, Gültig, Gültigkeit.
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541-542]