Die Zunge
, [
1763-1764] plur. die -n, Diminut. das
Zünglein, das bewegliche Stück Fleisch im Munde, welches das vornehmste
Werkzeug des Geschmackes und der Sprache ist. 1. Eigentlich; besonders in
Rücksicht auf die Sprache. Eine schwere, stammelnde, geläufige, beredte Zunge
haben. Einem Kinde die Zunge lösen, das Zungenband, wenn es zu kurz ist
durchschneiden. Figürlich löset man jemanden die Zunge, wenn man ihn beweget,
sich ohne Rückhalt über etwas zu erklären. Mit doppelter Zunge reden, nicht bey
einer Rede bleiben, eine Sache auf verschiedene, sich selbst widersprechende
Art erzählen, (
S. Doppelzüngig.) Sein Herz auf der Zunge haben, so
reden, als man denkt. Es schwebt, oder liegt mir auf der Zunge, sagt man, wenn
man sich auf einen Nahmen, oder auf ein Wort nicht besinnen kann. Seine Zunge
im Zaume halten. Mit der Zunge sündigen. Jemanden über die Zunge springen
lassen, ihn durchhecheln, verleumden. Nach einer noch weitern Figur war nach
dem Vorgange des Latein. lingua, Zunge ehedem so viel als Sprache, daher mit
Zungen reden in der Deutschen Bibel noch so viel ist, als verschiedene fremde
Sprachen reden; in welcher Bedeutung es aber veraltet ist. 2. Figürlich, wegen
der Ähnlichkeit in der Gestalt. Die Landzunge, Erdzunge, ein langes schmales
Stück Land, welches sich in die See erstrecket. In der Mechanik wird der
kürzere Theil des Hebels, an welchem die Last angebracht wird, die Zunge
genannt, im Gegensatze des Kopfes, oder des längern Theiles. An den Kramerwagen
ist das Zünglein der in der Mitte angebrachte perpendiculäre Zeiger, welcher
sich zwischen der Gabel bewegt und durch seinen Stand das Verhältniß zwischen
der zu wägenden Sache und dem Gewichte andeutet. Im Bergbaue ist die Zunge ein
eisernes Werkzeug, die abgebrochenen Stücke eines Bohrers aus dem Bohrloche
heraus zu ziehen, wo es doch aus Zange verderbt zu seyn scheinet. Bey den
Maurern heißt der Unterschied zwischen zwey Röhren eines Schorsteins eine
Zunge; bey den Kürschnern ist es das Mittelstück einer Wolfs- oder
Fuchsscheide; im Feldbaue das schmale Stück Holz an der Pflugkarre, woran die
Pflugwage gehänget wird; bey den Tuchscherern, fehlerhafte längere Haare,
welche im Scheren stehen bleiben; bey den Töpfern, ein gespaltenes Holz, über
welchem sich die Scheibe mit dem Thone horizontal herum drehet; ein Theil an
dem Mundstücke der Pfeifen; und so in vielen andern Fällen mehr. Besonders wird
eine Art Schollen und Platteißen, wegen ihrer zungenförmigen Gestalt, die
Zunge, oder der Zungenfisch, genannt, Pleuronectes Linguatula Linn. Ital.
Lenguata, Span. Lenguado, Lat. Lingulaca, Linguata, Franz. Linguet. Wegen ihrer
Ähnlichkeit mit einer Sohle heißt sie im Latein. auch Solea. Anm. Dieses Wort
ist sehr alt, und findet sich mit geringen Veränderungen in sehr vielen
Sprachen wieder. Im Oberdeut- schen lautet es von den frühesten Zeiten an
Zungu, im Niederd. Tunge, bey dem Ulphilas Tuggo, (sprich Tungo,) im Angels.
Tung, im Engl. Tongue, im Schwed. und Isländ. Tunga, im Irländ. Teanga. Nach
dem Marius Victorinus sprachen die alten Römer für Lingua, Dingua, welches mit
dem unseigen übereinkommt. Vermuthlich stammet es von dingen, Schwed. tinga,
her, so fern es ehedem sprechen überhaupt bedeutete, indem die Zunge das
vornehmste Werkzeug der Sprache ist, und alsdann könnte es auch mit dem Griech.
hier nichtlateinischer Text, siehe Image verwandt seyn. Frischens
Ableitung von dem Griech. hier nichtlateinischer Text, siehe Image
ist im höchsten Grade gezwungen und seltsam. [
1763-1764]