Die Zähre
, [
1649-1650] plur. die -n, Diminut. das
Zährchen, Oberd. Zährlein, ein mit Thräne gleich bedeutendes Wort, nur daß es
dem gemeinen Sprachgebrauch wenig oder gar nicht mehr vorkommt, sondern nur
noch in der dichterischen und höhern Schreibart gebraucht wird. Vielleicht
begleiten einige wenige deine Zähre mit der ihrigen.
Er lies't, und eine fromme Zähre Fließt von des Helden
Angesicht, Gell. Dem starren Aug' entfiel der Wehmuth sanfte Zähre, Weiße.
Anm. Schon im Kero, Ottfried u. s. f. Zahar, Zaher, im
Angels. und Engl. Tear, im Schwed. Tär, Isländ. Deor, bey dem Ulphilas Tagr, in
Bretagne Daigr, welches mit dem alten Latein. Dacryma für Lacryma, und dem
Griech. hier nichtlateinischer Text, siehe Image überein kommt.
Daß aber unser Zähre zu eben derselben Verwandtschaft gehöret, und sich bloß
durch Milderung des Hauchlautes unterscheidet, scheinet auch daraus zu
erhellen, weil dieses Wort noch im Ottfried Zachar lautet. Das Nieders. Tier,
Geschrey, Wehklagen, Lärm, scheinet nicht hierher, sondern zu einem andern
Stamme, zu gehören. Wachter macht einen sonderbaren, wenigstens überaus
willkührlichen Unterschied, zwischen Thräne und Zähre, indem jenes bloß von dem
Weinen und Schmerz, dieses aber von allen aus dem Auge rinnenden Tropfen
gebraucht werden soll; ein Unterschied, welcher wider allen Sprachgebrauch,
auch wider die Abstammung ist. Von Zähre ist zwar die Stammbedeutung jetzt
unbekannt; allein von Thräne ist es das Rinnen. Wäre so ein Unterschied
zwischen beyden Wörtern, wie Wachter will, so müßte vielmehr Thräne in der
weitesten Bedeutung von jedem Tropfen gebraucht werden. Allein, wie gesagt, es
ist zwischen beyden kein anderer Unterschied, als welchen die Würde macht.
Thräne ist allen Arten des Styles gerecht; allein Zähre wird nur noch in der
höhern Schreibart gebraucht.